Zoff bei Alpine: Gasly über Teamorder angefressen

Pierre Gasly kann es nicht nachvollziehen, warum er Esteban Ocon kurz vor Schluss wieder passieren lassen musste - Der und das Team sehen das aber als logisch an

(Motorsport-Total.com) - "Was zum Teufel? Warum denn das? Ich bin auf frischeren Reifen und hätte ihn sowieso gekriegt!" - "Das besprechen wir im Büro, bitte tauschen." - Pierre Gasly ärgerte sich beim Großen Preis von Japan über eine Stallorder bei Alpine. In der letzten Runde musste er seinen Teamkollegen Esteban Ocon vorbeilassen.

Titel-Bild zur News: Pierre Gasly musste Esteban Ocon kurz vor Schluss wieder durchlassen

Pierre Gasly musste Esteban Ocon kurz vor Schluss wieder durchlassen Zoom

Der ehemalige Red-Bull-Pilot befolgte die Anweisung, ist aber sehr frustriert. Seiner Meinung nach war das nicht abgesprochen. Sein Team und Ocon sehen das komplett anders. Die Anweisung sei völlig logisch gewesen.

Was war also im Team Alpine los? Ocon, von Startplatz 14 ins Rennen gegangen, wurde gleich zu Beginn in eine Kollision verwickelt und zog sich einen Reifenschaden zu. Dank des Safety-Cars schaffte er wieder den Anschluss an das Feld. Des mittelharten Reifens entledigte er sich bereits beim Reparaturstopp, er sollte das Rennen auf Hard zu Ende fahren.

In Runde 28 kam er zu seinem einzigen regulären Stopp, um einen weiteren Satz der C1-Mischung aufzuziehen, der härtesten verfügbaren Mischung im Pirelli-Kontingent. Mit diesem Satz sollte er das Rennen zu Ende fahren - fast die Hälfte der Distanz.

Gasly erwischte von P12 keinen guten Start und verlor zunächst Positionen, machte dann aber Platz um Platz gut, auch dank der Boxenstopps von Fahrern, die auf den weichen Reifen gestartet waren. Bis zur 18. Runde fuhr er den mittelharten C2, dann wechselte er auf die harte Reifenmischung. Bereits in Runde 34 stoppte er erneut für einen Satz C1. Dadurch fiel er hinter Ocon zurück.

Die Lücke von knapp zehn Sekunden schloss er mit sechs Runden jüngeren Reifen innerhalb von zehn Runden. Ocon fuhr zur Seite und ließ Gasly passieren. Der nahm den Platz mit den Worten an: "Okay, ich versuche mich an Alonso". Der Aston-Martin-Pilot, dessen Reifen neun Runden älter waren als die von Gasly (und sogar drei Runden älter als die von Ocons C1), lag weitere neun Sekunden vor Gasly auf Platz acht.

Blitz trifft Gasly aus heiterem Himmel

Schon dieser Platztausch geschah etwas widerwillig, denn Ocon vergewisserte sich zunächst. "Wenn er die Position nicht bekommt, gibt er sie doch zurück, oder? Kannst du das bestätigen?", funkte er seinem Ingenieur Josh Peckett, bevor er ihn passieren ließ. Gasly hingegen fragte nicht danach und wurde auch nicht darauf hingewiesen - ein Rücktausch kam für ihn offenbar gar nicht in Frage.

Er holte zügig auf Alonso auf, aber nicht schnell genug. Zwei Runden vor Schluss betrug der Rückstand immer noch vier Sekunden - zu viel, um ihn aus eigener Kraft noch einzuholen. So bekam der Franzose in der vorletzten Runde von seinem Renningenieur Karel Loos die Anweisung, Ocon wieder vorbeizulassen.

Er war völlig schockiert und widersetzte sich mit dem Eingangssatz. Auf die Anweisung, den Platz dennoch zu tauschen, entgegnete er: "Ist das euer Ernst? Ich bin vor ihm gestartet und lag das ganze Rennen über vorne." Loos entgegnete: "Die Anweisung kommt von der Boxenmauer. Bitte in Kurve 16 tauschen."

Nach der Zieldurchfahrt wurde Gasly angewiesen, nichts mehr zu sagen. Dementsprechend schwieg er die gesamte Auslaufrunde. Erst bei der Einfahrt in den Parc Ferme, als er die Anweisung erhielt, wo er sein Auto abstellen sollte, bemerkte er noch einmal sarkastisch: "Ja, wir halten hier an. Ich verstehe. Ich verstehe, was ihr tut."


