Interview: Marco Andretti und Graham Rahal
Im Namen der Familiendynastie: Marco Andretti und Graham Rahal im Interview vor dem klassischen 500-Meilen-Rennen in Indianapolis
(Motorsport-Total.com) - Wenn heute in Indianapolis das 500-Meilen-Rennen gestartet wird, werden auch zwei Youngsters aus ganz großen US-Rennfahrerdynastien am Start sein: Marco Andretti und Graham Rahal. Die beiden qualifizierten sich für den siebenten beziehungsweise 13. Startplatz und möchten heute eine Überraschung abliefern.

© IRL
St.-Petersburg-Sieger Graham Rahal wird sein erstes Indy 500 bestreiten
Andretti (Andretti/Green) zählt zumindest zum erweiterten Favoritenkreis, schließlich hätte er das Indy 500 vor zwei Jahren beinahe schon einmal gewonnen. Auch im Vorjahr sah er schon wie der sichere Abbruchsieger aus, als doch noch einmal neu gestartet wurde. Und wie unsere Leser wissen, haben die Andrettis mit dem "Brickyard" noch eine Rechnung offen. Rahal geht als Vertreter der ChampCar-Fraktion mit weniger Druck ins Rennen, möchte es aber am liebsten seinem Vater Bobby gleichtun und irgendwann gewinnen.#w1#
Erinnerungen an den Vater
Frage: "Graham, das ist dein erstes Indy 500. Es ist ein Ort, wo dein Vater gewonnen hat, er hat das aber schon vor deiner Geburt geschafft. Welche Erinnerungen hast du an Indianapolis? Was bedeutet es dir, erstmals die Möglichkeit zu haben, auf diesem Oval zu fahren?"
Graham Rahal: "Nun, zunächst liegt das natürlich schon viele Jahre zurück - es ist sehr angenehm, durch die Wiedervereinigung zurück zu sein. Ich habe nicht erwartet, dass es so schnell passiert. Die Frage lautete immer, wann ich in Indy sein würde. Dazu gab es nie einen Anhaltspunkt. Natürlich bin ich froh, hier zu sein. Meine ersten Erinnerungen an hier reichen bis 1994 zurück. Ich glaube, dass mein Vater in diesem Jahr Zweiter oder Dritter geworden ist, insofern ist das natürlich ein Grund, sich daran zu erinnern."
"Oder vor einigen Jahren, wo Buddy Rice hier für meinen Vater gewonnen hat und 2005 mit Danica (Patrick; Anm. d. Red.). Ich habe viel Zeit an der Rennstrecke verbracht. Aber es ist eine völlig andere Art der Verantwortung, wenn man für sich selbst fährt. Man muss sich jeden Tag zeigen und eine gute Performance abliefern. Das ist etwas, was ich in der Vergangenheit nie tun musste."
Frage: "Marco, du hast hier in der IRL im Jahr 2006 dein Debüt abgeliefert. In dem Jahr warst du in Indianapolis vorne mit dabei, hast einen Sieg beim Rennen am Infineon Raceway geholt und den Rookie-of-the-Year-Titel geholt. Du bist nun das dritte Mal in Indy. Was bedeutet es dir, hier in Indy deine Familiengeschichte weiterzuschreiben, und was würde es dir bedeuten, hier siegen zu können?"
Andretti: "Das ist eine großartige Möglichkeit. Andretti/Green hat mir jedes Jahr großartige Autos zur Verfügung gestellt, um für mein ultimatives Ziel beste Chancen zu haben. Und es ist großartig. Es gibt hier durch meine Familie eine große Geschichte. Aber um aufs Rennen zu kommen: Ich möchte nicht gewinnen, weil sie hier alle gewonnen haben oder wegen deren großartiger Geschichte. Ich möchte hier für mich selbst gewinnen. Und ich denke, dass wir dazu eine gute Chance haben."
Im Namen der Familie
Frage: "Es war ein großartiges Jahr für die IndyCar-Serie. Wir haben jetzt die Einheit. Einige eurer Kollegen feierten Erfolge, wie Helio Castroneves mit 'Dancing with the Stars' oder Danica Patrick mit ihrem Sieg. Kann jeder einmal einen Kommentar dazu abgeben, wie wichtig es ist, eine Serie mit jungen amerikanischen Fahrern zu haben, deren Namen die Leute wiedererkennen, Namen wie Andretti, Foyt und Rahal?"
