Wirth: "Das große Thema ist das Gewicht"
Virgins Technischer Direktor Nick Wirth im Interview über das Tankdilemma seines Teams, die Baustelle Hydraulik und weitere Probleme bei Virgin
(Motorsport-Total.com) - Während Konkurrent Lotus gleich zum Saisonauftakt mit einer guten Zuverlässigkeit glänzen kann, muss sich Virgin zu Beginn des Formel-1-Debütjahrs noch mit einigen Schwierigkeiten herumschlagen. Die Mannschaft um Technikchef Nick Wirth hatte zuletzt mit der Hydraulik des VR-01 zu kämpfen, außerdem macht dem Team der Benzintank zu schaffen. Wo genau die größten Baustellen des neuen Rennstalls liegen, erklärt Wirth in seiner ausführlichen Medienrunde.

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Technikchef Nick Wirth und seine Crew brauchen noch etwas mehr Erfahrung
Frage: "Nick, kannst du uns einen Überblick über die Geschichte um den Benzintank geben? Was ist da genau passiert?"
Nick Wirth: "Wir sind nicht hier, um das Starterfeld aufzufüllen. Deswegen treten wir nicht an. Aus diesem Grund machen wir an allen Ecken und Enden Druck. Gemäß unseres Entwicklungsplans mussten wir das Monocoque am 22. Juni fertig haben - zwölf Tage, nachdem wir unseren Startplatz erhalten hatten. Das bedeutet: Zwölf Tage nach unserer Zulassung mussten wir mit dem Fertigungsprozess beginnen."#w1#
"Die Spritmenge, die du in deinem Rennwagen mitführen musst, wird im Prinzip durch mehrere Punkte festgelegt. Zunächst einmal hätten wir da das sportliche Reglement, dann das technische Regelwerk und schließlich auch noch der Benzinverbrauch deines Motors. Punkt vier ist die Art von Sprit, die zum Einsatz kommt. Insgesamt geht es darum, diese Rahmenbedingungen bestmöglich zu erfüllen."
"Wenn sich diese aber verändern, dann bekommen wir Schwierigkeiten. Für uns haben sich seit dem Design des Autos und dem jetzigen Zeitpunkt drei dieser Rahmenbedingungen verändert. Als wir dieses Auto designten, standen die sportlichen Regularien noch nicht fest. Diese Regeln sind natürlich für alle gleich. Als die Formel 1 aber zum bis dato letzten Mal mit diesen Regeln unterwegs war, konnte man in der Startaufstellung noch einmal Benzin nachfüllen."
"Als die sportlichen Regeln fixiert waren, sind wir davon ausgegangen, dass man das tun darf. Unsere zweite Vermutung betrifft die technischen Regeln, die uns in Bezug auf das Fassungsvermögen des Benzintanks zu schaffen machten. Diese Regeln wurden im Oktober verändert, als ein neuer Test für die Schottwand der Cockpitrückseite eingeführt wurde. Es gab einen neuen Frontal-Aufpralltest und wir mussten sicherstellen, dass wir diesen Test bestehen würden."
Der Puffer im Benzintank ist zu klein
"Wir haben also an dem Platz herumgeknabbert, der uns zur Verfügung stand, und das hatte Folgen. Der Benzinverbrauch des Motors hat sich nicht verändert, seit wir das Auto designt haben. Diese Zahlen, die sind gleich geblieben. Diese ganze Geschichte hat nichts mit den Informationen zu tun, die uns Cosworth zur Verfügung gestellt hat."
"Der letzte große Haken an dieser Sache war, dass man uns hat glauben lassen, dass wir Benzin mit einer hohen Dichte verwenden würden. Diese Option verschwand am Rande des Großen Preises von Brasilien 2009, also Mitte Oktober. Nachdem wir das Auto im Juni designt hatten, veränderte sich die Dichte des Benzins um einen überaus großen Faktor."
"Aufgrund des Vertrages mit Cosworth hatten wir einen anderen Sprittyp zur Verfügung. Das hat sich im Oktober verändert - für alle. Aber bei all diesen Punkten entschieden wir uns dazu oder konnten nicht darauf reagieren. Unterm Strich muss man festhalten, dass der Motor kontinuierlich entwickelt wird. Cosworth arbeitet im Rahmen der Möglichkeiten daran, die Spriteffizienz zu verbessern."
"Wir haben allerdings erst unter Rennbedingungen in Bahrain gesehen, wie hoch der Spritverbrauch wirklich ist und wie schlimm die Lage ist. Leider hat es sich genau so gestaltet, wie sie sagten, dass es sein würde. Wenn man diese Faktoren allesamt in Betracht zieht, dann sind wir einen Tick zu grenzwertig unterwegs. So einfach ist das. Das ist unsere Position."
Auch die Benzinaufnahme bereitet Probleme
Frage: "Es hieß zunächst, der Lieferant würde die Verantwortung dafür übernehmen..."
Wirth: "Nein, das hat nichts mit den Lieferanten für Benzin oder Motoren zu tun. Es geht einzig und alleine um den Hersteller des Chassis' - und das ist Wirth Research. Wir. Das bedeutet ganz einfach, dass wir uns des Problems für das Team annehmen. Es liegt in der Verantwortung von Wirth Research, die Fahrzeuge für das Team zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund heben wir in diesem Fall auch die Hand. Es liegt an uns."
Frage: "Gibt es ein Problem bei der Spritaufnahme, das damit im Zusammenhang steht?"
