• 03.08.2006 19:27

  • von Inga Stracke

Wurz: "Habe die Hoffnung nie aufgegeben"

Alexander Wurz, 2007 Einsatzfahrer bei Williams, im ausführlichen Interview über seine Vertragsunterschrift und seinen mühsamen Weg zurück

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Alex, wie groß war die Überraschung, dass du einen Rennvertrag für 2007 bekommen hast?"
Alexander Wurz: "Die Überraschung war nicht sehr groß, da ich mit Frank (Williams; Anm. d. Red.) und dem Team schon sehr lange einen Dialog hatte. Es war auf jeden Fall eine Erleichterung, denn ich habe lange darauf hingearbeitet. Das hat schon bei der Vertragsunterzeichnung für meinen Testfahrervertrag begonnen. Ich habe mit Frank immer einen Dialog gehabt. Er sagte zu mir: 'Alex, gib alles, überzeug uns, damit wir dich ins Rennauto setzen!' Dieser Dialog hat sich dann in den letzten Monaten, Wochen und Tagen verschärft. Dann hat Williams die Option wahrgenommen, die sie schon im Winter auf mich hatten - als Rennfahrer 2007."

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz hat es geschafft: 2007 darf er wieder Formel-1-Rennen fahren

Frage: "War es eine Überraschung, dass es jetzt passiert ist?"
Wurz: "Ich habe gewusst, dass sich etwas tut zu der zugespitzten Zeit auf dem Fahrermarkt. Ich bin wahnsinnig stolz, dass das Team die Bekanntgabe vor allen anderen wie zum Beispiel jenen bezüglich meines Teamkollegen, Mark (Webber; Anm. d. Red.), Schumacher, Räikkönen und so weiter getroffen hat. Das Team hat sich festgelegt, bevor die ganze Situation klar war. Das taugt mir natürlich besonders."#w1#

Wurz' Handy ging vor Gratulationen über

"Die Reaktionen waren super. Jetzt gönnt es mir noch jeder, aber wenn ich den anderen um die Ohren fahre, dann sicherlich nicht mehr. Ich bin total happy. Es gibt so viele Gratulationen, das taugt mir natürlich. Innerhalb von zwei Stunden hatte ich rund 200 Anrufe und ebenso viele SMS, so dass die Mailbox überfordert war. In Österreich hat sich da sehr viel getan. Das erfüllt mich mit stolz und es ist lässig, dass im Fahrerlager alle zu mir kommen, um mir zu gratulieren."

Frage: "Was hat deine Frau dazu gesagt?"
Wurz: "Das ist nicht jugendfrei, was ich dir da jetzt erzählen würde."

"Ich habe im Laufe der Zeit in der Formel 1 natürlich sehr viele Freunde gewonnen." Alexander Wurz

Frage: "Und deine Familie?"
Wurz: "Es hört sich jetzt vielleicht etwas kitschig an, aber ich war gestern bei meinen Eltern, meine Oma war auch da. Dieser Tag war schon lange geplant und es war sehr schön. Einer meiner besten Freunde hat sein zweites Kind bekommen, das war also ein sehr emotionaler Tag, den wir da in Ruhe genossen haben. Bei Williams sind sie alle sehr happy. Ich habe im Laufe der Zeit in der Formel 1 natürlich sehr viele Freunde gewonnen - es gibt keinen einzigen, der bisher Kritik geübt hat. Es gibt nur Lob. Jetzt muss ich natürlich in die Fußstapfen treten und das auch erfüllen. Mit der Hoffnung alleine kommt man nie voran, das ist schon klar. Aber ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, habe mich immer in die Arbeit reingekniet. Das Team hat das gesehen und anerkannt und wir haben uns darauf geeinigt, kommendes Jahr gemeinsam Rennen zu fahren."

Frage: "Hast du jemals die Hoffnung aufgegeben?"
Wurz: "Nein, wir Österreicher glauben immer, das es so einfach ist, in der Formel 1 zu fahren, aber es ist brutal schwer. Es ist eine weltweite Industrie, die von mehreren Milliarden gesehen wird. Viele 100.000 versuchen es, 22 bis 26 schaffen es im Jahr. Es fliegen mehr Leute ins All als im Jahr Formel 1 fahren. Es ist harte Arbeit, was ich auch in den letzten Jahren gemacht habe. Nun gibt es die Früchte dafür."

"In den letzten sechs Jahren gab es Angebote als Rennfahrer, diese konnte ich teilweise aus vertraglichen Gründen nicht wahrnehmen. Teilweise waren die Angebote nicht aus finanzieller, sondern aus Teamsicht zu unsicher, was die Zukunft des Teams betrifft. Ich habe mich Ende letzten Jahres dazu entschieden, zu Williams zu wechseln, genauso wie ich mich am Ende meiner Benetton-Zeit dazu entschied, alles auf eine Karte zu setzen und zu McLaren zu gehen - ganz einfach, weil ich mich für dieses Team einsetzen und mich dort unabkömmlich machen möchte. Das ist bei Williams aufgegangen."

