• 23.03.2011 16:53

  • von Pete Fink

Kolumne: Randy Bernard und seine zwei Probleme

Ein Jahr ist IndyCar-Chef Randy Bernard nun im Amt: 'Motorsport-Total.com'-Redakteur Pete Fink über viele Erfolge und zwei große IndyCar-Baustellen

Titel-Bild zur News: Randy Bernard IndyCar-Chef

Ein Jahr im Amt: IndyCar-Chef Randy Bernard packt die Dinge richtig an

Liebe IndyCar-Fans,

Einmal ganz ehrlich: Wer von euch kannte bis vor etwa einem Jahr einen gewissen Randy Bernard? Auch ich muss gestehen, dass ich im März 2010 überhaupt keine Ahnung hatte, wen man da als neuen Boss der IndyCars bekannt gab. Ich war ziemlich skeptisch. Mein erster Gedanke damals war: Wie kann man denn bitte auf die Idee kommen, den Chef der professionellen Bullenreiter als neuen Geschäftsführer einer in großen Schwierigkeiten befindlichen Motorsportserie zu ernennen?

Und die IndyCars steckten weiß Gott in großen Problemen. Ich möchte an dieser Stelle nun wirklich nicht wieder damit anfangen, wer in den letzten 15 Jahren alles warum Schuld an dem Niedergang der IndyCars hatte. Fakt ist: Zu so einem Desaster gehört mehr als nur eine einzige Person. Und wenn persönliche Eitelkeiten aller Drahtzieher in einem hart umkämpften Markt wichtiger werden als der Sport selbst, dann sind die negativen Konsequenzen eben unvermeidlich.

Unter dem Strich war das Schiff IndyCars seit vielen Jahren ohne Kapitän unterwegs. Die Liste von schlechten Entscheidungen ist ellenlang, es wurden viele Millionen US-Dollar für nichts und wieder nichts verbrannt. Einige dieser strategischen Verfehlungen - zum Beispiel der aktuelle TV-Vertrag - haben sogar jetzt noch ihre ganz konkreten Auswirkungen. Aber dazu später mehr.

Tony George, seines Zeichens natürlich der "Oberbuhmann", verkündete im Mai 2009, also nur wenige Monate vor seiner endgültigen Entmachtung, dass die IndyCars in drei Jahren schwarze Zahlen schreiben müssten, sonst sei die Serie endgültig am Ende. Und in dieser extrem misslichen Lage sollte nun ein "Bullenreiter" das Ruder herum werfen können? Ist so etwas möglich?

Schlagzeilen und Kommunikation

Ein Jahr später sind viele Skeptiker - auch ich - überzeugt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Noch ist nicht alles Gold was glänzt. Aber die Richtung stimmt. Bernard hat in 15 Jahren aus einer versprengten Truppe von Rodeo-Cowboys eine sehr erfolgreiche Multi-Millionen-Dollar-Unternehmung zusammen gezimmert. Ganz ähnliche Ansätze sind in den ersten zwölf Monaten seiner Amtszeit als IndyCar-Boss zu beobachten.

Pete Fink Kolumne

Ein Jahr Randy Bernard: Pete Fink zieht eine fast durchwegs positive Bilanz Zoom

Wir alle wissen: Bernard ist ein Marketing-Spezialist. Er ging seinen neuen Job ohne jegliche politische Vorbelastungen an und betont auch immer und jederzeit, dass ihn die alten Querelen der Vergangenheit überhaupt nicht interessieren. Sein größtes Plus aber ist die Tatsache, dass er ein sehr guter Zuhörer ist. Das gilt für einen Roger Penske genauso wie für die IndyCar-Fans.

Es sind neue Zeiten angebrochen. Plötzlich werden Emails rasch beantwortet, sogar telefonisch ist der Bernard-Stab fast jederzeit zu erreichen. Die neue IndyCar-Führung pflegt eine Politik der offenen Türen, die Kommunikation passt und um neue strategische Ideen ist man auch nicht verlegen. "Wir müssen eigene Schlagzeilen kreieren", lautet das Bernardsche Credo. Und er hält sich daran.

Klar kann man über Ideen wie 20 Millionen US-Dollar für einen Doppelsieg beim Indy 500 und dem Coca-Cola 600, oder die fünf Millionen Preisgeld von Las Vegas trefflich streiten. Fakt ist aber, dass die IndyCars damit plötzlich und in kleinen, vorsichtigen Etappen das eine oder andere Mal aus dem so übermächtigen Medienschatten der NASCAR hinaus treten. Das ist sehr wichtig.

Großbaustelle eins: Die Teams

Doch Bernard feiert auch strategische Erfolge. Unter anderem die überlegte Art und Weise, wie das lange überfällige Projekt Next-Generation IndyCar angegangen wird, verdient Respekt. Auch wenn das Resultat freilich noch nicht überprüfbar ist. Entscheidend ist auch, dass Chevrolet zurückkommt, weswegen nun Ford am Überlegen ist. Anders formuliert: In den letzten zwölf Monaten sorgte Bernard für mehr positive Schlagzeilen, als es seine Vorgänger in über 15 Jahren zustande brachten.

