IMSA 12h Sebring 2024: Acura bezwingt Cadillac, Riesencrash von Derani

WTR-Andretti holt den ersten Sieg mit seinem dunkelroten Acura dank eines bärenstarken Manövers von Louis Deletraz - Polemann mit heftigem Unfall

(Motorsport-Total.com) - Es ist eine abgelegte Meisterprüfung: Mit einem bärenstarken Überholmanöver fünf Minuten vor Schluss der 12 Stunden von Sebring hat sich Louis Deletraz endgültig in die Riege der weltbesten Sportwagenpiloten eingereiht. (Ergebnis 12h Sebring 2024)

Titel-Bild zur News: Jordan Taylor, Louis Deletraz, Colton Herta, Michael Andretti

Louis Deletraz machte mit einem bombastischen Manöver den Sieg perfekt Zoom

Sein Ausbremsmanöver in der Spitzkehre Kurve 7 gegen keinen Geringeren als Sebastien Bourdais kann nur als Weltklasse bezeichnet werden, als er die ChampCar-Legende mit einem Dummy überrumpelte. Mit diesem Trick brachte er ein wahres Bollwerk von Bourdais zum Einsturz. Die 72. Auflage der 12 Stunden von Sebring endete mit einem Sieg von Deletraz, Jordan Taylor und Colton Herta.

Mit zwölf Gelbphasen war das Rennen wie erwartet chaotisch. Allein in der letzten Stunde gab es drei Restarts. Die Entscheidung fiel schließlich in einem 24-Minuten-Sprint. Cadillac hatte zunächst einen dominanten Eindruck gemacht, doch Acura wurde mit zunehmender Renndauer immer stärker.

Bei allen drei Restarts in der letzten Stunde behielt Bourdais mit all seiner Routine die Nerven und ließ Deletraz keine Chance. Doch dieser ließ nicht locker und setzte den Ganassi-Cadillac mächtig unter Druck. Es entwickelte sich ein großartiges frankophones Duell, in dem mit allen Tricks, aber immer fair gekämpft wurde. Am Ende war der Acura im Schlussspurt deutlich stärker.

Es ist der erste Sieg für den Acura ARX-06 #40, der im Vorjahr noch von Meyer Shank Racing eingesetzt wurde. Auch für Deletraz und Herta war es der erste Gesamtsieg in der IMSA SportsCar Championship.

Der Ganassi-Cadillac #01 (Bourdais/van der Zande/Dixon; 2. GTP) trug ebenso wie die beiden Werks-Corvette und der Vasser-Sullivan-Lexus #14 (Hawksworth/Barnicoat/Kirkwood; 1. GTD Pro) eine goldene Sonderlackierung, mit der das 50-jährige Jubiläum von Mobil 1 gefeiert wurde. Durch Deletraz' Überholmanöver gegen Bourdais verpasste van der Zande den Sieg in seinem 100. IMSA-Rennen um 0,891 Sekunden.

Porsche und BMW fehlt das letzte Quäntchen

Platz drei ging an den Penske-Porsche #7 (Cameron/Nasr/Campbell). Die Porsche 963 hatten bei den Restarts große Probleme, die Reifen zum Arbeiten zu bringen und fielen jeweils in den ersten Runden nach einer Gelbphase zurück. Nach dem exzellenten Saisonstart muss der 100. Sportwagensieg für Penske noch warten.

Der RLL-BMW #25 (de Phillippi/Yelloly/Martin) belegte den vierten Platz. Die BMW M Hybrid V8 waren während des Rennens sehr stark und kämpften immer wieder um die Führung, doch wieder einmal lief es nicht, als es drauf ankam.

Diesmal war es Connor de Phillippi, der beim vorletzten Restart auf Platz vier liegend von der Strecke untersteuerte und mehrere Plätze verlor. Drei davon holte er beim vorletzten Restart mit einem irren Manöver auf der Außenbahn in Kurve 1 auf einen Schlag wieder auf.

Den vierten Platz bekam er dann geschenkt, als Julien Andlauer sich im Proton-Porsche #5 (Bruni/Andlauer/Picariello; 8. GTP) fünf Minuten vor Schluss drehte.

Pech hatte der WTR-Andretti-Acura #10 (R. Taylor/Albuquerque/Hartley; 5. GTP), der das Rennen mehrmals angeführt hatte. Drei Stunden vor Schluss verlor er die Führungsrunde an der Box. Wayne Taylor Racing with Andretti Autosport ging einem erhöhten Ölverbrauch auf den Grund. Die drei Gelbphasen in der letzten Stunde brachten ihn zwar wieder in die Führungsrunde, doch die verlorenen Plätze konnte er nicht mehr gutmachen.

Hinter dem zweiten BMW kam der Iron-Lynx-Lamborghini #63 (Cairoli/Caldarelli/Grosjean; 7. GTP) ins Ziel. Der brandneue LMDh-Bolide absolvierte das Rennen wie schon beim Auftakt der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in Katar ohne Probleme, was auf dem materialmordenden Sebring International Raceway aller Ehren wert ist.

