Deutsche Newcomer mit Non-Profit-Ansatz: Was steckt hinter PHM?

Das deutsche PHM-Team stieg 2023 überraschend in die Formel 2 und Formel 3 auf: Das steckt hinter dem Non-Profit-Projekt eines Startup-Unternehmers aus Berlin

(Motorsport-Total.com) - PHM Racing - wohl nur die eingefleischtesten Motorsport-Fans dürften diesen Namen schon einmal gehört haben, als vor der Saison 2023 bekannt wurde, dass das Team neu in die Formel 2 und Formel 3 einsteigen würde und dort Charouz ersetzen wird. Und das macht man mit einem für den Motorsport ungewöhnlichen Konzept: Man versteht sich als Non-Profit-Organisation.

Titel-Bild zur News: Roy Nissany (PHM)

PHM sorgt in der Formel 2 mit seiner Bronzelackierung für ungewohnte Farben Zoom

Doch das ist nicht der einzige Punkt, der das Team ausmacht: Als deutscher Rennstall hält man die Fahnen im sonst so unterrepräsentierten Formel-1-Unterhaus hoch, besitzt weitere Fahrer im Formel-3-Feld, die gegen das eigene Team fahren, und man hat in der Formel 2 mit der bronzefarbenen Lackierung eine Farbgebung, die man nicht so häufig antrifft.

Und wir wollen uns an dieser Stelle etwas intensiver mit PHM, seiner Vision und seiner Story beschäftigen und auf die wichtigsten Fragen zu diesem Projekt eingehen.

Der Aufstieg in das direkte Formel-1-Unterhaus für 2023 kam insofern überraschend, als dass der Rennstall zuvor erst eine Saison im Nachwuchsbereich absolviert hatte - und zwar in den Formel-4-Meisterschaften in Deutschland, Italien und der Vereinigten Arabischen Emirate.

Gegründet wurde der Rennstall Ende 2021 vom deutschen Unternehmer Paul Hanno Müller, dessen Initialen auch den Teamnamen PHM bilden. Häufig wird PHM dabei als Nachfolger des langjährigen deutschen Nachwuchsteams Mücke Motorsport bezeichnet, doch mit diesem Gerücht möchte Roland Rehfeld, der sich als Teamchef um das Formel-3-Team kümmert, aufräumen.

"Es sind lediglich drei oder vier Kernleute aus der Formel-4-Mannschaft gewesen, die dann von Paul das Angebot bekommen haben, weil er gerne ein eigenes Rennteam gründen möchte", sagt er im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Gründung nach Formel-4-Testfahrt

Müller selbst hatte kurz zuvor "als 37-Jähriger Rookie", so Rehfeld, Formel-4-Testfahrten absolviert und gemerkt, wie viel Spaß ihm die Sache macht. Daraufhin wollte er schauen, ob man die Lücke zwischen Kart- und Formelsport auch für Talente schließen kann, die nicht die nötige finanzielle Reserve mitbringen.

Es folgte die Gründung von PHM Racing und das erste Jahr in diversen Formel-4-Serien, darunter auch im mittlerweile eingestellten deutschen Ableger.

Dort wurde man auf Anhieb Vizemeister hinter dem deutlich etablierteren Prema-Team und konnte mit Taylor Barnard auch den zweiten Platz bei den Fahrern hinter Andrea Kimi Antonelli einfahren - dank einer starken zweiten Saisonhälfte mit fünf Siegen in neun Rennen und einem vierten Platz als schlechtester Position.

Übrigens ist es auch Barnard, der den Plan von PHM gut symbolisiert: "Bei ihm wäre es seit zwei Jahren nicht weitergegangen, wenn wir nicht dagewesen wären", sagt Rehfeld. 2023 fährt der Brite in der Formel 3 und hat dort zuletzt in Spa-Francorchamps sogar das Hauptrennen gewonnen. Das allerdings für ein anderes Team - doch dazu später mehr.

