• 26.01.2013 18:59

Nachtschicht in Daytona

Teammanager und Fahrer erklären, wo beim 24-Stunden-Rennen von Daytona Gefahren und Herausforderungen liegen: Die Nacht als zentrales Thema

(Motorsport-Total.com) - Die Nacht ist ein kritisches Element im 24-Stunden-Rennen von Daytona, denn in dieser Jahreszeit geht die Sonne bereits um kurz vor 18:00 Uhr unter und erst gegen 7:15 Uhr wieder auf. Das Rennen beginnt am Samstag um 15:30 Uhr Ortszeit (21:30 MEZ) und wenn die Sonne am Sonntagmorgen im Osten aufgeht, werden die Fahrer bereits drei Viertel des Rennens im Dunkeln gefahren sein. Ein weiteres Viertel der Gesamtrennzeit liegt dann noch vor ihnen.

Titel-Bild zur News: Felipe Nasr, Nelson Piquet Jun.

In der Nacht lauern bei den 24 Stunden von Daytona die größten Gefahren Zoom

Um es mit den Worten von David Donohue, seines Zeichens Sieger der GT-Klasse in Le Mans und Daytona, auszudrücken: "Man muss ein Nachtmensch sein, um das Rennen hier in Daytona zu genießen." In Daytona ist der Begriff Dunkelheit relativ. Das Rennen wird durchgehend auf dem Daytona International Speedway gefahren und profitiert dadurch von den 2.000 Strahlern, die rund um die Rennstrecke verteilt sind. Diese laufen während der Nacht zu 20 Prozent.

Jeff Hazell, Teammanager, der bereits einen Erfolg in Le Mans feiern konnte, weist darauf hin, dass die Fahrer ähnlichen Problemen wie am Tag ausgesetzt sind: "Sie müssen sich auf den Bremspunkt konzentrieren, auf den Kurveneinlenkpunkt, die Scheitelpunkte und den Kurvenausgang. Dabei müssen sie auf das Motorenöl, den Kies und sonstige Verschmutzungen der Fahrbahn achten. Man reagiert nur auf das, was man sieht, auch in der Nacht."

Das Ausnutzen der Rennzeit

Unter den Teams ist man geschlossen der Ansicht, dass der Versuch, keinen Fehler zu machen, nicht berührt zu werden oder über etwas auf der Rennstrecke zu fahren, der bedeutendste, aber dennoch härteste Aspekt der Nacht ist. "In einem 24-Stunden-Rennen ist es nicht so wichtig, das schnellste Auto zu sein. Es ist entscheidend, die wenigste Zeit in der Boxengasse zu verbringen", erklärt Mike Colucci, 37-jähriger Veteran in Daytona und Teammanager Napleton Racing, für das unter anderem Donohue ins Lenkrad eines Porsche Cayman der neuen GX-Klasse greift.


Fotos: 24 Stunden von Daytona


Im Verlauf des Samstagabends, wenn die meisten Leute zu Bett gehen, sind die Fahrer und die Boxencrew einer langen Zeitspanne ausgesetzt, in der sie nicht den Luxus haben, einen ungestörten Schlaf zu bekommen. Auch wenn der Rennstart erst am Nachmittag erfolgt, so sind die meisten Teams bereits seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen, um die Autos vorzubereiten.

In der Mitte der Nacht setzt die Müdigkeit schließlich stark ein, wie Michael Shank, Teamchef von des im vergangenen Jahr siegreichen Teams Michael Shank Racing, erklärt: "Wir arbeiten etwa 38 Stunden am Stück. Kurz bevor es hell wird, kann der Körper einsacken. Normalerweise geschehen genau dann aufgrund von Übermüdung schlimme Sachen. Wir tun, was wir können, um die Leute wachsam zu halten."

Die Sicht der Fahrer

Die Fahrer müssen die Night-Session genauso angehen, wie jeden anderen Abschnitt des Rennens. "Es ist uns nicht gestattet, uns auszusuchen, zu welcher Zeit wir fahren", erklärt Alex Gurney, Sohn von US-Rennlegende Dan Gurney. Der Junior gewann in den Jahren 2007 und 2009 den Grand-Am-Titel und ist in diesem Jahr einer der Fahrer bei Bob Stallings Racing.

