Houston 1: Überraschungssieg für Rookie Huertas

Kolumbianischer Dreifacherfolg in Houston: Rookie Carlos Huertas (Coyne-Honda) gewinnt sein erstes IndyCar-Rennen vor Juan Pablo Montoya und Carlos Munoz

(Motorsport-Total.com) - Das erste der beiden IndyCar-Rennen an diesem Wochenende in Houston endete mit einer faustdicken Überraschung in Form von drei Kolumbianern auf dem Podest: Rookie Carlos Huertas (Coyne-Honda) triumphierte vor Juan Pablo Montoya (Penske-Chevrolet) und Carlos Munoz (Andretti-Honda). Wer hätte ein solches Ergebnis auch nur ansatzweise vorausahnen können? Abgesehen von den treuesten kolumbianischen IndyCar-Fans wohl niemand.

Titel-Bild zur News: Carlos Huertas, Juan Pablo Montoya, Carlos Munoz

Premiere: Dreimal Kolumbien auf dem IndyCar-Podium in Houston Zoom

Statt wie ursprünglich geplant über 90 Runden ging das Rennen über die festgesetzte Zeit von 110 Minuten. Grund für diese Maßnahme war ein heftiger Regenschauer, der etwa eine Stunde vor dem geplanten Start über dem Reliant Park niedergegangen war. In der Anfangsphase des Rennens präsentierte sich der Stadtkurs mit seinen zehn Kurven noch nass, trocknete dann aber zügig ab.

Der stehende Start - alle 23 Fahrer legten auf Regenreifen los - glückte auf dem nassen Belag überraschend gut. Polesitter Simon Pagenaud (Schmidt-Honda) kam am besten weg, beschleunigte den von Platz zwei gestarteten Helio Castroneves (Penske-Chevrolet) aus und setzte sich direkt in Führung.

Pagenauds Führung von kurzer Dauer

Dahinter wurde der von Startplatz sechs losgefahrene Takuma Sato (Foyt-Honda) zwischen James Hinchcliffe (Andretti-Honda) und Luca Filippi (Rahal-Honda) eingeklemmt. Der Japaner konnte von Glück reden, unbehelligt durch die erste Schikane gekommen zu sein und wurde nach der Startrunde hinter Pagenaud, Castroneves und Hinchcliffe auf Rang vier geführt.

Simon Pagenaud

Polesitter Simon Pagenaud lag auf regennasser Piste zunächst in Front Zoom

Weil sich kurz darauf wiederum in der Schikane die vor ihm platzierten Castroneves und Hinchcliffe nicht über die Vorfahrt einigen konnten, schnappte sich Sato gleich beide und war Zweiter. Nur eine Runde später attackierte er Spitzenreiter Pagenaud - alles auf noch immer nasser Piste. In der Schikane klappte es mit Satos Manöver zwar noch nicht, in Kurve 6 gelang dann aber der Angriff: Der Japaner war nun nicht mehr nur der schnellste Mann im Feld, sondern auch der neue Spitzenreiter

Anschließend trocknete die Piste zügig ab und die Piloten kamen unter Grün zum Wechsel auf Slicks in die Boxengasse. Nach den Routinestopps war es Hinchcliffe, der die Meute anführte. Sato, dessen Stopp etwas länger gedauert hatte, folgte dem Andretti-Piloten aber auf dem Fuße und bereite schon die nächste Attacke vor, als die erste Gelbphase ausgerufen wurde. Long-Beach-Sieger Mike Conway hatte seinen Carpenter-Chevrolet im Reifenstapel von Kurve 3 versenkt und war auf die Hilfe der Streckenposten angewiesen.

Sato nach starker Fahrt aus dem Rennen gerissen

Beim Restart behielt Hinchcliffe kühlen Kopf und verteidigte die Führung. Dahinter aber ging es turbulent zu. Der bestens aufgelegte Sato wurde vom inzwischen überrundeten Michail Aljoschin (Schmidt-Honda) in die Mauer von Kurve 6 gedrückt - wieder Gelb und das Aus für Sato. Auch für Aljoschin, den Rookie aus Russland, war das Rennen gelaufen, wofür sich Sato freilich wenig kaufen konnte. Die Entschuldigung des IndyCar-Neulings interessierte den Foyt-Piloten im Moment der Enttäuschung jedenfalls herzlich wenig.