Paul Müller, Teamgründer von PHM Racing

Der Mann hinter PHM: Paul Müller hat das Team gegründet Zoom

Nach dem erfolgreichen Start in das Motorsport-Abenteuer stellte man sich bei PHM schnell die Frage, wie der nächste Schritt nach der Formel 4 aussieht. "Und Paul hat gesagt, okay, lass uns schauen", sagt Rehfeld. Die Formel Regional war für ihn kein Thema, doch plötzlich öffnete sich überraschend die Tür für die Formel 3 und sogar die Formel 2.

"Da hat sich das eine zum anderen relativ schnell ergeben, dass wir den Slot hier wahrgenommen haben", so der Teamchef.

Schneller Aufstieg in die Formel 2

Doch wieso bekommt ein so junges, unbekanntes Team plötzlich die Chance, wenn man bedenkt, dass bei der Gründung der neuen Formel 3 zur Saison 2019 stärkere Namen wie Motopark oder Van Amersfoort (die mittlerweile dabei sind) nicht berücksichtigt wurden?

"Ich würde sagen, Integrität ist das eine", betont Rehfeld. "Und das andere ist, dass Paul alleiniger Besitzer der ganzen Thematik ist, was du bei keinem anderen Team hast", sieht er auch einen wirtschaftlichen Faktor.

"Und vielleicht auch, dass wir aus Deutschland kommen", vermutet er. Deutsche Teams sucht man seit dem Abgang von HWA in der Formel 2 und Formel 3 vergebens, und auch sonst ist Deutschland im Vergleich zu früher deutlich unterrepräsentiert.

"Und wir sind eher das weiße Blatt Papier, wo man sich vorgestellt hat, okay, mit denen kann man etwas anfangen, während die anderen auch schon so ein bisschen hier ihre Historie im Fahrerlager haben - sowohl gute als auch schlechte."

Zudem habe eine Kooperation mit Andreas Jenzer, der selbst ein eigenes Team in der Formel 3 hat, geholfen, einige Türen zu öffnen und PHM schnell Gehör zu verschaffen.

So kam es, dass PHM die Assets von Charouz übernehmen konnte und vorerst unter dem Kooperationsnamen "PHM Racing by Charouz" in der Formel 3 und der Formel 2 an den Start gehen kann - eine Engagement in beiden Serien war dabei übrigens eine Grundbedingung.

Viel Charouz noch in PHM

Der tschechische Rennstall ist dabei noch ein großer Teil des aktuellen PHM-Teams: "Wir haben ein Service-Agreement mit Charouz", erklärt Rehfeld. Das heißt, dass das Team aktuell noch weitestgehend über die Ingenieure und Mechaniker läuft, die noch von Charouz bezahlt werden und dort angestellt sind. Aber von denen möchte PHM auch einen bestimmten Anteil übernehmen.

Trotzdem erkennt der Teamchef durch den Neuanfang auch einen frischen Wind: "Alle sind wesentlich motivierter, weil sie wissen, dass es eine vernünftige Zukunft hat. Wir sind performanceorientiert und wollen den Weg gehen."

"Aber man muss auch sagen, dass das Thema Formel 2 und Formel 3 nicht leicht ist", gibt er zu. Das ist alleine schon an den Ergebnissen ablesbar: Zum Zeitpunkt des Interviews am Samstag in Spa-Francorchamps hatte PHM weder in der Formel 2 noch in der Formel 3 überhaupt nur einen Punkt einfahren können.

Einen Tag später folgte aber der Durchbruch, als Sophia Flörsch mit Platz sieben im Formel-3-Hauptrennen die ersten sechs Zähler für den deutschen Rennstall holte.

Die problematische Performance liegt aber zum Teil auch an den Altlasten von Charouz: "Man muss überlegen, dass das Team teilweise wirtschaftlich nicht so geführt wurde, dass man letztendlich in das Team und in die Performance investiert hat", sagt Rehfeld. "Ich habe relativ schnell gemerkt, dass die Mannschaft aus wenig viel gemacht hat - zumindest in der Formel 2."

"In der Formel 3, und das sehen wir momentan, ist fast gar nichts passiert", ärgert er sich. "Und das müssen wir jetzt über das Jahr hinweg aufholen."

Deswegen sei es auch jedem im Team klar gewesen, dass 2023 ein Übergangsjahr wird - und das habe man auch jedem Fahrer vermittelt. "Und dann gibt es Leute, die sehr überrascht sind und sagen, dass wir jetzt im Nirgendwo sind. Aber ich habe nichts anderes erwartet und habe meinen Fokus schon auf dem nächsten Jahr", so Rehfeld.