Andretti: "Ich denke, es ist großartig. Besonders die Fortsetzung der Familientradition und solche Sachen. Ich denke, dass es umwerfend ist, dass solche Namen zurückkehren und gut sind. Ich denke, das ist eine richtig große Sache. Ich meine, natürlich fühle ich nicht, dass mit Graham oder mir alles steht und fällt. Solange wir helfen können, ist es wirklich großartig. Und Danicas Sieg war auch super. Alles entwickelt sich in die richtige Richtung."
Rahal: "Ja, ich stimme Marco voll und ganz zu. Ich denke nicht, dass der Druck nur auf uns liegt. Ich meine, natürlich haben wir große Namen und natürlich gibt es da die alten Rivalitäten. Ich weiß nicht, ob Marco und ich das noch auf die selbe Art und Weise sehen wie unsere Väter, aber wir haben nun einige große Namen, die zurückgekehrt sind. Lange, lange Zeit - besonders bei mir und den ChampCars - gab es da eine Menge Fahrer, die jährlich kamen und gingen. Und die Fans wussten nicht mehr wirklich, wem sie zujubeln sollen. Aber mit den großen Namen werden mit Sicherheit die Menschenmassen zu den Rennen zurückkehren, egal ob das jetzt Indy ist oder irgendein anderes Rennen, welches es meinetwegen noch gar nicht gegeben hat."
Frage: "In den vergangenen zehn Jahren hatten viele den Eindruck, dass das Stockcar-Rennen in Indy das Indy 500 überschattet. Was ist euer Eindruck und falls ihr das auch glaubt, könnte es dieses Jahr einen Wendepunkt geben?"
Andretti: "Ich denke nicht, dass das Indy 500 von irgendeinem anderen Rennen überstrahlt wird. Ich denke vielleicht, okay, dass das Stockcar-Rennen ein bisschen was weggenommen hat. Ich weiß es nicht. Aber ich denke, dass alle Indy-Fans bei jedem Rennen dabei sein werden, egal welches das ist. Ich denke, dass beides große Rennen sind, aber ich würde nicht sagen, dass eines überschattet wird."
Rahal: "Ja, ich stimme absolut zu. Ich sehe absolut nicht, dass da irgendwas überschattet wird. Natürlich hat die Spaltung der Serie das Indy 500 in der Vergangenheit verletzt. Aber ich muss sagen, dass ich da im Moment viele Dinge sehe, die zu unseren Gunsten laufen. Und ich denke, dass diese Dinge sehr gut aussehen. Ich war ja schon vergangenes Jahr am Pole-Day hier, bin da aber natürlich nicht selbst gefahren. Dieses Jahr dann am Pole-Day schien sich die Menschenmenge hier riesig vergrößert zu haben. Ich denke, dass mit Sicherheit wieder mehr Interesse an der IndyCar besteht, als das in den vergangenen zwei Jahren der Fall war."
IndyCar-Serie im Aufwind
Frage: "Es scheint, als sei die IndyCar im Aufwind. Graham, du hast gewonnen, Danica Patrick hat dieses Jahr schon gewonnen. In die Serie kehrt der Enthusiasmus wieder zurück. Habt ihr das Gefühl, dass die IndyCar wieder das bekommt, was sie vor zwölf Jahren verloren hat?"
Rahal: "Ja, ich denke, es kehrt zurück. Das passiert nicht über Nacht. Wir dürfen nicht erwarten, dass es morgen oder sonstwann passiert. Das braucht noch einige Jahre. Aber wie wir es schon angeschnitten haben: Mit Marco, A.J. (Foyt; Anm. d. Red.), mir selbst, natürlich mit Danica und Helios Erfolg abseits der Rennstrecke denke ich, dass es eine Menge Gründe für die IndyCar-Fans gibt, enthusiastisch darüber zu sein, in welche Richtung das Ganze geht."

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Marco Andretti im Gespräch mit Großvater Mario, einer Indy-Legende Zoom
Andretti: "Ich stimme zu. Ich habe auf jeden Fall den neuen Aufschwung gefühlt und ich bekomme wieder das alte Gefühl dafür zurück, wie die Massen zurückkehren. Ich denke, es hat sich auf jeden Fall geändert. Und wie Graham gesagt hat, das passiert nicht hier sofort. Aber ich sehe keinen Grund, warum wir in drei Jahren nicht wieder dorthin zurückkehren sollen, wo wir bereits zu den Glanzzeiten waren, wenn nicht noch besser. Es passiert so vieles. Selbst durch Grahams Sieg war die Stimmung super. Es passieren eine Menge toller Sachen."
Frage: "Wie schafft das Indy 500 es, jeden weiterhin enthusiastisch zu halten?"
