• 28.05.2007 06:05

Das große Siegerinterview mit Dario Franchitti

Dario Franchitti im Interview über seinen ersten Sieg beim Indy 500, sein großes Glück mit dem ungeplanten Reifenwechsel und sein Vorbild Jim Clark

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Dario, was für ein Tag für dich! Wie ist es zu diesem Sieg gekommen?"
Dario Franchitti: "Was soll ich sagen? Ich kann es gar nicht glauben. Im ersten Teil des Rennens hatte ich massives Untersteuern. Daran arbeiteten wir, es wurde mit jedem Boxenstopp besser. Ich fühlte mich dann schon ganz wohl, bis wegen des Regens die roten Flaggen kamen. Das war ein komischer Moment, denn einerseits lag mein bester Freund Tony (Kanaan; Anm. d. Red.) vorne und es sah so aus, als wäre das der Sieg, und außerdem waren noch zwei weitere Teamkollegen auf den Podiumsplätzen, aber die eigensinnige Seite in mir wollte weiterfahren, denn ich spürte, dass da noch etwas drin sein könnte. Wenn wir nicht neu gestartet wären, wäre ich jetzt sicher nicht so glücklich!"

Titel-Bild zur News: Dario Franchitti

Dario Franchitti gilt als einer der sympathischsten Fahrer der IndyCar-Serie

"Nach der Unterbrechung hatte ich einen Schnitt im Hinterreifen. Ich schätze, dass ich über ein Wrackteil vom letzten Unfall gefahren bin. Wir mussten an die Box kommen. Ich wollte es gar nicht, aber es war aus Sicherheitsgründen wohl gescheiter. Dadurch kamen wir auf die Strategie, die uns den Rennsieg ermöglichte. Im Nachhinein muss ich sagen: Ich werde mich darüber nicht beklagen! Dann musste ich mich durch das Paket kämpfen, bis ich in Führung lag. Das war klasse! Ich kam ziemlich schnell durch den Verkehr und konnte wieder vorne mitmischen. Dann gelangen mir ein paar gute Restarts - und dann begann es zu regnen. Es war ein Monat mit vielen Höhen und Tiefen, eine echte Achterbahnfahrt, speziell heute. Ich kann es wirklich noch nicht glauben."#w1#

Dank an die Ingenieure des Teams

"Wenn dein Auto bei 220 mph auf allen vier Rädern durch eine Kurve driftet, wirst du aufmerksam." Dario Franchitti

Frage: "Wie schwierig war es nach dem angesprochenen Reifenwechsel, dich durch das Feld zu arbeiten?"
Franchitti: "Nicht leicht. Es gab einige interessante Momente. Wenn dein Auto bei 220 mph auf allen vier Rädern durch eine Kurve driftet, wirst du aufmerksam. In einer Runde attackierst du, dann ist auf einmal alles lose, oft schon eine Kurve später. Zum Glück haben mir meine Jungs ein gutes Auto hingestellt und mich richtig durchs Rennen gelotst. Ich möchte den Ingenieuren von Andretti/Green danken, denn sie haben uns tolle Autos hingestellt. Mein besonderer Dank gilt meinen Ingenieuren Allan McDonald und Dave Seiffert, aber auch dem Spotter John Anderson. Ich bin stolz auf sie."

Frage: "Am Donnerstag hast du dich und Scott Dixon als unsichtbare Außenseiter bezeichnet, jetzt seid ihr Erster und Zweiter..."
Franchitti: "Das ist mir nicht entgangen. Vor dem letzten Restart schaute ich in den Spiegel und sah Dixon. Da dachte ich: 'Das wird den Leuten sicher auffallen!' Irgendwie sind wir beide diesen Monat unter dem Radar geflogen, die ganze Saison schon. Dabei wurde mir plötzlich etwas bewusst: Du hast in Indianapolis nur einmal pro Jahr die Chance. Als in Runde 113 abgebrochen wurde, schien es gelaufen zu sein. Man schuftet so hart und dann soll es so enden? Es kam dann zum Glück anders. Aber man hat diese Chance wirklich nur einmal im Jahr."

Frage: "Was hast du eigentlich während der dreistündigen Regenpause gemacht?"
Franchitti: "Wir haben uns im Team über die Strategie unterhalten, wie wir uns verhalten sollen, wie wir das Beste für Andretti/Green erreichen können. Solche Sachen. Und wir machten Witze, um locker zu bleiben. Wir saßen im Ingenieursraum, hatten aber die Füße auf den Tischen. Pasta gab es auch. Die Jungs von der Hospitality haben uns eine schöne Schüssel voll gekocht. Die war sehr lecker!"

Pasta-Reste sind noch zu haben

Frage: "Ist davon noch etwas übrig?"
Franchitti: "Ich denke schon. Das war eine ganz schön große Schüssel!"