Fahrer noch von Charouz verpflichtet

Dass 2023 ein Übergangsjahr ist, lässt sich auch an den Fahrern ablesen. Wer auf die Webseite von PHM schaut, der liest dort folgenden Satz: "We focus on dedication and skill over financial ability of our drivers." Also kurz gesagt: Talent steht über finanziellen Möglichkeiten - so wie es auch die Intention von Paul Müller war.

Das Formel-2-Line-up mit Roy Nissany, der bereits seit 2018 in der Formel 2 rumhängt, und Brad Benavides, der mit Platz 23 in der Formel 3 2022 eigentlich keine sportlichen Argumente mitbringt und mittlerweile entlassen wurde, spricht aber eher für Paydriver als für die Fahrer mit dem größten Talent.

Doch auch das ist schnell geklärt: Auch diese beiden sind eine Altlast von Charouz gewesen. "Die Fahrer sind alle vor uns verpflichtet worden", bestätigt Rehfeld. "Wir sind im Dezember in das Thema reingerutscht, und da waren viele Deals schon gemacht, mit denen wir jetzt zurechtkommen mussten. Aber wir haben auch gesagt: Vertrag ist Vertrag."

Roy Nissany

Die Verpflichtung von Roy Nissany geschah noch vor der Übernahme Zoom

Für Benavides kam, und da ist Rehfeld offen, der Sprung in die Formel 2 einfach zu früh. Nissany könne dem Team hingegen noch durch seine Erfahrung ein wenig Stabilität bringen, doch auch beim Israeli ist er der Meinung, dass er jetzt schon "vielleicht ein bisschen zu lange" in der Formel 2 unterwegs ist.

Eigene Piloten sollen bei anderen Teams bleiben

Auf der anderen Seite sind mit Taylor Barnard und Nikita Bedrin in der Formel 3 Piloten unterwegs, die bei PHM unter Vertrag stehen, aber bei einem anderen Team fahren - in dem Fall Jenzer.

Für Rehfeld kam trotz eines eigenen Teams nicht in Frage, sie zu PHM zu holen: "Nein, der Deal war mit Jenzer ausgemacht, und er hat anderen Menschen dafür abgesagt. Es bleibt dabei. Was wir versprechen, halten wir auch ein."

Daher war auch das Formel-3-Hauptrennen von Spa-Francorchamps ein voller Erfolg: Denn neben dem siebten Platz von Sophia Flörsch konnte PHM den Sieg von Barnard und den dritten Platz von Bedrin feiern.

In Zukunft ist geplant, eigene Fahrer auch verstärkt im eigenen Team unterzubringen, allerdings wird man auch weiter externe Piloten, die für ihr Cockpit zahlen, verpflichten, und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass man eigene Fahrer bei anderen Teams platziert, sollte das für deren Entwicklung die bessere Adresse sein.

"Aber wir arbeiten daran, dass das nicht nötig sein wird", lacht Rehfeld.

Die ungewöhnliche Lackierung

Ein anderes Thema, mit dem PHM derzeit im Formel-2-Feld heraussticht, ist die bronzefarbene Lackierung, die im Formelsport recht außergewöhnlich ist. In der Formel 3 ist der Rennstall mit seinen eigenen Farben unterwegs (abgesehen von dem Alpine-Design bei Sophia Flörsch), in der Formel 2 hat man sich aber das Bronzedesign erneut vorgeben lassen.

"Es war gewöhnungsbedürftig", gibt Rehfeld zu, "aber irgendwo ist es schon ein Eye-Catcher." Er vergleicht es mit dem rosa Formel-1-Auto von BWT, über das zu Beginn auch so mancher seine Nase gerümpft habe. "Aber heute ist es ein Markenzeichen."

"Und jeder der vielleicht Pink trägt, findet das gar nicht so schlecht, weil damit so eine Philosophie verbunden ist. Warum soll das jetzt bei dem Bronzeauto nicht funktionieren?", so der Teamchef, der betont: "Von daher sind wir da auch völlig offen."