Gurney beschreibt, dass alle Fahrer die Dunkelheit schlichtweg als Teil des Spiels akzeptieren, auch wenn sie einige Schwierigkeiten mit sich bringt: "Nachts kommt das Licht aus verschiedenen Richtungen, man hat Öl auf der Windschutzscheibe, Schmutz auf der ganzen Strecke und das Sichtfeld ist eingeschränkt. Man hat nicht immer die gleiche Sicht und muss daher achtsamer als sonst sein."

Donohue stimmt insofern überein, als dass das reduzierte Sichtfeld eine der größten Herausforderungen ist, insbesondere dann, wenn man entschlüsseln muss, ob das jeweilige Licht eine Standleuchte oder die Beleuchtung eines Autos ist: "Es gibt so viele verschiedene Lichter auf der Strecke und im Fahrerlager, so dass diese in den Autospiegeln eingefangen werden. Zumindest in den Steilkurven ist es im Auto angenehm und dunkel. Die Rückspiegel zeigen auf die Fahrbahn und wenn man Lichter sieht, weiß man, dass sie von einem Auto kommen."

Temperatursturz

Mit Eintreten der Nacht und der Dunkelheit gehen die Temperaturen stark nach unten. Dies hat auch signifikante Auswirkungen auf das Rennen und kann teilweise sogar helfen, wie Teammanager Hazell begründet: "Je niedriger die Temperatur ist, desto mehr Kraft hat der Motor, sodass man weichere Reifen mit mehr Grip aufziehen kann. Die schnellsten Rundenzeiten werden oft auch in der Nacht erzielt." John Fogarty hebt hervor, dass die Nacht "die Balance des Autos sehr schnell beeinflussen kann und man kann das Auto nur so anpassen, wie es der Zeitraum eines Boxenstopps zulässt".

Einige Fahrer genießen sogar die Nachtstunden, denn es kann sich teilweise anfühlen wie in einem Kokon. Mike Rockenfeller, einer der Fahrer bei Action Express Racing und Sieger des 24-Stunden-Rennens von Daytona im Jahr 2010, ist in der Nacht ganz in seinem Element: "Es ist eine sehr spezielle Atmosphäre hier. Es ist, wie alleine in einem Tunnel zu sein. Wenn das Auto gut fährt, ist dies ein sehr schöner Teil von Langstreckenrennen."

Rockenfeller gibt allerdings zu, dass es während eines Stints am Steuer "sehr schwierig sein kann, wenn es kalt ist und man lieber an einem wärmeren Ort sein möchte. Man muss sich aber daran gewöhnen und man kommt dann schnell wieder rein ins Rennen".

Zeitmanagement

Teil der Wissenschaft von Langstreckenrennen ist es, den Geist und Körper der Fahrer zu beherrschen. Sie profitieren vom Prinzip des Fahrerwechsels: Die Piloten haben die Möglichkeit, sich selbst vom Lärm und den Aktivitäten auf der Rennstrecke zurückzuziehen. Das ist besonders während der Nachtstunden sehr nützlich. Während der 24 Stunden von Daytona ist es üblich, dass man mit vier Fahrern antritt - einem Fahrer im Auto, einem "an Deck" in der Boxengasse und den anderen beiden in Wohnmobilen, die auf dem Gelände aufgebaut sind, um Ruhe abseits der Boxengasse zu bieten.

Napleton-Teamchef Ron Barnaba erklärt wie die Fahrerwechsel dabei helfen, die Piloten auf eine mögliche Höchstform zu bringen: "Wir haben eine Person, die darauf achtet, dass die Fahrer schlafen, essen, trinken und sich erholen. Wir wollen, dass sie sich einzig auf das Rennen konzentrieren." Fogarty meint dazu, dass "die Fähigkeit, sich zwischen den Stints zu erholen von Jahr zu Jahr unterschiedlich ist. In manchem Jahr ist es sehr einfach und man fühlt sich sehr erholt. In manch anderem Jahr, wenn es zum Beispiel kälter ist und regnet, dann kann es einen auslaugen."

