• 14.08.2008 13:00

  • von Sven Heidfeld

Heidfeld-Kolumne: Das Formel-1-Sprungbrett

Sven Heidfeld schreibt in seiner neuen Kolumne auf 'Motorsport-Total.com' über die nächsten GP2-Kandidaten, die den Sprung in die Formel 1 schaffen können

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Titel-Bild zur News: Sven Heidfeld Speedtalk

Motorsport-Experte Sven Heidfeld findet in der aktuellen GP2 viele Talente

Seit der Einführung der GP2 als Nachfolgeserie der damaligen Formel 3000 kann man ohne weiteres behaupten, dass die Fahrer auf ihrem Weg in die Formel 1 sehr viel mehr davon profitieren, als noch vor der Saison 2005. Mir fallen eigentlich nur vier Fahrer ein, die in den letzten Jahren der Formel 3000 aus dieser Serie in die Formel 1 kamen: Mein Bruder Nick, Juan Pablo Montoya, Mark Webber und zeitweise auch Vitantonio Liuzzi.

Das hat sich mit Einführung der GP2 schlagartig verändert. Die GP2-Serie ist die letzte Stufe vor der Formel 1 und Piloten wie Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Heikki Kovalainen, Timo Glock oder auch Nelson Piquet Jr. haben bereits alle den Sprung in die Königsklasse geschafft. Nicht ohne Grund.#w1#

Die Autos sind modern, die Teams arbeiten hochprofessionell und aus meiner Sicht hat sich die GP2 ganz schnell zu dem Formel-1-Sprungbrett schlechthin gemausert. Seit der Saison 2005 ist jeder Meister zu einem Formel-1-Piloten geworden, und auch wer in der Endtabelle unter den besten Drei endet, der hat selbst ohne den Titel sehr gute Chancen.

Dieses Jahr wird es nun ganz spannend werden, ob diese Serie fortgesetzt werden kann, denn Giorgio Pantano als klarer Titelfavorit ist mit seinen 29 Jahren ja nun nicht mehr gerade der Jüngste, und in der Formel 1 war er ja 2004 bei Jordan bereits aktiv. Um es gleich ganz deutlich zu formulieren: Pantano muss mit seiner Erfahrung GP2-Meister werden, damit man überhaupt darüber nachdenken kann, ob er ein Testcockpit in der Formel 1 bekommen kann.

Eine Alternative wäre natürlich noch jede Menge Geld, aber die Teams, die in der Formel 1 auf Sponsorengelder angewiesen sind, werden auch immer weniger. Ich könnte mir Pantano zum Beispiel sehr gut in den USA vorstellen, denn die IndyCars erleben dort gerade einen großen Aufschwung und werden daher immer interessanter.

Zwei Brasilianer - Senna und di Grassi

Bruno Senna

Bruno Senna könnte einen prominenten Nachnamen in die Formel 1 bringen Zoom

Bruno Senna besitzt wiederum bereits zu einigen Formel-1-Teams Kontakte. Senna hat nicht nur einen großen Namen, sondern auch jede Menge Talent. Er betreibt auch noch gar nicht so lange professionellen Motorsport und besitzt daher sicherlich noch einiges an Steigerungspotenzial.

Sicher macht er aufgrund seiner mangelnden Erfahrung noch den einen oder anderen Fehler, aber auf der anderen Seite gewinnt er auch Rennen und ist Gesamtzweiter. Ich glaube, dass er mit seinem Namen und seinem Talent ein absoluter Kandidat zumindest für ein Testcockpit in der Formel 1 ist.

Sensationell wieder eingestiegen ist Lucas di Grassi, der die ersten drei GP2-Wochenenden gar nicht gefahren ist, und schon wieder auf Gesamtposition drei steht. Di Grassi ist hochtalentiert und auch die Tatsache, dass er bei Campos Racing nicht bei einem der Top-Teams fährt, unterstreicht seine Glanzleistungen.