"Tony und ich sind alte und verheiratete Männer. Es ist ziemlich cool, die Dinge wie Marco zu sehen." Dario Franchitti

Frage: "Was ist das Besondere am aktuellen Andretti/Green-Team?"
Franchitti: "Das sind viele Faktoren. Ich finde klasse, dass wir untereinander zwar auf der Rennstrecke Konkurrenten sind und uns bei 220 mph um die Ohren fahren, uns keinen Zentimeter Platz schenken, aber abends können wir gemeinsam einen trinken gehen. Das halte ich für sehr wichtig. Ich habe das von meinem Freund Greg (Moore; Anm. d. Red.) gelernt. Und dann hilft es wirklich, einen 20-jährigen Teamkollegen zu haben. Im Ernst! Tony und ich sind alte und verheiratete Männer. Es ist ziemlich cool, die Dinge wie Marco (Andretti; Anm. d. Red.) zu sehen. Ich hatte in meinem Leben schon einige tolle Teamkollegen, aber ich glaube nicht, dass ich je wieder so eine harmonische Situation wie jetzt erleben werde. Es ist ein Privileg, Teil dieses Teams zu sein."

Frage: "Was ging dir durch den Kopf, als du in die Victory Lane einfuhrst?"
Franchitti: "Ich wusste, dass mich Tony küssen würde, ich wusste es einfach (grinst; Anm. d. Red.)! Das war ja wohl klar. Ich war wirklich froh, Marco zu sehen, dass er okay war. Als ich seinen Unfall sah, fragte ich gleich am Funk, wie es ihm geht. Das Team gab dann Entwarnung. Es war eine Riesenerleichterung, ihn da stehen zu sehen. Aber eigentlich fing alles an, als es zu regnen begann. Es begann richtig zu schütten, dann meldeten sie sich am Funk. Es war schwierig, das Auto bei dem ganzen Aquaplaning überhaupt zu fahren. Als ich dann über die Linie fuhr und in die Box kam, konnte ich es nicht glauben. Ich fuhr ganz langsam, weil ich das Auto nicht beim Hereinfahren kaputt machen wollte. Die Zuschauer waren trotz der Regenpause noch da, komplett durchnässt. Diesen Moment wollte ich einfach aufsaugen."

Frage: "Vor 42 Jahren hat dein Landsmann Jim Clark das Indy 500 gewonnen."
Franchitti: "Das ist einer der Gründe, warum es mich so ärgert, dass es 2005 nicht geklappt hat, denn dann wären es genau 40 Jahre Abstand gewesen. Jackie Stewart war damals extra da, hat sich das Rennen angeschaut. Er ist mein alter Chef und eines meiner Vorbilder. Ich habe lange zu ihm aufgeschaut, aber es hat nicht sollen sein. Als ich heute dann all die Namen auf dem Pokal sah, war das ein sehr schöner Moment. Es war beeindruckend, all diese großen Namen zu sehen. Ich empfand das irgendwie fast als Erfahrung voller Demut..."

Idole wie Jim Clark und Jackie Stewart

"Was sollen wir mit all diesen Bädern und Schlafzimmern? Also haben wir einen Jim-Clark-Raum eingerichtet." Dario Franchitti

Frage: "Hast du nicht sogar einen Jim-Clark-Raum?"
Franchitti: "Ja, wir restaurieren gerade ein altes Haus in Schottland. Was sollen wir mit all diesen Bädern und Schlafzimmern? Also haben wir einen Jim-Clark-Raum eingerichtet. Ich habe viele Memorabilia. Robin Miller hat mir noch heute Morgen einige fantastische Fotos von ihm geschenkt. Die sind toll und kommen in den Raum. Er ist ein Held für jeden schottischen Rennfahrer, einer der besten Fahrer aller Zeiten.

Frage: "Du scheinst die gute Seele in diesem Sport zu sein, denn alle gönnen dir diesen Sieg. Was bedeutet dir das?"
Franchitti: "Es ist fantastisch, sehr nett. Das ist es ja eben: Wir racen auf der Strecke gegeneinander, aber abends bekommen wir es hin, Freunde zu sein. Das passt im ganzen Paddock und vor allem bei uns im Team. Das ist eine schöne Atmosphäre."

Frage: "Als du in die USA kamst, warst du ein Rundkursfahrer, du hattest diese Reputation. Als Ovalfahrer wurdest du nicht anerkannt. Wird sich das ab heute ändern?"
Franchitti: "Ich weiß es nicht. Hoffentlich! Ich habe jetzt auf jedem Streckentyp gewonnen. Natürlich hatte ich im ersten Jahr auf den Ovalen Schwierigkeiten, aber dann fühlte ich mich immer wohler. Die kleinen Ovale wie Milwaukee mag ich, da gefällt mir die Herausforderung. Indianapolis ist natürlich besonders schwierig. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht recht, was ich dazu sonst sagen soll."