Für einige Fahrer ist es nachts am schwierigsten, die Disziplin zu finden, sich von der Box zurückzuziehen und abzuschalten. Der vierfache IndyCar-Champion und Grand-Am-Gaststarter Dario Franchitti kommentiert es so: "Man befindet sich in einem Dilemma. Auf der einen Seite will man das Rennen beobachten, weil es so spannend ist - ich bin ein großer Fan und möchte natürlich sehen, was passiert. Auf der anderen Seite aber muss ich mich distanzieren und auf meinen Job konzentrieren."

Die Boxengasse

Für die Boxencrews ist die Nachtwelt eine komplett andere Situation, unabhängig davon, ob sie Teil eines großen Prototypenteams oder eines kleinen GT- oder GX-Teams sind. "Insgesamt haben wir hier fast die doppelte Anzahl an Leuten, die wir für ein 6-Stunden-Rennen haben. Dennoch müssen die Techniker die ganze Nacht wach bleiben", erklärt Napleton-Teammanager Colucci. Es ist allgemein bekannt, dass die Boxencrews es trotz Müdigkeit nicht anders wollen. Sie sind sehr stolz auf ihre Arbeit und haben den Wunsch, das Rennen vom Anfang bis zum Ende zu sehen, auch wenn es ihnen viel abverlangt.

Die Techniker werden dabei stets beschäftigt und bleiben immer auf ihrer Position, denn alle 45 bis 50 Minuten kommen die Autos zum Boxenstopp. Oft ist es dann auch noch so, dass die Autos genau dann zu einem ungeplanten Stopp in die Gasse kommen, wenn die Techniker es geschafft haben, endlich mal einen Moment zur kurzen Erholung zu finden. "Sie stehen einfach niemals still", weiß Colucci.

Extreme Erfahrungen haben den Teammanagern geholfen, ihre Truppen für die langen Nachtstunden des in Daytona vorzubereiten. Michael Shank hat nichts gegen ein kurzes Schläfchen einzuwenden, um die Konzentration der Crew aufrecht zu halten. Allerdings fügt er hinzu, dass die Techniker "ihre Kopfhörer aufbehalten". Colucci und Barnaba haben einige "überraschend bequeme" Lounge-Sessel in der Boxengasse aufgestellt. Auch wenn die Ernährungs- und Erholungszeiten der Fahrer sehr durchgeplant sind, so gibt es doch kein spezielles Training für die Crews. "Es ist sehr hart, die Erschöpfung zu üben", lacht Colucci.

Meister der Nacht

Aus Sicht der Fahrer ist die Nachtkomponente eines 24-Stunden-Rennens etwas, mit dem man niemals ganz vertraut ist, unabhängig davon, wie viele Jahre Erfahrung man bereits hat. Rockenfeller erklärt: "Es spielt keine Rolle, wie oft man die 24 Stunden bereits gefahren ist. Es wird niemals leichter. Man weiß höchstens, was man erwarten kann."

Für die Teammanager macht genau dieser Aspekt der Erfahrung den Unterschied zwischen Erfolg und Niederlage aus. Shank besitzt eine "Bibel" mit Notizen aus vergangenen Jahren. Vor jedem 24-Stunden-Rennen von Daytona betont er vor seinem gesamten Team: "Wenn wir dieser Linie folgen und das Auto in einem Stück ins Ziel kommt, werden wir in diesem Rennen einen Podiumsplatz erzielen." Im vergangenen Jahr erwies sich diese Philosophie als erfolgreich.

Colucci, der seine erste Erfahrung mit 24-Stunden-Rennen als Mechaniker im Jahre 1975 in Daytona machte, ergänzt: "Man sollte es wie jedes andere Rennen ansehen. Man sollte sicherstellen, dass das Auto 'schusssicher' ist, dass die mechanischen Teile nicht versagen, dass keine Teile oder Kabel abfallen und dass die Leute konzentriert bleiben."