Weggang von McLaren-Mercedes war richtig

Frage: "Erst hat man geglaubt, der Weggang von McLaren-Mercedes sei ein Fehler gewesen, aber jetzt sieht es anders aus, oder?"
Wurz: "Im Nachhinein ist man immer gescheiter."

Frage: "Fällt es dir schwer, dich für die Freitagstrainings zu motivieren?"
Wurz: "Überhaupt nicht, das fällt mir jetzt viel leichter. Für mich gibt es keine Motivationsprobleme. Ich werde morgen wie immer mein Bestes geben. Ansonsten hätte ich die letzten fünfeinhalb Jahre auch nicht überstanden. Ich werde mich natürlich nicht zurücklehnen, ich werde weiterhin mein Maximum für das Team geben. Das ist natürlich auch in meinem eigenen Interesse, denn alle Arbeit, die wir in dieser Saison erledigen, ist natürlich auch für das kommende Jahr gut. Es ist ein kleiner Unterschied, wenn du weißt, dass du für dich selbst arbeitest."

"Wir müssen Vollgas geben und sicherstellen, dass wir im kommenden Jahr das richtige Paket haben werden." Alexander Wurz

"Wir müssen Vollgas geben und sicherstellen, dass wir im kommenden Jahr das richtige Paket haben werden. Wir haben einen Vertrag mit Toyota abgeschlossen und die Fahrer stehen fest. Für das Team ist dies eine sehr frühe stabile Situation, das war meiner Meinung nach auch die Absicht des Teams. Das ist sehr gut. Wir haben nun ein weißes Stück Papier und legen los. Ab jetzt arbeiten wir schon im Hinblick auf das nächste Jahr. Das neue Auto befindet sich im Design. Das Team hat mit der Vertragsunterschrift einen cleveren Schachzug getan, der aber nichts meiner Vertragsunterschrift zu tun hat."

Frage: "Du hast vor drei Tagen unterschrieben, nicht wahr?"
Wurz: "Es war schon toll, weil ich lange darauf hingearbeitet habe und eine Durstphase hatte. Das ist dann schon eine wahnsinnige Belohnung, auch wenn man sagen muss, dass Testfahrer ein klasse Job ist. Jetzt warte ich auf das erste Rennen in Australien, das ist das, auf was ich wirklich entgegenfiebere. Ich habe zu ihnen sofort eine gute Beziehung aufgebaut, als ich einen Vertrag als Testfahrer unterschrieb. Diese Beziehungen werden jetzt natürlich weitergehen und sie werden noch enger werden. Das ist gut, denn wir sitzen alle im selben Boot und arbeiteten uns an die Spitze."

"Natürlich ist die Aufgabenstellung als Rennfahrer eine andere als als Testfahrer. Ich bin in meiner Karriere sehr viele Rennen gefahren, schon seitdem ich zwölf Jahre alt bin. Aber jetzt in dieser Situation habe ich kein Problem mit meiner Rolle als dritter Fahrer und dem Team, Mark und Nico (Rosberg; Anm. d. Red.) zu helfen. Ich fahre seit meiner Kindheit Rennen, so etwas verlernt man nie. Zumal das Feuer mehr brennt als jemals zuvor."

Wurz will immer noch Weltmeister werden

Frage: "Was ist dein Ziel?"
Wurz: "Man muss immer nach vorne schauen, Weltmeister ist das Ziel eines jeden Fahrers. Allerdings muss man sich dies erarbeiten. Nur wenige haben das Glück, zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Auto zu sitzen. Ganz, ganz wenige Arbeiten irrsinnig hart wie Michael Schumacher, der mit Ferrari viele Jahre gearbeitet hat, um das Ziel zu erreichen. Ich habe als Testfahrer sechs Jahre lang bewiesen, dass ich in mich hineingehen kann, und mit der zusätzlichen Motivation als Rennfahrer kann ich dies ebenso lange tun. Aufgeben gibt es in meinem Vokabular eigentlich nicht."

"Ich habe schon in diesem Jahr ein gutes Verhältnis zu Nico aufgebaut und wir sind alle einer Meinung. Wir sitzen alle im gleichen Auto und müssen in erster Linie dem Team helfen. Und wenn wir dann die Früchte ernten und auf der Strecke gemeinsam kämpfen, dann werden wir dies wie Gentlemen tun. Dass wir uns gegenseitig nichts schenken, ist auch logisch."