Allerdings hat er als Brasilianer ein kleines Senna-Problem, denn er besitzt natürlich nicht so einen großen Namen und das macht die Sache für ihn ungleich schwieriger. Es ist halt die Frage, ob sich in der Formel 1 jemand traut, ihm eine echte Chance zu geben, wenn gleichzeitig prominentere Konkurrenten auf einem ähnlichen Niveau fahren. Ich glaube das ehrlich gesagt nicht.

Jung und schnell - Buemi und Grosjean

Romain Grosjean

Romain Grosjean ist für Sven Heidfeld fahrerisch der beste GP2-Pilot Zoom

Rein vom Fahrerischen her gesehen ist für mich derzeit Romain Grosjean der beste im GP2-Feld, der wiederum schon sehr gute Kontakte zu Renault unterhält. Grosjean hat in allen Serien, an denen er teilgenommen hat, auch die Meisterschaft gewonnen, zuletzt im Winter in der GP2-Asia-Serie. Er ist für mich gerade das größte Talent in der GP2.

Natürlich glaube ich nicht, dass Grosjean in diesem Jahr noch Meister werden kann, aber er befindet sich auf der anderen Seite ja auch erst in seiner ersten GP2-Saison und dafür fährt er wirklich sehr, sehr gut. Und: Er ist Franzose, und das verhilft ihm bei Renault zu einem klaren Vorteil gegenüber di Grassi, der ja ebenfalls von Renault gefördert wird.

Bei Sébastien Buemi vermute ich, dass seine Leistungen ein wenig untergehen. Buemi ist mit seinen 19 Jahren noch sehr jung und hat bisher auch in allen Serien um Siege mitgekämpft. Dieses Jahr sitzt er jedoch in einem Auto, das für den Meistertitel einfach nicht gut genug ist.

Was mir an Buemi gut gefällt ist, dass er immer extrem pusht. Er kann immer das gerade Mögliche herausholen. Wenn er Dritter werden kann, dann wird er Dritter, wenn er gewinnen kann, dann schafft er das auch. Und auch sein Schweizer Pass macht ihn sehr interessant, was die Nationen angeht.

Zuber schwer einzuschätzen

Andi Zuber

Andreas Zuber ist zwar schnell, aber auch der amtierende GP2-Pechvogel Zoom

Bei Andreas Zuber ist der Grundspeed ganz klar da. Er bekommt oft Schwierigkeiten, weil er am Start Probleme hat. So etwas sollte aber bei einer Einheitsserie grundsätzlich einfach nicht vorkommen, denn mit dem Losfahren, der Kupplung oder dem Getriebe haben ja viele Teams Schwierigkeiten.

Deshalb hat Zuber oft einige Nachteile und es ist daher auch ein wenig schwer einzuschätzen, ob es an ihm oder an der Technik liegt. Er ist für mich so etwas wie der Pechvogel der GP2-Serie und kann sich dadurch natürlich nur ganz schwer in Szene setzen, oder sich bei den Formel-1-Teamchefs aufdrängen.

Karun Chandhok hat sich ziemlich gemacht, wie ich finde. Natürlich wird er sehr gut gefördert und sitzt auch in einem Top-Auto. Durch seine Sponsoren und die riesige Masse der indischen Bevölkerung ist er natürlich auch für die Formel 1 interessant. Seine Familie hat gute Kontakte zu Bernie Ecclestone und Indien als "kleiner Markt" ist sicher nicht von Nachteil.

Alvaro Parente hat die World Series by Renault gewonnen und konnte auch in der A1GP-Serie immer wieder glänzen. Aber der Portugiese ist dermaßen unkonstant, dass man - ähnlich wie bei Zuber - nicht unbedingt sagen kann, dass er sich nun mit allen Mitteln aufdrängt.

Natürlich sind die Anforderungen in der Formel 1 noch eine Stufe höher als die GP2 angesiedelt, aber die Meinungen einiger Teamchefs, die immer wieder einmal behaupten, in der GP2 gäbe es kein Talent, das in der Formel 1 bestehen kann, die teile ich nicht. Im Gegenteil: Es gibt einige, die das Zeug für die Formel 1 besitzen, und wenn man da noch ein ausführliches Testjahr vorschalten kann, dann sehe ich da keinerlei Probleme.

Herzliche Grüße

Sven Heidfeld