Will Power

25 IndyCars starten am Sonntagabend in die neue Saison 2011 Zoom

Klar ist aber auch, dass ein solcher Umschwung nicht über Nacht funktionieren wird. Noch sind beileibe nicht alle wirtschaftlichen Probleme gelöst, wie etwa die Silly-Season in diesem Winter deutlich gemacht hat. Mit Gil de Ferran und dem FAZZT-Team mussten zwei Teams zusperren, eines (FAZZT) konnte wenigstens von Sam Schmidt übernommen werden.

Tony Kanaan musste fast ein halbes Jahr um ein Cockpit zittern, Dan Wheldon ist zum Saisonauftakt genauso zum Zuschauen verbannt wie Paul Tracy. Rückkehrer Sebastien Bourdais fährt für Dale Coyne Racing, was natürlich nicht die erste IndyCar-Adresse ist. Solche Dinge müssen ein massiver Dorn im Auge von Randy Bernard sein, der nicht müde wird zu betonen, dass er die sportlich besten Piloten im Feld sehen möchte.

Es ist nach wie vor eine große Baustelle, denn außer Ganassi und Penske stehen - knallhart gesagt - die Finanzen der restlichen Teams auf wackeligen Beinen. Was zum Beispiel mit Andretti Autosport passiert, falls sich Superstar Danica Patrick zum Saisonende für die NASCAR entscheiden sollte, wird sehr interessant werden.

Großbaustelle zwei: Die Medien

Fast noch schwieriger stellt sich die TV-Situation dar. Im Sommer 2008 unterzeichneten die IndyCars einen TV-Vertrag mit 'Versus'. Die Laufzeit sind satte zehn Jahre, also bis Ende 2018. Die Zusammenarbeit begann zum Saisonbeginn 2009 und führte dazu, dass die Einschaltquoten um 60 (!) Prozent einbrachen. Nur knapp über 300.000 US-Haushalte sahen in der Saison 2009 im Schnitt die zwölf IndyCar-Rennen von 'Versus'.

Dario Franchitti

Dario Franchitti gewinnt das Indy 500 - und nur vier Millionen sehen zu Zoom

Auch 2010 trat keine wesentliche Verbesserung ein. Nur eine halbe Million Amerikaner schalteten das Long-Beach-Rennen auf 'Versus' ein. Beim Indy 500, das von 'ABC' übertragen wurde, sahen in den USA nur etwa vier Millionen Menschen zu. Solch eine TV-Quote beim Saisonhöhepunkt ist ganz einfach indiskutabel. Zum Vergleich: Auch etwa vier Millionen war die schlechteste (!) Einschaltquote, die die NASCAR 2010 bei einem ihrer 36 Saisonrennen erzielte.

Da liegt ein Verdacht nahe: Wenn die IndyCars auf 'Versus' im verschlungenen US-Kabelnetz nur allzu oft untergehen, dann ist dies vermutlich ein Grund, warum auch das Indy 500 keine Quoten mehr erzielen kann. Getreu dem sprichwörtlichen Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Bernard setzt seine Hoffnungen nun auf einen neuen 'NBC Sports Channel', nach dem im Januar 2011 eine 'NBC'-Übernahme der 'Versus'-Mutter 'Comcast' genehmigt wurde.

In Mitteleuropa bleibt es dunkel...

Doch die deutschsprachigen IndyCar-Fans trifft es in dieser Saison noch schlimmer. Auf Drängen von 'Versus' gibt es keinen offiziellen Livestream mehr auf der offiziellen IndyCar-Webseite. Dies ist ganz sicher nicht im Sinne Bernards, aber es sind ihm einfach die Hände gebunden. Das Szenario erinnert sehr an das leidige Problem, das die deutschen NASCAR-Fans seit 2008 ärgert.

Parade Lap in St. Petersburg

Am Sonntagabend startet die neue IndyCar-Saison in St. Petersburg Zoom

Natürlich wird hinter den Kulissen fieberhaft an einer Lösung gearbeitet, soviel dürfen wir euch durchaus verraten, denn glücklich ist damit niemand. Danica Patrick bringt es indirekt auf den Punkt wenn sie sagt: "Wenn du die Fans nicht erreichst, dann bekommst du keine Sponsoren. Wir können nicht übersehen, dass dies hier auch ein Business ist. Klar will jeder puren Motorsport sehen, aber es dreht sich halt auch um das Geschäft."

Zwar sagte Patrick dies in Zusammenhang mit der Frage über den Entertainment-Faktor der IndyCars 2011, aber ich habe mir ganz einfach einmal erlaubt, dieses Zitat etwas zu entfremden. Für mich ist eines wichtig: Es geht wieder in die richtige Richtung und ein Wunderheiler kann Randy Bernard nun auch nicht sein. In diesem Sinne: Auf eine tolle IndyCar-Saison 2011!

Herzliche Grüße,
Euer


Pete Fink