IndyCars in Houston

"Ich war schneller als Takuma und wollte mir meine Runde zurückholen. Ich lag außen und dachte, er sieht mich. Doch er zog nach außen. Da war dann einfach kein Platz mehr. Es war eine unglückliche Situation", urteilte Aljoshin wenig später vor laufenden TV-Kameras, war aber darauf bedacht, zu erwähnen: "Ohne meinen ersten Unfall wäre ich ohnehin nicht in dieser Position gewesen." Der Russe sprach damit auf die Kollision an, die ihn in Rundenrückstand befördert hatte: Mike Conway hatte den Schmidt-Honda nämlich kurz vor seinem eigenen Ausrutscher erwischt und umgedreht.

Beim nächsten Restart dann direkt wieder Chaos: Diesmal erwischte es den im Training und Qualifying so überzeugenden Saisondebütanten Luca Filippi. Der Italiener verlor seinen schwarzen Rahal-Honda schon in der Kurve vor dem Restart, traf dort zunächst rechts die Mauer und krachte dann links in die Boxenmauer - das Aus für den Überraschungsmann des bisherigen Wochenendes.

Teaminterne Kollisionen im Hause Ganassi und Andretti

Den folgenden Restart entschied erneut Hinchcliffe für sich, doch weit kamen er und seine Verfolger auch diesmal nicht. Der amtierende IndyCar-Champion Scott Dixon (Ganassi-Chevrolet) kollidierte auf der abtrocknenden Strecke ausgerechnet mit einem seiner drei Teamkollegen: Charlie Kimball. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Auto von Polesitter Pagenaud beschädigt. Der Ganassi-Zwischenfall mit Schmidt-Beteiligung war aber nicht die einzige teaminterne Kollision.

Carlos Munoz, Will Power

Carlos Munoz holte sich trotz Kollision mit Marco Andretti eine Podiumsplatzierung Zoom

Schon in der absoluten Anfangsphase war der nur von Startplatz 16 ins Rennen gegangene Marco Andretti mit seinem Andretti-Teamkollegen Carlos Munoz kollidiert und noch weiter zurückgefallen als ohnehin schon. Der Sohn von Teambesitzer Michael Andretti hatte das Gefühl, dass die Schuld für die Kollision klar bei Munoz zu suchen war.

Das Rennen lief zu diesem Zeitpunkt unter Grün. Im Bemühen, keine Runde zu verlieren, wehrte sich Andretti anschließend hartnäckig gegen den in seinem Windschatten befindlichen Takuma Sato. Der Japaner war zu diesem Zeitpunkt der Spitzenreiter im Rennen und über die Blockadetaktik von Andretti alles andere als erfreut. Der Crash mit Aljoschin wenig später verdarb Sato die Laune endgültig.

Dale-Coyne-Duo zockt: Einer kommt durch

Den Restart nach der Kollision Dixon/Kimball entschied einmal mehr Hinchcliffe für sich, doch wie schon zuvor, musste er bald darauf wieder den Fuß vom Gas nehmen. Diesmal war es IndyCar-Tabellenführer Will Power, der seinen Boliden auf dem stellenweise noch immer rutschigen Betonbelag aus der Kontrolle verloren hatte. Der Australier strandete im Reifenstapel von Kurve 9 und sollte das Rennen lediglich auf Platz 14 beenden. Powers Tabellenführung geriet aber nicht in Gefahr, weil Verfolger Castroneves seinerseits nur Neunter wurde.

Carlos Huertas

Carlos Huertas zockte sich zu einem Sensationssieg Zoom

Die Gelbphase aufgrund des Power-Abflugs stellte das Renngeschehen dann auf den Kopf. Während die Spitze, angeführt von Hinchcliffe, zum letzten Tankstopp hereinkam, blieben die beiden Dale-Coyne-Piloten Justin Wilson und Carlos Huertas auf der Strecke. Angesichts der Tatsache, dass das Rennen auf 110 Minuten begrenzt wurde, versuchten sie, ohne weiteren Stopp über die Distanz zu kommen. Mittlerweile hatte man sich der 70-Runden-Marke genähert. Wilsons Stopp datierte aus Runde 28!