Allerdings fehlte auch hier noch der Speed und der Lamborghini SC63 verlor während einer längeren Grünphase sogar die Führungsrunde. Erst die Cautions brachten den grünen Renner wieder in Tuchfühlung zur Spitze. Schlussfahrer Andrea Caldarelli profitierte dann vom Dreher Andlauers.

Derani wirft fünften Sebring-Sieg vehement weg

Großes Aufatmen war in der siebten Stunde angesagt, als Polesetter Luis Felipe "Pipo" Derani einen monströsen Unfall überstand, der an den Crash von Jose Maria Lopez in der WEC 2022 erinnerte. Derani blieb unverletzt.

Der Brasilianer verspielte die realistische Chance auf einen fünften Gesamtsieg bei den 12 Stunden von Sebring, als er sich beim Überrunden verschätzte und an einem Ferrari hängenblieb. Der Action-Express-Cadillac #31 (Derani/Aitken/Blomqvist; DNF) schlug heftigst in die Reifenstapel ein, stieg auf und blieb auf dem Dach liegen, nachdem er zuvor die meisten Runden geführt hatte.

Der Penske-Porsche #6 (Tandy/Jaminet/Makowiecki; 9. GTP) war nach seinem Unfall im Qualifying ein realistischer Siegkandidat im Rennen, bis drei Stunden vor Schluss alles schiefging. Zunächst kam es in Kurve 17 zu einer Berührung mit dem Gradient-Acura #66 (Monk/Legge/Calderon; DNF), die Katherine Legge mit voller Wucht in die Reifenstapel beförderte und die Gelbphase auslöste, in der der Acura #10 zurückfiel.

Noch bevor entschieden war, ob der Porsche dafür bestraft wird, drehte sich Frederic Makowiecki mit einem Reifenschaden, was ihn zwei Runden kostete. Das war bei der knappen Restzeit nicht mehr aufzuholen.


Fotos: IMSA 2024: 12h Sebring, Rennen


Noch schlimmer erwischte es den JDC-Miller-Porsche #85 (van der Helm/Hanson/Westbrook; DNF), der das Rennen kurz nach Halbzeit mit einer defekten Antriebswelle links aufgeben musste.

LMP2: Era macht's wieder

Bei den beiden Klassikern, die im Volksmund gerne als "36 Stunden von Florida" bezeichnet werden, gelang dem Era-Oreca #18 (Merriman/Dalziel/Zilisch; 1. LMP2) ein "Clean Sweep". Der 17-jährige Connor Zilisch zeigte mit einem brillanten Schlussstint, dass hier ein ganz großer Name heranwächst.

Der US-Amerikaner übernahm nach dem letzten Boxenstopp 40 Minuten vor Schluss die Führung. Er kontrollierte das Rennen von vorne und ließ Peugeot-WEC-Werksfahrer Mikkel Jensen im TDS-Oreca #11 (Thomas/Jensen/McElrea; 2. LMP2) keine Chance. Platz drei ging an den United-Autosports-Oreca #2 (Hanley/Keating/Pino).

Die LMP2 erlebte ein äußerst turbulentes Rennen mit zahlreichen Zwischenfällen. Den Anfang machte Luis Perez Companc mit einem Unfall im AF-Corse-Oreca #88 (Perez Companc/Nielsen/Wadoux; DNF). Der Bolide blieb später nach einem Reparaturstopp mit Lilou Wadoux am Steuer stehen. Ein Abflug von P.J. Hyett kostete den AO-Oreca #99 (Hyett/Chatin/Brabham; 11. LMP2) 17 Runden.

Der Sean-Creech-Ligier #33 (Willsey/Barbosa/Edgar; 4. LMP2), der bei den 24 Stunden von Daytona im Mittelpunkt gestanden hatte, löste in diesem Rennen nur eine Gelbphase aus und kam ins Ziel - eine deutliche Verbesserung gegenüber der unfreiwilligen Komödie von Daytona. Dank einer sehr starken Schlussphase von Jonny Edgar wurde es ein sensationeller vierter Platz.

Dafür erlebte diesmal Michael Dinan im Tower-Oreca #8 (Farano/Dinan/Eastwood; DNF) ein äußerst ereignisreiches Rennen und war mindestens viermal in Zwischenfälle bei Überrundungen oder klasseninternen Zweikämpfen verwickelt. Einer davon war ein heftiger Abflug ausgerechnet in Kurve 13, dem sogenannten Tower-Turn.

Ein möglicher Siegkandidat war der APR-Oreca #04 (Kurtz/Braun/Sowery; 9. LMP2) mit Schlussfahrer Colin Braun. Doch dieser verschätzte sich beim Angriff auf den Riley-Oreca #74 (Robinson/Fraga/Burdon; 5. LMP2) im Schlussspurt und drehte sich.

