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Kamui Kobayashi

Japan

Porträt

(Stand: 05. Februar 2014) Viele Formel-1-Piloten kämpfen hart für ihren Traum von einer Karriere in der Königsklasse, kaum einer so energisch wie Kamui Kobayashi. Die erste Laufbahn des Japaners, der einst von Toyota gefördert wurde und sich bei Sauber etablierte, scheiterte am Geld. Weil er nur wenige Sponsoren fand, sammelte Kobayashi mit einer Spendenaktion bei seinen Fans und nahm über 1,4 Millionen Euro ein. Nach einem Jahr bei Pirelli, im Dunstkreis von Ferrari und mit Rennpraxis in der GT-Klasse der Langstrecken-Weltmeisterschaft klappte es doch noch: 2014 gibt der Mann aus Amagasaki sein Comeback bei Caterham.

Dabei sah es vor 27 Jahren noch gar nicht danach aus, als sollte aus dem kleinen Kamui eines Tages ein großer Racer werden. Weder die Eltern noch der ältere Bruder oder die jüngere Schwester teilten die Rennleidenschaft. Schon als Knirps lag er seinem Vater aber mit dem Wunsch nach einem fahrbaren Untersatz in den Ohren. Als Neunjähriger war es soweit: Mit der vorübergehenden Unterstützung der Eltern und Yamahas begann er im japanischen Kartsport. Mit Siegen empfahl er sich für die Nachwuchsförderung von Toyota und gelangte nach Europa.

Als 17-Jähriger zog Kobayashi nach Italien, um 2004 die Formel Renault zu bestreiten. "Ich bekam ein Apartment und viel Hilfestellung von Toyota", erinnert er sich. Mit den Belangen des Alltags war er indes allein. Er sprach ausschließlich Japanisch, und so konnte er im Supermarkt Shampoo nicht von Geschirrspülmittel unterscheiden. "Jeder Tag war eine Herausforderung", erzählt er fröhlich. "Und die Italiener waren so ganz anders als die Japaner. Wir sind in mancher Hinsicht eher wie die Deutschen: sehr pünktlich und sehr korrekt. Aber ich mochte die italienische Lebensart sofort."

War da nicht auch Einsamkeit? "Es war schon manchmal hart, aber ich wusste ja, was ich wollte. Um Rennfahrer zu werden, war ich am richtigen Platz." Der richtige Platz zählt auch heute noch mehr als ein permanentes Zuhause. Anscheinend mühelos ist Kobayashi ein Weltenbummler. 2011 besaß er monatelang gar keine Wohnung, sondern lebte aus Koffern. Mittlerweile hat er in Monaco Quartier bezogen. Aber ein Strand oder eine Stadt mit munterem Nachtleben irgendwo in der Welt können auch "richtige Plätze" sein. Kobayashi weiß das Reisen zu genießen. Eine Hommage an Japan begleitet ihn: Die Farbe seines Helmes nimmt das Rot aus der Nationalflagge auf.

2005 gewann Kobyashi sowohl die Italienische Formel Renault als auch den Eurocup der Serie. Beide Titel in einem Jahr hatte zuvor nur Felipe Massa geholt. Weiter ging es in die Formel-3-Euroserie und am Jahresende nach Macao: Auf dem schwierigen Parcours holte er die Poleposition. Er gewann auch das Qualifikationsrennen und eine gute Portion Selbstvertrauen. 2007 erreichte er mit einem Sieg im französischen Magny-Cours und weiteren Podestplätzen Rang vier in der Gesamtwertung der Formel-3-Euroserie und wurde befördert: Bereits Ende 2007 berief ihn Toyota zum Formel-1-Ersatzmann ab 2008.