Das ist aber sponsorenabhängig, "wobei wir natürlich auch immer ganz gerne unsere Farben durchdrücken wollen, weil wir uns erst einmal etablieren und unser Gesicht zeigen wollen."

PHM und der Non-Profit-Ansatz

Doch kommen wir nun zu der Thematik, die bei PHM im Vordergrund steht und die es von den anderen Teams abhebt: der Non-Profit-Ansatz. Das heißt, das Team möchte keinen Gewinn erzielen. Oder anders: Natürlich möchte das Team am liebsten Gewinne erzielen, diese werden aber direkt wieder ins Team selbst investiert.

Teamgründer Paul Müller, mit dem das Projekt steht und fällt, verdient kein Geld damit. Er kommt aus der Berliner Startup-Branche und war damit erfolgreich, sodass er auf die Einnahmen nicht angewiesen ist.

"Aus dem Budget heraus extrahieren wir keinen Gewinn. Das, was wir haben und was wir dann sozusagen als Gewinn normalerweise deklarieren wollen, geht und bleibt halt beim Fahrer und in der Entwicklung des Fahrers und des Autos", erklärt Rehfeld, der von Müller für das Projekt angeworben wurde und überzeugt ist.

"Paul hat ein sehr frisches Denken in das ganze Fahrerlager reingebracht, was mich sehr begeistert hat", sagt er.

Sophia Flörsch (PHM)

In der Formel 3 ist PHM mit seinen eigentlichen Farben unterwegs Zoom

Trotzdem ist der Anspruch des Teams, in den kommenden Jahren seine Wertigkeit zu erhöhen und einen Wert zu schaffen, "wo es dann heißt, dass man bei der Talentförderung oder bei Akademieprogramm nicht mehr an uns vorbeikommt", so Rehfeld.

"Wir verstehen uns als Ausbildungsteam und wollen in ein paar Jahren sagen können: 'Der jetzt im Formel-1-Training in Bahrain rausfährt, der kommt von uns.'"

Das Ziel von PHM: Gewinnen!

Aber natürlich wird auch der eigene sportliche Erfolg nicht vernachlässigt. Der Teamchef zieht einen Vergleich zu den Bundesjugendspielen, die es in ihrer aktuellen Form nicht mehr geben soll. Ein alternatives Konzept soll dort den Druck von den Schülern nehmen und den Leistungsgedanken abmildern. "Aber die Mentalität kannst du im Motorsport vergessen", sagt er.

"Bei uns ist es ganz klar: gewinnen. Und wir wollen ein ernstzunehmendes Team werden, auch in dieser Kategorie der Formel 2 und Formel 3", so der Deutsche, der seit 1982 selbst Motorsport betreibt und auch in der Deutschen Formel 3 unterwegs war, bevor er sich eher dem GT-Sport zuwendete.

"Wir haben nächstes Jahr auf jeden Fall Barnard bei uns an Bord und wollen mit ihm gewinnen", so das Ziel bei der Formel 3.

"Die Formel 2 ist ein offenes Thema", ergänzt er. "Wir sind eigentlich mit der nötigen Portion Demut geimpft, zu sagen, dass es seine Zeit braucht, um zu wachsen und einen Teamkern aufzubauen. Das braucht auch noch nächstes Jahr, also kann man da nicht zu viel erwarten. Aber der Wille ist da, um zu gewinnen. Sonst bräuchten wir es ja nicht machen."

PHM-Teamchef Roland Rehfeld im Gespräch mit Motorsport-Total.com-Redakteur Norman Fischer

Roland Rehfeld im Gespräch mit Redakteur Norman Fischer Zoom

Rehfeld sagt, dass er sich wünscht, dass man PHM als deutsches Team über kurz oder lang schon auf dem Schirm haben sollte. "Aber man sollte uns noch ein bisschen Zeit geben. Ein bisschen mehr Geduld wäre schon ganz gesund", sagt er.

"Es wird irgendwann kommen", verspricht er. "Wir haben einen schnellen Start hingelegt, und das werden wir im nächsten Jahr auch in der einen Kategorie und in zwei Jahren dann vielleicht auch in der anderen Kategorie hinbekommen."