Ferrari-Offensive gegen Lexus scheitert beim Restart

Das GT-Feld zeigte sich diesmal deutlich ausgeglichener als in Daytona. Beim finalen Restart lagen in der GTD Pro zehn Fahrzeuge von sieben Herstellern in der Führungsrunde. Am Ende setzte sich der Vasser-Sullivan-Lexus #14 (Hawksworth/Barnicoat/Kirkwood) durch, der über weite Strecken in Führung gelegen hatte.

Doch der Lexus RC F GT3 war in der Schlussphase nicht das schnellste Auto. Das war eindeutig der Risi-Ferrari #62 (Serra/Rigon/Calado; 2. GTD Pro). Dieser war gleich nach dem Start in eine haarsträubende Szene verwickelt, als Davide Rigon in einem Ping-Pong-Spiel umgedreht wurde.

Wie durch ein Wunder schlug er weder ein, noch wurde er von anderen Fahrzeugen getroffen, als er sich quer über die Strecke drehte. Ausgerechnet die beiden McLaren im Feld, die dem kreiselnden Ferrari ausweichen wollten, fuhren sich gegenseitig ins Auto.

Der Pfaff-McLaren #9 (Jarvis/Kirchhöfer/Hinchcliffe; 12. GTD Pro) verlor durch die anschließende Reparatur mehr als 20 Runden und konnte das Rennen nur noch als erweiterten Test nutzen.

Zurück zum Ferrari #62: Daniel Serra vergab den möglichen Klassensieg, als er beim letzten Restart versuchte, den späteren Sieger Jack Hawksworth außen zu überholen und dabei in die Wiese geriet. Er verlor zwei Plätze an die Pratt-Miller-Corvette #3 (Garcia/Sims/Juncadella; DNF) und den AO-Porsche #77 (Priaulx/Heinrich/Christensen; 9. GTD Pro).

Dabei lieferte er sich einen harten Zweikampf mit Laurin Heinrich, der im "Rexy"-Porsche bei dessen erstem Geburtstag heftigen Widerstand leistete. In den letzten Minuten des Rennens kam es zu einer Kollision zwischen ihm und der Corvette #3, die Letztere ins Aus beförderte. Heinrich wurde für schuldig befunden und mit einer Zeitstrafe belegt, die ihn von P3 auf P8 zurückwarf.

Serra war wieder Zweiter und kam bis auf 0,121 Sekunden an Hawksworth heran, doch für ein Überholmanöver reichte es nicht mehr. Platz drei ging an den Iron-Lynx-Lamborghini #19 (Bortolotti/Pepper/Perera) vor dem Paul-Miller-BMW #1 (Sellers/Snow/Verhagen; 4. GTD Pro) und dem Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 (Gunn/Riberas/Farnbacher; 5. GTD Pro).

Die beiden Ford Mustang GT3 zeigten sich nach den Kinderkrankheiten in Daytona mit dem flatternden Heckdeckel in Sebring verbessert. Sie kamen ohne Probleme durch und beendeten das Rennen auf den Plätzen sieben und acht. Ähnlich wie beim GTP-Lamborghini fehlt auch hier noch etwas Speed.

Der einzige GTD Pro-Bolide, der neben dem Pfaff-McLaren Probleme hatte, war die Pratt-Miller-Corvette #4 (Milner/Catsburg/Bamber; 11. GTD Pro), die in der achten Stunde zu einem längeren Boxenstopp kommen musste. Der Bolide wurde später in eine umstrittene Szene verwickelt, als Earl Bamber mit acht Runden Rückstand auf das GT-Feld den Vasser-Sullivan-Lexus #12 (Telitz/Montecalvo/Thompson; 13. GTD) ins Aus schoss.

Alle vier Vetten der beiden GT-Klassen waren nach dem Qualifying ans Ende des Feldes strafversetzt worden, weil sie für die Buckelpiste in Sebring mit Verstärkungen am Diffusor ausgerüstet worden waren. Diese waren in der Homologation nicht vorgesehen.

Wegen eines nicht regelkonformen Sensors wurde auch der GTD-Polesetter, der Winward-Mercedes #57 (Ward/Ellis/Dontje; 1. GTD), vom Qualifying ausgeschlossen. Das hinderte Russell Ward, Philip Ellis und Indy Dontje jedoch nicht daran, im Rennen zurückzuschlagen und den zweiten Sieg in Folge einzufahren.

Platz zwei ging an den Cetilar-Ferrari #47 (Lacorte/Sernagiotto/Fuoco), gefolgt vom Wright-Porsche #120 (Adelson/Skeer/Heylen).

Die IMSA SportsCar Championship 2024 wird am 20. April mit dem 100-Minuten-Rennen in Long Beach fortgesetzt, bei dem nur die Klassen GTP und GTD am Start sind. LMP2 und GTD Pro setzen aus.