Parallel bestritt Kobayashi 2008 und 2009 die GP2-Serien in Asien und Europa. In der europäischen GP2 gelang ihm früh ein erster Sieg. Im Winter 2008/09 gewann er überlegen den Titel in der GP2 Asia. Umso enttäuschter war er, als er 2009 in der GP2-Hauptserie nicht an die Erfolge anknüpfte: "Wenn ich in dieser Situation nicht die Chance erhalten hätte, für Timo Glock bei Toyota einzuspringen, wäre meine Karriere vielleicht zu Ende gewesen", sagt Kobayashi.

Er hatte sieben Monate nicht mehr in einem Formel-1-Rennwagen gesessen, als er am 2. Oktober 2009 zum Freien Training in Suzuka für Glock ins Toyota-Cockpit stieg. Zwei Wochen später bestritt er seinen ersten Grand Prix. Bei seinem Debüt in Interlagos verpasste er als Neunter im Rennen (Elfter im Qualifying) nur knapp die Punkteränge. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi startete er als Zwölfter, profilierte als bester Pilot mit nur einem Boxenstopp und holte drei Punkte für Platz sechs. In beiden Rennen fiel er durch Zweikampfstärke auf, in Abu Dhabi zudem durch sein Vermögen, eine Rennstrategie mit Kalkül umzusetzen. Peter Sauber griff zu: Der Rookie enttäuschte ihn 2010 nicht und sammelte trotz technisch bedingter Ausfälle 32 WM-Punkte.

2011 holte Kobayashi als Fünfter beim Grand Prix von Monaco das beste Saisonresultat des Teams. Zwei siebte Plätze fielen ebenfalls in die erste Saisonhälfte, auch noch sein bestes Qualifying-Ergebnis mit Rang acht. Dann wurde es harzig. Nach einer technisch schwierigen Phase des Teams sorgte der Japaner beim Finale in Brasilien mit zwei WM-Punkten noch für einen positiven Abschluss. In Summe wurden es diesmal 30 Zähler und erneut Platz zwölf.

Emotionale Momente gab es in dieser Saison am Rande des Grand-Prix-Zirkus: Am Tag des verheerenden Erdbebens und Tsunamis in seiner Heimat Japan saß Kobayashi in Barcelona zur abschließenden Rennsimulation im Auto. "Ich konnte das ganze Ausmaß dessen, was ich da hörte und sah, erst gar nicht glauben", erinnert er sich. Als Neunjähriger hatte er schon das Kobe-Erdbeben miterlebt. Die Sorge um sein Land und ein tiefes Verantwortungsgefühl, nach Kräften helfen zu wollen, begleitete den damals 25-Jährigen durch seine gesamte zweite Formel-1-Saison.

Der Grand Prix von Japan, vor dessen Start ein von Kobayashi eingeladener Mädchenchor aus Fukushima die Nationalhymne sang, wurde ein emotionaler Höhepunkt, herzzerreißend für Millionen von Fernsehzuschauern in aller Welt. "Ich wusste, dass mir die Formel 1 ermöglicht, Botschaften in die Welt zu senden", sagt Kobayashi. Sie sind angekommen. Er war 2011 nicht nur für sein Heimatland ein Hoffnungsträger. Er musste auch innerhalb des Teams in seiner erst zweiten kompletten Formel-1-Saison bereits eine Führungsrolle übernehmen. 2010 selbst noch der beste Rookie in der Formel 1, hatte er 2011 in Sergio Perez einen Neuling an seiner Seite. Nur sechs Punkte hinter dem Mexikaner wurde er auch 2012 wieder WM-Zwölfter, in Suzuka jedoch feierte er das vorläufige Highlight seiner Karriere: Vor "seinem" Publikum führ er als Dritter auf das Podium.

Für seinen Einsatz und seine Geradlinigkeit wird Kobayashi im Team geschätzt. Für seine muntere Leichtfüßigkeit wird er geradezu geliebt. Die Art, wie er sich an Kleinigkeiten erfreuen kann, zaubert auch den härtesten Jungs ein Lächeln ins Gesicht. Nie versäumt er es, bei der Ankunft an der Rennstrecke erst in die Garage und dann in die Küche zu laufen, um alle zu begrüßen.