• 24.03.2008 12:20

  • von Roman Wittemeier

Dan Wheldon: Der unbekannte Star

Während Dan Wheldon in den USA wegen seiner vielen Erfolge in der IRL zu den Topstars gehört, kennt ihn in seiner britischen Heimat kaum jemand

(Motorsport-Total.com) - Dan Wheldon ist Brite, auch wenn er sich nach mittlerweile neun Jahren in den USA eher schon als Amerikaner fühlt. Der 29-Jährige hat das legendäre Indy 500 gewonnen, war IRL-Champion im Jahr 2005 und verdient angeblich mehr als Lewis Hamilton. Während der Formel-1-Shootingstar in England hochgejubelt wird und kaum einen Schritt unerkannt vor die Tür gehen kann, ist Wheldon in seiner Heimat nahezu unbekannt.

Titel-Bild zur News: Dan Wheldon

Dan Wheldon fühlt sich in seiner Wahlheimat USA pudelwohl

"Die Leute in England nehmen mich einfach nicht wahr", beschrieb der Ganassi-Pilot gegenüber dem 'Guardian'. Und weiter: "Wenn ich irgendwo unterschreibe oder meine Kreditkarte zeige, dann erkennen sie mich vielleicht - aber nicht oft. Meinen Vater belastet das mehr als mich. Ich glaube, er hätte es gern, wenn die amerikanischen Rennserien und auch ich mehr wahrgenommen würden. Mir ist das eigentlich ziemlich egal."#w1#

Wheldon lebt gemeinsam mit seiner Frau Susie in einem schmucken Haus in St. Petersburg/Florida. Vor dem Anwesen steht eine knallrote Corvette mit auffälligem Schriftzug auf den Türen und auf der Motorhaube. 'Official Pace Car, 2005 Indianapolis 500' ist dort zu lesen, als Nicht-Kenner der Motorsportszene hielte man den Besitzer sicherlich für einen Spinner. "Die Corvette bekommst du für den Sieg. Es ist eine Trophäe und ich habe sie nie verkauft. Ich fahre aber kaum damit, der Wagen hat gerade einmal 100 Meilen auf dem Tacho."

Neue Heimat St. Petersburg

"Als ich neulich vor einer Ampel mal auf das Gas getreten habe, sagte der Typ neben mir: 'Dan, wir wissen alle, dass du das Indy 500 gewonnen hast'." Bei eben dieser typisch amerikanischen Szene wird wieder genau das deutlich, was Wheldon vielleicht mehr beschäftigt, als er zugeben mag. Er ist in seiner neuen Heimat ein Star und allerorten bekannt, während in seinem Geburtsland England kaum ein Hahn nach ihm kräht.

Dan Wheldon

In der IndyCar-Serie zum Siegertypen gereift: der Brite Dan Wheldon Zoom

"Ich fahre zu Weihnachten immer nach Hause. Dann schaue ich einige TV-Shows wie zum Beispiel 'Ali G', aber ich mag den Autoverkehr dort einfach nicht. Man steht ständig im Stau, außerdem ist es kalt dort und auch etwas trostlos. Ich sehne mich dann immer nach Amerika zurück." Also geht es meist nach nur wenigen Tagen zurück nach St. Petersburg, wo die Sonne scheint, die Pelikane fliegen und der Wind den Duft des nahen Hafens an der Ostküste über das Wheldon-Anwesen bläst.

"Wie kann man das hier nicht mögen? Wer das nicht mag, bei dem stimmt doch etwas nicht. Es ist eine wunderschöne Stadt", schwärmt der 29-Jährige, der in wenigen Tagen in seine sechste volle IndyCar-Saison startet. "Ich würde jedem raten, mal am Indy 500 teilzunehmen, denn das ist unglaublich. Du sitzt ständig im Auto und immer ist ein immenser Druck da. Egal, ob um elf Uhr morgens, oder um fünf Uhr am Nachmittag. Du hast immer den Druck, eine gute Leistung zeigen zu müssen. Das Event ist wirklich fantastisch."

Aus Geldmangel in die USA

Bevor Wheldon beim Oval-Klassiker im Jahr 2005 seinen legendären Sieg feierte, der ihn in die Topriege des amerikanischen Motorsports hat aufsteigen lassen, hatte der Brite auch schwierige Phasen in seiner Karriere. Nachdem er in den späten 90er-Jahren in der britischen Formel Ford recht erfolgreich unterwegs war, fand er weder Geld noch Unterstützung für den Aufstieg in die Britische Formel 3. Als Konsequenz folgte der Schritt über den großen Teich, den der 29-Jährige nicht bereut hat - abgesehen von einer Ausnahme.

Dan Wheldon

Beim harten Fight in der IRL im Rad-an-Rad-Duell: Dan Wheldon Zoom

Im Jahr 2002 lebte Wheldon in Indianapolis und lernte dort auch die harte Seite des Lebens kennen. "Da hat einer mit der Waffe auf mich gezielt", beschrieb er. "Ich kann mich noch genau daran erinnern. Ich stand an einer Ampel und auf der Spur neben mir so ein Typ. Kurz hinter der Ampel wurde die Straße einspurig und ich gab richtig Gas und wollte mich vor dem anderen Wagen einfädeln. Aber der Kerl gab nicht nach und drängte mich von der Straße."

"Ich habe mich tierisch aufgeregt und an der nächsten Ampel wollte ich ihn zur Rede stellen. Da fasste der Kerl in sein Handschuhfach und holte eine Pistole raus, ein richtig große. Dann zielte er auf mich und forderte mich auf, auszusteigen. Aber ich gab kräftig Gas und haute ab. Ich habe nicht einmal geschaut, ob jemand kommt. Das war ein weißer Typ mit Glatze, der mir einfach so die Waffe ins Gesicht gehalten hat", beschrieb Wheldon eine Szene, die ihn auch nach über fünf Jahren noch zu beschäftigen scheint.

Mit harten Bandagen im Oval

Dabei gilt der Ganassi-Pilot selbst auch nicht gerade als ein Kind von Traurigkeit, zumindest wenn es um das Verhalten auf den Rennstrecken geht. Einige Kollgen verpassten ihm im Laufe der Jahre den Spitznamen 'Difficult Dan', wegen seines starken Temperaments, das in einigen Fällen cholerische Ausmaße annimmt.

Seinen Kampfgeist unterstrich Wheldon bereits bei seinem allerersten IndyCar-Test: "In gewisser Weise handelst du da nicht mit Köpfchen, sondern springst einfach nur in dieses schnelle Auto und gibst Gas. Und das tust du ohne zu wissen, wie der Wagen in kritischen Situationen überhaupt reagiert. Du musst das aber tun und ein Unfallrisiko auf dich nehmen, um andere zu beeindrucken. Ich war immer der Ansicht, dass du dich aus der Masse hervorheben musst."

Dan Wheldon

In den USA ein Superstar, in der Heimat unbekannt: Dan Wheldon Zoom

Aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner Erfahrung ist Wheldon in der neu fusionierten IndyCar-Serie ein gefragter Mann. Seit seinem IRL-Debüt 2002 hat er allein über sechs Millionen Euro an Siegprämien kassiert, sein Jahresgehalt soll bei über drei Millionen liegen. "Mein Vertrag läuft nur noch bis Ende des Jahres. Dann bin ich in einer starken Position und kann eher diktieren, in welche Richtung es geht", so der Ganassi-Pilot, der von einem Wechsel in die NASCAR träumt.