Fotos: F1: Grand Prix von Japan (Suzuka) 2023, Sonntag


Nach dem Rennen bemerkt er: "Das wurde vor dem Rennen nicht besprochen. Mit der Strategie, die sie geplant hatten, war es klar, dass Esteban mich irgendwann undercutten würde, aber meine Pace war besser und ich hätte ihn [auch ohne Teamorder] überholt, weil ich die frischeren Reifen hatte. Es war nie die Rede davon, dass wir die Positionen tauschen müssen, denn ich bin vorne gestartet und war immer vorne."

"Zehnter und Neunter oder Neunter und Zehnter ist für ein Team das Gleiche, aber damit habe ich definitiv nicht gerechnet. Und ich verstehe es auch nicht wirklich, weil ich das vordere Auto war. Wir werden darüber reden müssen."

Team widerspricht: Alles Gäng und Gäbe

Interims-Teamchef Bruno Famin sieht das ganz anders: "Um das beste Teamergebnis zu erzielen, haben wir Pierre vor Esteban gelassen, um die Chance zu haben, Fernando zu überholen, auch wenn sie gering war. Das war [am Ende] nicht möglich, also ist es ganz normal, dass man zurücktauscht."

Die Gespräche mit Gasly werden sich also um die Frage drehen, ob die Kommunikation hätte klarer sein müssen. "Das ist der Punkt, den wir untersuchen müssen, um völlig transparent zu sein. Ich weiß nicht, wann genau was gesagt wurde. Das müssen wir klären."

"Manchmal haben wir Kommunikationsprobleme, weil das Funksignal nicht so gut ist. Oder manchmal denkt der Ingenieur, dass er sich klar ausgedrückt hat, aber der Fahrer hat es vielleicht nicht verstanden, weil er sich auf etwas anderes konzentriert hat."

"Wir müssen also überprüfen, ob der Fahrer die Informationen richtig verstanden hat. So oder so, das Manöver wurde im Interesse des Teams durchgeführt, und ich habe keinen Zweifel daran, dass beide Fahrer damit einverstanden sind."

"Wenn wir es in den nächsten Rennen anders machen müssen, werden sie es tun. Sie wissen das und es gibt keine Spannungen. Es geht nur um die Durchführung des Rennens."

Er betont, dass es keine Probleme zwischen den Fahrern gebe und dass er verstehe, dass sie um das bestmögliche persönliche Ergebnis kämpfen. "Dafür werden sie schließlich bezahlt. Aber sie werden auch dafür bezahlt, das beste Teamergebnis zu erzielen."

"Natürlich kann es sein, dass wir unter dem Stress des Rennens ein paar Aussagen treffen, die etwas heftig ausfallen, aber ich habe absolut keinen Zweifel daran, dass die Fahrer auf einer Linie sind."

Ocon: So wurde es immer gemacht

Das waren sie zumindest unmittelbar nach dem Rennen nicht. Esteban Ocon meint: "Ich bin jetzt seit vier Jahren in diesem Team. Und die Regel war immer: Wenn ein Fahrer die Position bekommt, muss er den Platz vor ihm übernehmen, um sie zu behalten." Das war in diesem Fall Alonso auf Platz acht.

"Sonst gibt man den Platz einfach an den Teamkollegen zurück. Das haben wir immer so gemacht. Wenn ich auf der anderen Seite stehe, mache ich das natürlich auch." Auch wenn er den echten Kampf auf der Strecke bevorzuge, fügt er hinzu.

"Ich bin eher ein Typ der alten Schule und würde nie darum bitten, die Positionen zu tauschen. Aber ich verstehe auch den Standpunkt des Teams, das versucht hat, Fernandos Position zu erobern, um mehr Punkte zu holen. Leider ist uns das nicht gelungen."

Das Argument, dass Gasly in diesem Fall wegen der jüngeren Reifen das schnellere Auto war, lässt er nicht gelten: "Das ist nicht wirklich relevant. Man kann so schnell sein, wie man will. Wenn du das nicht auf der Strecke austrägst, weißt du nie, wer vor dem anderen ist. Und bis dahin war ich vorne. Natürlich werden wir darüber diskutieren, was wir hätten besser machen können."

Er betont, dass es diese Regel schon zu Zeiten von Daniel Ricciardo und Fernando Alonso gegeben habe und sie auch angewendet worden sei. Dabei ist er selbst in dieser Frage kein Kind von Traurigkeit: Beim Sprintrennen in Brasilien 2022 kam es zu einer Ungereimtheit mit Fernando Alonso, für die beide Fahrer vom damaligen Teamchef Otmar Szafnauer heftig kritisiert wurden.

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