Rahal: "Nun, natürlich ein gutes Rennen und ein neuer Gewinner, das wäre sehr spannend, besonders, wenn es jemand wie Marco oder ich ist. Bei Danica wäre das Ganze natürlich gigantisch. Das wäre riesig für den Sport. Das wird für mich in einem Wechselteam natürlich sehr schwierig sein. Aber wie Marco es bereits angeschnitten hat, denke ich, dass es einige Jahre dauern wird. Und ein gutes Indy-Rennen wird nicht alles gleich verändern."
Frage: "Graham, fühlst du dich durch deinen Vater, dessen Geschichte, sein IRL-Team und deine ChampCar-Vergangenheit als Aushängeschild der Wiedervereinigung?"
Rahal: "Das glaube ich nicht. Natürlich denke ich, dass mein Sieg in St. Petersburg dem Ganzen geholfen hat. Wir alle sind das Aushängeschild. Jeder hier ist in der Lage, den Unterschied auszumachen."
IndyCar- vs. ChampCar-Cracks
Frage: "Kannst du darüber reden, wie schwierig und wie groß die Lücke zwischen den ChampCar-Jungs, besonders denen ohne Oval-Erfahrung, und der Spitze ist? Wie weit seid ihr entfernt?"
Rahal: "Es ist schwierig. Besonders Indy war immer anders, weil wir natürlich den ganzen Monat Zeit dafür haben. Realistisch gesehen sind wir noch einige Meilen pro Stunde dahinter. Ich denke, dass mein Team Neman/Haas/Lanigan diesen Monat einen großartigen Job gemacht hat. Hier auf dem großen Oval fehlen uns nach wie vor 2,5 bis drei mph. Vielleicht auch weniger. Leider etwas mehr als auf den kurzen Ovalen. Es gibt nur wenige Möglichkeiten für uns. Es wird interessant zu sehen, was in diesem Rennen so passiert, weil ich denke, dass wir mit Ganassi und Penske mithalten können, dabei haben wir wesentlich weniger Abtrieb. Es wird interessant zu sehen sein, was passiert."
Frage: "Das ganze Feld fährt irgendwann nach Edmonton, der erste Nicht-IRL-Stopp der Serie. Wie sehr freust du dich auf dieses Rennen, nachdem du dort zwei Jahre lang gefahren bist? Wie sehr freust du dich darauf, dich mit all den Jungs auf einer Straßenstrecke zu messen?"
Rahal: "Ich bin gespannt darauf. Edmonton ist die physisch anspruchvollste Strecke, die wir dieses Jahr in Angriff nehmen. Sie ist immer sehr schwierig. Aber ich freue mich wirklich darauf, dort zu fahren. Natürlich sind das Beste an Edmonton die 100.000 Leute - es werden Massen sein, die am Sonntag kommen werden. Das ist großartig. Die Jungs werden es sehr genießen. Ich denke, dass die Leute sich auf diesen Grand Prix freuen sollten."
Frage: "Graham, dein Team und Dale Coyne waren in der ChampCar klare Rivalen und bislang habt ihr euch auf ähnlichen Plätzen qualifiziert. Ist eure Lerngeschwindigkeit gleich groß?"
Rahal: "Ich denke, dass das wohl so ist. Ich möchte aber hinzufügen, dass auch da drüben viele clevere Kerle arbeiten. Und Bruno (Junqueira; Anm. d. Red.) ist höllisch schnell, besonders hier. Man erinnere sich an Bruno in der Vergangenheit nach seinem schweren Unfall, der ihn ziemlich verletzt hat. Aber er ist verdammt gut. Er kann auf seine Erfahrung zählen und ich denke, dass auch sein Team einen großartigen Job erledigt hat. Natürlich sind wir Gegner. Wir sind ein sehr großes Team. Dort haben sie nur etwa zehn Festangestellte, glaube ich. Insofern ist das etwas unterschiedlich, wenn man es aus dieser Perspektive aus betrachtet. Ich glaube, dass sie einen großartigen Job erledigen."
Frage: "Siehst du gegen Jahresende die größeren Chancen für die früheren ChampCar-Teams, weil mehr Straßenkurse kommen werden?"
Rahal: "Ich sehe nicht, dass es einen Grund gibt, warum sie es nicht in die Top 10 schaffen sollten. Ich weiß nicht, ob irgendjemand von ihnen dieses Jahr auf einem Oval gewinnen wird. Dazu gibt es für uns noch viel zu viel zum Lernen. Aber wenn die Zeit kommt, um auf Straßenkursen zu fahren, glaube ich, dass wir sehr konkurrenzfähig sein sollten. Es sind ein paar sehr gute Fahrer herübergekommen. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sich die Sache entwickelt."