Wilson und Huertas machten ungeachtet ihrer Spritsorgen das Tempo, während dahinter ein spannender Dreikampf zwischen Penske-Pilot Montoya, Tony Kanaan (Ganassi-Chevrolet) und Graham Rahal (Rahal-Honda) entbrannte. In Runde 74 musste Spitzenreiter Wilson dann doch einsehen, dass er ohne weiteren Stopp nicht über die Distanz kommen würde. Der Brite bog für einen Splash-and-Dash-Service in die Boxengasse ab und sollte unterm Strich auf Platz zehn einlaufen.

Rahal dreht Kanaan um - Huertas sagt Danke

Nun war es der 23-jährige Rookie Huertas, der sich bei seinem achten IndyCar-Start die ersten Führungsrunden überhaupt gutschreiben ließ. Der Kolumbianer zog ungeachtet der Tatsache, sein Idol Montoya im Rückspiegel zu haben, unbeirrt seine Kreise. Dabei kam ihm zu Gute, dass Montoya sein Push-to-Pass-Kontingent bereits aufgebraucht hatte.

In Runde 78 gab es dann noch einmal Gelb. Sebastian Saavedra stand mit seinem KV-Chevrolet in Kurve 4 entgegen der Fahrtrichtung, nachdem ihn Ryan Briscoe (Ganassi-Chevrolet) umgedreht hatte. Die Bummelrunden unter Gelb kamen vor allem Spitzenreiter Huertas entgegen, doch für eine letzte Runde Grün war noch Zeit. Doch die Frage, ob Montoya das Rennen gewonnen hätte, weil in der Schlussrunde womöglich auch Huertas' Spritvorräte zur Neige gegangen wären, wird für immer unbeantwortet bleiben.

Der Viertplatzierte Rahal drehte noch vor der Grünen Flagge den Drittplatzierten Kanaan um. Beim Herausbeschleunigen aus Kurve 9 hatte der Sohn des dreimaligen IndyCar-Champions Bobby Rahal die Situation schlicht und ergreifend falsch eingeschätzt. "Ich fuhr leicht nach links versetzt und bekam nicht mit, wie sich vor mir alles zusammenzog. Schade, heute war niemand schneller als ich. Hätte es noch einmal Grün gegeben, hätte ich mit Sicherheit gewonnen", so Rahal.


Fotos: IndyCars in Houston


Kanaan, der seinerseits ebenfalls um einen möglichen Sieg gebracht wurde, war untröstlich. "Ob ich sauer auf ihn bin? Klar. Kann ich die Zeit zurückdrehen? Nein", so der trockene Kommentar des ansonsten so spaßbetonten Brasilianers in Ganassi-Diensten. Kanaans Pech war Huertas' Glück. Durch die späte Kollision Rahal/Kanaan musste der letzte Restart abgeblasen werden. Das Rennen ging nach 80 zurückgelegten Runden unter Gelber Flagge zu Ende.

Juan Pablo Montoya, Josef Newgarden

Juan Pablo Montoya: Zum zweiten Mal in der Saison 2014 auf dem Podium Zoom

Huertas kreuzte die Linie vor Montoya und Rahal. Der US-Amerikaner durfte an der Siegerehrung allerdings nicht teilnehmen. Er bekam für das Umdrehen von Kanaan nachträglich eine 30-Sekunden-Zeitstrafe aufgebrummt. Statt Platz drei wurde es so für Rahal nur Platz elf. Der lachende Dritte: Carlos Munoz, der Kolumbianer in Diensten von Andretti Autosport. Er feierte mit seinen beiden Landsleuten Huertas und Montoya auf dem in dieser Konstellation nicht für möglich gehaltenen Houston-Podium.

Der Sieger zeigte sich nur bedingt überrascht. "Ich habe immer daran geglaubt", so Huertas. "Das Team hat einen tollen Job gemacht. Diese Rennen sind so lang, dass man mit der richtigen Strategie immer eine Chance hat. Anfangs waren die Bedingungen schwierig, doch ich erinnerte mich selbst stets daran, Ruhe zu bewahren. Am Ende ging die Strategie meines Teams auf." Der Zweitplatzierte Montoya befand: "Carlos hat alles richtig gemacht. Ich muss ihm gratulieren."

Hinter den drei Kolumbianern auf den Plätzen eins bis drei komplettierten Sebastien Bourdais, Hinchcliffe, Jack Hawksworth, Ryan Hunter-Reay, Andretti, Castroneves und Wilson die Top 10 eines ereignisreichen ersten Houston-Rennens. Die Fortsetzung folgt am Sonntag in Form des zweiten Rennens an diesem Double-Header-Weekend.