Wolff: Russell war "vielleicht ein Jahr zu lange" bei Williams

Mercedes-Teamchef Toto Wolff glaubt zwar, George Russell habe bei Williams "die beste Ausbildung" erhalten, sei aber "vielleicht ein Jahr zu lange" im Team gewesen

(Motorsport-Total.com) - George Russell holte am Sonntag in Interlagos seinen ersten Grand-Prix-Sieg in der Formel 1 und kontrollierte das Geschehen von der Spitze aus, nachdem er schon den Sprint am Samstag gewonnen hatte. Er führte Mercedes zu einem Doppelerfolg vor Lewis Hamilton und bescherte dem Team den ersten Saisonsieg.

Titel-Bild zur News: George Russell

George Russell feierte in Brasilien einen souveränen ersten Formel-1-Sieg Zoom

Russells Performance in Brasilien untermauerte seinen Status als zukünftiger Star in der Formel 1, der nach drei Jahren bei Williams für 2022 zu Mercedes aufrückte. Seit 2017 ist der 24-Jährige Teil des Mercedes-Nachwuchsprogramms. Nach Titeln in der GP3 und Formel 2 stieg er 2019 in die Formel 1 auf.

Im Rückblick auf Russells Werdegang sprach sein Förderer Toto Wolff nach dem Brasilien-Sieg über ihr erstes Treffen, als sich der Brite für die Akademie des Teams bewarb.

Williams war gute Schule für Russell, aber ...

"Ich habe am Ende des Rennens darüber nachgedacht, wie er als 16-Jähriger mit Anzug und Krawatte und seiner Powerpoint-Präsentation hereinkam", erinnert sich Wolff. "Er ist der erste aus unserem neuen Nachwuchsprogramm, der ein Rennen gewonnen hat."

"Lewis ist natürlich schon ewig dabei und ist der erfolgreichste Absolvent unserer Junior-Akademie. Aber sechs Jahre später ist Russell ein Grand-Prix-Sieger. Wir haben uns immer hohe Ziele gesetzt. Man muss die GP3 gewinnen, man muss die Formel 2 gewinnen, und das hat er in seinen ersten Jahren geschafft."

Danach sei Williams "die beste Ausbildung" gewesen, die Russell haben konnte, sagt Wolff weiter, räumt aber ein: "Vielleicht ein Jahr zu lange. Auf jeden Fall ist heute das Wichtigste, dass er ein Grand-Prix-Sieger ist und ein verdienter Grand-Prix-Sieger."

Russell wurde erst zur Saison 2022 befördert und trat bei Mercedes die Nachfolge von Valtteri Bottas an, der fünf Jahre lang an der Seite von Hamilton gefahren war und eine erfolgreiche Partnerschaft mit fünf Konstrukteurstiteln in Folge aufgebaut hatte.

Zuvor trug Russell im Rahmen eines Dreijahresvertrages mit Williams dazu bei, das Team von einem entfernten Außenseiter wieder in die Punkteränge zu bringen. Beim durch Regen verkürzten Rennen in Spa 2021 fuhr er das erste Podium seit vier Jahren ein.


Die wahre Story hinter dem Zoff bei Red Bull

Was das Quali in Monaco mit dem Streit zwischen Verstappen und Perez zu tun hat und wie eine Verschwörung den ersten Sieg von Russell überschattet. Weitere Formel-1-Videos

Seine erste Saison als Mercedes-Stammfahrer war von Problemen mit dem diesjährigen Auto gekennzeichnet, die das Team erst nach und nach lösen konnte. Mittlerweile hat man zu Red Bull und Ferrari wieder aufschließen können. In Brasilien gelang schließlich der erste Grand-Prix-Sieg seit Saudi-Arabien 2021.

Russell nach Sieg mit emotionalen Worten

Für Russell war der Premierensieg freilich etwas ganz Besonderes. "Ich war ziemlich beeindruckt, wie schnell ich anfing zu weinen, als ich die Linie überquerte", gibt der 24-Jährige zu. "Als wir in Kurve 2 waren, flossen die Tränen bereits in Strömen."

"Um ehrlich zu sein, habe ich nur an meine Familie gedacht, die alle zu Hause waren. Aber ich weiß, dass sie zugeschaut haben, und sobald ich mein Telefon nach dem Rennen in die Hand nahm, rief ich sie alle via FaceTime an", verrät Rusell und blickt zurück.

"Es war für uns alle eine emotionale Achterbahnfahrt, vom Go-Kart-Fahren über die Reisen mit meinen Eltern im Wohnmobil durchs ganze Land bis hin zur Unterstützung durch meine Geschwister und die Unterstützung durch meine Freundin während der gesamten Saison. Es ist kein einfaches Leben in der Formel 1."

"Wir alle leben unsere Träume, aber die Emotionen schwanken je nach Leistung stark", weiß Russell. "Man kommt entweder sehr glücklich und gut gelaunt oder ziemlich enttäuscht von einem Wochenende nach Hause. Es ist für jeden schwierig, und ich fühle das irgendwie für uns alle, nicht nur für meine Familie."

In dem Zusammenhang nennt er Mercedes, insbesondere Gwen Lagrue, Manager des Mercedes-Fahrerprogramms, aber auch Williams und "all die Leute, die mich auf meinem Weg im Kart, in der Formel 4 und in der Formel 3 unterstützt haben. Die Liste ist endlos."


Fotostrecke: Die Teamkollegen von Lewis Hamilton

Als eine seiner größten Inspirationen im Motorsport gehört sicher auch Teamkollege Hamilton dazu. "Da fällt mir ein Foto von Lewis und mir aus dem Jahr 2009 ein, von dem wir beide wahrscheinlich begrüßen würden, wenn es nicht zu oft geteilt würde, weil wir nicht gerade gut aussehen", witzelt Russell.

"Aber es ist einfach unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht", sagt er weiter, "und es macht einem klar, dass man das Beste aus jedem einzelnen Moment machen muss. Und hier sind wir nun, 13 Jahre später, Teamkollegen auf dieser gemeinsamen Reise."

"Unsere Ziele waren klar: Wir müssen zusammenarbeiten, um Mercedes wieder dahin zu bringen, wo sie hingehören. Deshalb sind wir wirklich froh, dass wir eine so gute, ehrliche und transparente Beziehung haben. Und wir sind hier, um zu gewinnen. Wir sind hier, um zu kämpfen. Dieses Ergebnis ist der Beweis dafür."