Alexander Wurz

Im vergangenen Jahr fuhr Alexander Wurz in Imola seinen bisher letzten Grand Prix Zoom

Frage: "Wie sieht der Weg zum Erfolg aus?"
Wurz: "Vielleicht habe ich auch Glück gehabt. Was meine Eltern gemacht haben, als sie mich produziert haben, weiß ich nicht. Seitdem bin ich aber selbstverantwortlich und habe immer einen Sturm im Kopf, versuche das umzusetzen und meinen eigenen Weg zu gehen. Er war teilweise ein wenig steinig, aber immer mein eigener Weg. Wenn er dann auch noch nach einer längeren Phase in der Formel 1 funktioniert, in der es steinhart zugeht, dann ist das schon fantastisch. Aber das ist erst der Anfang, es wird in Australien interessant, wenn die Lichter ausgehen."

Frage: "Ist dein Vertrag ein gutes Zeichen für alle Freitagsfahrer?"
Wurz: "Logisch. Meine Karriere hat so begonnen, denn ich war bei Benetton als Ersatzfahrer unter Vertrag. Ich habe dann Gerhard Berger für drei Rennen ersetzt, was mir den Vertrag beschert hat. Es gibt unzählige Beispiele, wo sich Rennfahrer über die Rolle des Testfahrers etabliert haben. Es ist nichts Schlechtes, dritter Fahrer zu sein, es ist eine unheimlich wichtige Schlüsselrolle im Team. Dritte Fahrer sind immer gut genug, um Rennen zu fahren, egal ob sie jung oder älter sind. Ein Team wird nie jemanden ins Auto setzen, von dem sie nicht glauben, dass er das Zeug hat, das Team nach vorne zu bringen."

Testfahrer ist noch nicht bestimmt

"Ich konnte mich in den letzten Jahren gegen Weltmeister, Grand-Prix-Sieger in den besten Teams messen und dazulernen." Alexander Wurz

Frage: "Wer wird jetzt dein Nachfolger als Testfahrer bei Williams?"
Wurz: "Das weiß ich nicht, das ist im Moment auch nicht meine Sorge. Das wird aber durchweg ein wichtiges Thema werden, wenn sich das Fahrerkarussell verlangsamt hat. Dann muss das Team schauen, dass es einen guten dritten Fahrer findet. Wobei das im kommenden Jahr nicht mehr ganz so wichtig ist, weil es dann keinen Freitagstestfahrer mehr gibt. Dann ist es wichtig, einen Typen zu finden, der einen ähnlichen Fahrstil hat wie Nico und ich, der uns bei den Testfahrten hilft und im Sinne des Teams uns auch vertreten kann."

Frage: "Mit welchen Erwartungen gehst du ins Jahr 2007?"
Wurz: "Kein Team geht in der Formel 1 an den Start, ohne auf Siege hinzuarbeiten, das gilt auch für jeden Fahrer. Es kann immer nur einer gewinnen, so ist das eben in diesem Geschäft. Manchmal liegen zwischen Hero und zero nur ein paar Zehntelsekunden. Dass ein Team, das vor kurzem noch an der Spitze fuhr, plötzlich beinahe ins Mittelfeld abgerutscht ist, zeigt, wie hart es in der Formel 1 zugeht. Man muss immer aufpassen, immer am Ball sein. Es ist aus diesem Grund sehr schwierig zu sagen, was wir im kommenden Jahr erreichen werden. Ziel ist es ganz klar, die anderen zu schlagen."

Frage: "Wird es helfen, Bridgestone-Reifen zu haben?"
Wurz: "Das wird nur bedingt helfen, da meines Wissens nach Bridgestone einen Reifen mit einer anderen Konstruktion bringen wird, mit dem wir in diesem Jahr eigentlich fast noch nicht getestet haben. Ich muss ehrlich sagen, dass für uns und Toyota der Vorsprung nicht so groß ist wie für Ferrari. Unser Vorsprung ist minimal. Ferrari kennt die Konstruktionen, die kommendes Jahr gefahren werden, aus dem letzten Jahr. Das heißt, die haben vielleicht einen größeren Vorsprung. Ich muss jedoch dazu sagen, dass ich jetzt noch nicht genau weiß, welchen Reifen Bridgestone im kommenden Jahr bringen wird."

Frage: "Was sind die wichtigsten Veränderungen seit deiner letzten vollen Formel-1-Saison?"
Wurz: "Zwischen 2000 und jetzt hat sich das Format geändert, nicht aber das Grundprinzip. Die Autos sind um einiges schneller geworden, es ist also konditionell um einiges härter. Damit habe ich aber kein Problem, da ich bei den Tests wesentlich mehr Runden fahre. Seitdem ich in der Formel 1 bin, gelte ich als einer der Fittesten. Das kann ich auch unterstreichen - ich weiß, dass ich es bin."