Treibstoffdrama in Chicago: Franchitti ist Champion!

In einer der dramatischsten Entscheidungen der Motorsportgeschichte sicherte sich Dario Franchitti mit einem Sieg in Chicago den IndyCar-Titel

(Motorsport-Total.com) - Viel wurde in den vergangenen Tagen über die spannende Situation vor dem Saisonfinale der IndyCar-Serie geschrieben, doch was sich in den letzten Runden des letzten Rennens 2007 in Chicago abspielte, übertraf alle Erwartungen: In einer der dramatischsten Entscheidungen der Motorsportgeschichte sicherte sich Dario Franchitti (Andretti/Green) den Titel!

Titel-Bild zur News: Dario Franchitti

Der IndyCar-Champion des Jahres 2007 heißt Dario Franchitti!

Scott Dixon (Ganassi), der mit drei Punkten Rückstand an den Chicagoland Speedway im US-Bundesstaat Illinois gekommen war, ging beim Restart nach der letzten Gelbphase zwei Runden vor Schluss eine halbe Wagenlänge vor Franchitti in die Entscheidung. Franchitti saugte sich im Windschatten heran, war sogar schon neben Dixon, hatte dann aber nicht den Speed, um aus eigener Kraft in Führung zu gehen.#w1#

Drama auf den allerletzten Metern der Saison

Als die weiße Flagge den Beginn der letzten Runde signalisierte, sah Dixon schon wie der sichere Champion aus - doch dann das große Drama: Genau wie ein paar Minuten zuvor sein Teamkollege Dan Wheldon, der ihm Windschatten gegeben hatte, um Treibstoff zu sparen, wurde plötzlich auch der Neuseeländer langsamer. Franchitti realisierte sofort, was los war, riss die Hände in die Höhe und blieb selbst auch ein paar Meter nach der Zielflagge mit staubtrockenem Tank stehen.

Anschließend spielten sich unglaubliche Szenen ab: Die Andretti/Green-Crew lag sich nach dem elektrisierenden Finish in den Armen, Franchittis Vater zerdrückte gerührt das eine oder andere Tränchen im Augenwinkel und die neue First Lady der IndyCar-Serie, Hollywood-Schauspielerin Ashley Judd, wickelte sich in eine schottische Flagge ein und machte ihrem Ehemann eine öffentliche Liebeserklärung.

Der große Sieger selbst stand minutenlang neben seinem gestrandeten Auto, legte den Kopf nach einer unglaublichen Saison, in der er zwei fürchterliche Überschläge überlebt und die 500 Meilen von Indianapolis gewonnen hatte, erlöst an den Heckflügel - und ließ die ganze Anspannung erst von sich abfallen, als er die silberne IndyCar-Trophy euphorisch in die Höhe streckte und von den Fans frenetisch gefeiert wurde.

Franchitti fiel gleich zu Beginn zurück

Scott Dixon vor Dario Franchitti

Rad an Rad gingen die Titelanwärter in Chicago in die letzte Runde Zoom

Dabei hatte es am Anfang des Rennens gar nicht so gut ausgesehen, denn der Polesetter hatte nicht das schnellste Auto im Feld und musste gleich zu Beginn die beiden Penskes, die sich über 100 Runden abwechselnd an der Spitze halten konnten, ziehen lassen. In Runde 25 lag Franchitti sogar erstmals hinter Dixon, musste gegen den Neuseeländer noch dazu im Alleingang kämpfen, weil all seine Andretti/Green-Teamkollegen weit weg waren.

Zwischen der 85. und 120. Runde verlor Franchitti sogar ein wenig den Anschluss an das Spitzenquartett mit den Penske- und Ganassi-Piloten, doch Nachzügler Vitor Meira (Panther) leistete ihm unabsichtlich ein wenig Schützenhilfe, so dass er wieder herankam. Meira war es auch, der mit seinem Abflug in der 136. Runde jene Gelbphase auslöste, die die Entscheidung im Peak Antifreeze Indy 300 herbeiführen sollte.

