• 13.01.2010 20:41

  • von Pete Fink

Heiße Chassis-Gerüchte und eine VW-Absage

Während es in den USA derzeit viele Gerüchte um ein radikales IndyCar-Chassis gibt, will der VW-Konzern kein Triebwerk für Indianapolis bauen

(Motorsport-Total.com) - Seit Sommer 2008 existiert bei den IndyCars - latent aber hartnäckig - das Themenpaket neue Motoren und neue Chassis. Und natürlich ist jede Winterpause eine hervorragende Möglichkeit, um die eine oder andere Entwicklung in diesen Bereichen ausgiebig zu diskutieren. So geschehen auch im Winter 2009/2010, als im Dezember das geheimnisvolle Delta Wing Project an die Öffentlichkeit kam.

Titel-Bild zur News: Scott Dixon

Die alten Dallara-Chassis sind überholt - von Ganassi kommen neue Ideen

Dabei geht es um ein revolutionäres IndyCar-Chassis, welches aus den Reihen der IndyCar-Teamchefs stammt. Federführend dabei war Ex-Lola-Ingenieur Ben Bowlby aus dem Ganassi-Team. Dessen futuristische Designstudie, die an eine Mischung aus Kampfjet und Raketenauto erinnert, hat zwar das Computerstadium noch nicht verlassen, wurde aber seither in der IndyCar-Gemeinde intensiv diskutiert.#w1#

"Es ist ein interessantes Konzept, aber zu diesem Zeitpunkt ist es ein Konzept", zitierte der 'IndyStar' den neuen IRL-Präsidenten Jeff Belskus. Derzeit nicht mehr und nicht weniger als eine radikale Idee also, die aber möglicherweise dazu beitragen kann, die IndyCars im NASCAR-dominierten US-Motorsport wieder ein wenig mehr in die Schlagzeilen zu bringen.

Doch es gibt eine Menge Probleme. Die IRL erklärte zwar, man strebe für die Saison 2012 ein neues Chassis an, aber eine echte Ausschreibung, geschweige denn eine Auftragsvergabe, hat es noch nicht gegeben. Nach Informationen von 'Motorsport-Total.com' könnte frühestens im Mai 2010, also im Verlauf des Indy 500, eine Entscheidung darüber kommen, ob die IRL das Chassis-Projekt für die Saison 2012 wirklich durchziehen kann - und will.

Radikal und risikoreich

Frühestens zu diesem Zeitpunkt würde also eine Ausschreibung starten, und dies führt unmittelbar zum nächsten Problem. Denn damit würden für den gesamten Planungs-, Produktions- und Testprozess im Hinblick auf ein Endziel Saisonstart 2012 nur etwa 18 Monate bleiben. Eine recht kurze Zeitspanne für das radikale Delta Wing Project, das selbst über keinerlei Produktionsanlagen oder Windkanäle verfügt.

Ryan Briscoe

Würde ein "Raketenauto" in Indianapolis tatsächlich auf Anhieb funktionieren? Zoom

Die logistische Lösung der involvierten IndyCar-Teamchefs heißt offenbar Fremdvergabe. Die einzelnen Komponenten könnten von lokalen Zulieferern gebaut werden, Delta Wing würde nur als Koordinator fungieren. Angestrebt ist ein Chassis-Preis von etwa 140.000 US-Dollar, was die Gebühr für das aktuelle Dallara-Chassis klar in den Schatten stellen würde.

Damit ist klar: Der Aufbau solcher Strukturen müsste unter gewaltigem Zeitdruck voranschreiten, während die Teamchefs der IRL parallel eine problemlose Umsetzung garantieren müssten. Zu all diesen Risiken kommt noch eines hinzu: Was passiert, wenn das futuristische Auto auf der Strecke dann nicht wunschgemäß funktioniert? Angesichts des zu erwartenden Medienrummels wäre dies sicherlich eine riesige Blamage und der absolute Worst-Case.

Dallara und deren Kapazitäten

Auf der anderen Seite lauert Konkurrent Dallara. Im italienischen Parma stehen beeindruckende Produktionsanlagen, Kapazitäten, Ressourcen und Windkanäle, die in der Lage wären, auch unter Zeitdruck fristgerecht für die Saison 2012 die benötigte Menge an Chassis herzustellen. Kann ein loses Konglomerat von IndyCar-Teamchefs wirklich ernsthaft mit einem der weltweit größten kommerziellen Chassis-Bauer konkurrieren?

Tony George

Einen mächtigen Tony George hat die IRL seit Sommer 2009 nicht mehr Zoom

Und wer außer Roger Penske hätte aus den Reihen der Teamchefs das nötige Kleingeld zur Verfügung, um die Anschubkosten zwischen zu finanzieren, bevor das erste Chassis verkauft werden kann? Einen wirklich liquiden und mächtigen Tony George, der dieses Geld vorstrecken hätte können, besitzt die IRL nicht mehr. Auch in Indianapolis gibt es mittlerweile den Anspruch, profitabel zu wirtschaften.

Fakt ist: Das alte Dallara-Chassis aus dem Jahr 2003 hat ausgedient. Will die IRL in Mainstream-USA mit einem neuen Chassis für Furore sorgen, dann wäre ein radikales Konzept sicherlich nützlich. Die Medien würden eine Geschichte um ein "Raketenauto" beim Indy 500 sicher aufgreifen. Aber: Traut sich die IRL diesen gewagten Schritt zu? In einer Zeit, in der sie sich - nach Wiedervereinigung und Wirtschaftskrise - erst wieder finden muss?

Klare Absage von VW

Dallara hat sein Interesse am Bau eines neuen IndyCar-Chassis jedenfalls signalisiert. Die Italiener wären, aus Sicht der IndyCars, eine genauso sichere Bank, wie auf der Motorenseite Honda. Denn im Gegensatz zum Chassisbereich geht dort der Trend immer stärker zu einer klaren Angelegenheit.

VW-Logo

Kein Interesse: Volkswagen gab den IndyCars eine glasklare Absage Zoom

Aus fünf Interessenten wurden mit einem Schlag zwei. Volkswagen-Motorsport-Chef Kris Nissen gab eine deutliche Absage in Richtung Indianapolis: "Im Moment ist es nicht realistisch, dass der VW-Konzern dort mitmischen möchte", erklärte Nissen gegenüber 'Autosport'. Dies ist natürlich gleichbedeutend mit dem Aus für VW, Audi und Porsche.

Er führte zwei Gründe an: "Alle Konzernmitglieder haben bereits ihre Motorsport-Aktivitäten und wir müssen unsere Budgets dafür genau betrachten. Zum Zweiten muss die IndyCar-Serie erst einmal wieder zu sich finden, und es sieht so aus, als würden die Dinge sich bessern. Auch Amerika und der dortige Automarkt muss sich stabilisieren."

Damit verbleibt neben Honda nur noch der FIAT-Konzern als ernsthafter Interessent auf der Motorenseite. Honda favorisiert bekanntlich einen V6 mit Turbolader, der damit sehr gute Aussichten haben dürfte. Seit der Saison 2003 ist ein Dallara-Honda das Standardpaket der IndyCars, und derzeit sieht es zumindest noch nicht so aus, als würde sich in Zukunft daran etwas ändern.

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