Wirth: "Das ist eine andere Geschichte. Wir haben versucht, den uns zur Verfügung stehenden Sprit zu maximieren und stießen dabei am Freitag auf einige Schwierigkeiten. Wir haben zum Beispiel mit Trennwänden im Tank probiert, jeden Tropfen auszunutzen. Leider lief da etwas schief. Wir mussten daher auf eine ältere Variante zurückrüsten und bedeutend mehr Benzin mitnehmen."
"Das ist halt eines der Probleme, mit denen man sich als neues Team auseinander setzen muss. Eigentlich ist es aber kein Problem des Teams, es liegt vielmehr an uns, den Konstrukteuren. Wir sind neu in der Formel 1. Das ist unsere Sache. Im Augenblick machen wir speziell in der Qualifikation keinen guten Job darin, den kompletten Sprit aufzunehmen. Selbst wenn wir aber jeden Tropfen aufnehmen könnten - was wir aktuell nicht können -, hätten wir dennoch ein Problem."
Vorerst keine Zielankunft für Virgin?
Frage: "Könnt ihr das Gemisch etwas magerer einstellen, sodass ihr es ins Ziel schafft?"
Wirth: "Nein, können wir nicht. Wir haben nämlich sämtliche Berechnungen anhand der magersten Stufe vorgenommen."
Frage: "Ihr könnt also kein Rennen beenden, bevor ihr nicht die neue Ausbaustufe habt?"
Wirth: "Es gibt ein paar Techniken, wie man Benzin sparen kann. Das haben wir bei den Sportwagen gelernt. Das ist aber kein Rennfahren. So wollen wir die Saison jedenfalls nicht bestreiten. Wir wollen Rennen fahren. Daran arbeiten wir im Augenblick."
Frage: "Werdet ihr in der Türkei neue Teile am Start haben?"
Wirth: "In Barcelona. Wir sind dran."
Frage: "Wie ist es um die Hydraulik bestellt? Hattet ihr an diesem Wochenende wieder Schwierigkeiten damit?"
Wirth: "Damit hatten wir keine Probleme, die Hydraulik war okay. In Bahrain gab es diesbezüglich ein spezielles Problem, doch dieser Sache sind wir auf die Spur gekommen. Hier hatten wir in Bezug auf diese Geschichte keinerlei Schwierigkeiten."¿pbvin|512|2588|inside|0|1pb¿
Die Hydraulik scheint kuriert zu sein
Frage: "Sind die Hydraulikprobleme, die ihr zuletzt hattet, noch immer die gleichen wie bei den Wintertests?"
Wirth: "Nein. Diese grundlegenden Schwierigkeiten konnten wir bis Bahrain ausmerzen. Dort trat dann aber ein neues Problem auf. Ein Bauteil war nicht korrekt hergestellt. Das hat man bei der Untersuchung in Großbritannien festgestellt. Das betreffende Teil wies einen Konstruktionsfehler auf."
"Das wurde für Melbourne allerdings korrigiert. In Bahrain gab es im Hinblick auf die Hydraulik ein neues Problem, das mit den Schwierigkeiten der Wintertests überhaupt nichts zu tun hatte. In Australien gab es in Bezug auf die Hydraulik keinerlei Probleme. Wir erwarten da aber auch keine Probleme mehr."
Frage: "Ist es nicht frustrierend zu sehen, dass der Wagen an sich die Geschwindigkeit hätte, aber immer wieder von Kleinigkeiten eingebremst wird?"
Wirth: "Es ist schon frustrierend, wenn man bedenkt, dass wir in der Startaufstellung vor unseren direkten Gegnern hätten stehen können - hätten wir nur dieses Benzindrama nicht gehabt. Das ist schon ärgerlich. Aber gerade deswegen bewahre ich meine Ruhe."
Wirth gesteht: Noch mangelt es an Erfahrung
Frage: "Wie wird es euch in Bezug auf den Sprit in Malaysia ergehen? Ist das eine Benzin-fressende Rennstrecke?"
Wirth: "Nicht ganz so sehr wie Barcelona oder Spa. Wir haben halt ein bestimmtes Problem, auch weil wir ein neues Team sind. Wenn es eine Unbekannte gibt, dann gibst du dir für gewöhnlich einen gewissen Puffer. Bei einem solchen Auto schöpfst du die Dimensionen aber vollkommen aus: so lang wie möglich, so hoch wie möglich - und glaubt mir, genau das haben wir getan."
"Das Gewicht ist halt das große Thema. Es geht nur um das Gewicht, denn wir haben nicht das Budget, um superteure und superleichte Teile herzustellen. Auch an der nötigen Erfahrung mangelt es uns. Im kommenden Jahr sollten wir mit diesem Budget aber einen besseren Job machen können. Rückblickend ist das natürlich einfach zu sagen."
"Doch bei den ganzen Entwicklungen - die veränderten sportlichen Regeln und alles andere - war der dickste Brocken eben der Sprit. Als die Sache mit der Dichte des Benzins offenbar wurde, standen wir drei Wochen vor dem Crashtest. Wir fragten uns daher: 'Was können wir tun? Machen wir absichtlich einen Schritt zurück? Kommen wir damit durch?' Aber egal, es ist nun einmal, wie es ist."
Frage: "Was hat sich im Hinblick auf die Dichte des Benzins verändert? Lag es einzig und alleine daran, dass sich der Lieferant verändert hat? Was ist mit dem ursprünglichen Lieferanten passiert?"
Wirth: "Darauf möchte ich nicht eingehen."
Frage: "Ist dieser Lieferant noch immer im Fahrerlager vertreten?"
Wirth: "Auch darauf möchte ich nicht eingehen. Es handelte sich um ein Paket, das im Augenblick nicht verfügbar ist. Ich muss mich um das kümmern, was mich betrifft."