Dixon und Franchitti blieben nämlich am längsten draußen, während alle anderen an die Box kamen, und setzten sich dadurch hinter dem Safety-Car an die Spitze des Feldes. Während der relativ langen Gelbphase tankten beide gleich noch einmal auf, um bis zum Ende durchfahren zu können - was bei Franchitti, der sehr treibstoffeffizient unterwegs war, gerade mal so aufging, bei Dixon aber um ein paar Meter nicht.

Rad-an-Rad-Kämpfe auf den ersten Positionen

Bis etwa 20 Runden vor Schluss sah es nach einer klaren Sache für Dixon aus, denn in einer unglaublich spannenden Windschattenschlacht mit mehreren Fahrzeugen lag Dixon meistens an zweiter, Franchitti aber nur an fünfter Position. Selbst Danica Patrick (Andretti/Green), die ein sehr konkurrenzfähiges Auto hatte, mischte bis zum Schluss mit, ehe sie sich sechs Runden vor dem Ende bei der Einfahrt zum letzten Splash and Dash drehte und damit die finale Gelbphase auslöste.

Weil bis auf Dixon und Franchitti zum Schluss alle noch einmal nachtanken mussten, waren in der Entscheidung nur die beiden Meisterschaftsrivalen in der Führungsrunde. So wurde Dixon nach 200 Runden auch als Zweiter gewertet, womit er in der Meisterschaft unterm Strich 13 Punkte Rückstand hatte - ein wesentlich größerer Abstand als im Vorjahr, als Sam Hornish Jr. (Penske) nur wegen der größeren Anzahl der Siege ex aequo vor Wheldon gewonnen hatte.

Hornish landete heute auf dem dritten Platz, unmittelbar vor seinem Teamkollegen Helio Castroneves, Scott Sharp (Rahal/Letterman) und Tony Kanaan (Andretti/Green). Letzterer war noch mit theoretischen Titelchancen in den Tag gegangen, fiel aber durch einen frühen Boxenstopp zurück und spielte anschließend keine Rolle mehr. Ryan Hunter-Reay (Rahal/Letterman), Debütant Hideki Mutoh (Panther), Buddy Rice (Dreyer and Reinbold) und A.J. Foyt (Vision) komplettierten die Top 10.

Keine der drei Frauen in den Top 10

Marco Andretti

Marco Andrettis Nacken überstand diesen Crash nicht unbeschadet Zoom

Patrick wurde nach ihrem Missgeschick in der Boxeneinfahrt, das sie mit wütenden Schlägen gegen das Lenkrad wortlos kommentierte, immerhin noch Elfte, unmittelbar vor der zweiten von insgesamt drei Frauen im Feld, Sarah Fisher (Dreyer and Reinbold), die übrigens am kommenden Samstag heiraten wird. Milka Duno (Samax), die Dritte im Bunde, die wieder einmal hoffnungslos langsam unterwegs war, landete mit 16 Runden Rückstand auf Position 13.

Tomas Scheckter (Vision) und Darren Manning (Foyt) mussten frühe Ausfälle hinnehmen, während für Marco Andretti (Andretti/Green) die Saison so endete, wie sie 2007 meistens war: mit einem Unfall. Der junge Amerikaner kam schon in der 34. Runde von der Strecke ab - es sah ein wenig nach einem technischen Gebrechen aus - und musste anschließend wegen starker Nackenschmerzen zum Röntgen in ein Krankenhaus gebracht werden.

Doch das konnte die Freude in seinem Rennstall über den neuen Champion Franchitti, der sich möglicherweise in Richtung NASCAR verabschieden wird, nicht trüben - vor allem, weil Andretti/Green nun das erste Team in der IndyCar-Geschichte ist, das die Meisterschaft dreimal gewinnen konnte. Und auch für Franchitti hat sich ein Kreis geschlossen: Nach seiner punktgleichen Niederlage in der CART-Meisterschaft 1999 gegen Juan Pablo Montoya hat er nun endlich seinen ersten US-Titel...