• 03.12.2003 16:40

Willis: Unsere Gegner sind Ferrari, Williams und McLaren

Der Technische Direktor von BAR-Honda über die Saison 2003, den Wechsel zu Michelin, das Konzeptauto und Hondas neuen Motor

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Geoffrey, du musst über das gute Endergebnis von BAR-Honda zum Abschluss der Saison 2003 erfreut gewesen sein oder?"
Geoffrey Willis: "Aus verschiedenen Gründen hatten wir eine weitaus schwierigere Saisonmitte als wir dies angenommen hatten. Wir konnten während des Sommers einfach nicht das Beste aus den Reifen herausholen. Ich denke, dass man fair sagen kann, dass das Kräfteverhältnis auf dem Reifensektor zu jener Zeit gegen uns sprach, bevor es am Saisonende wieder in unsere Richtung tendierte. Wie dem auch sei, der fünfte Platz in der Konstrukteurswertung ist meiner Ansicht nach ein guter Beweis unseres Gesamtleistungsstandes in den Bereichen Motor, Chassis und Reifenperformance gewesen. Das Saisonfinale in Suzuka war eines jener Rennen das mit zwei Autos in den Punkten nach Plan verlief. Das hätten wir öfter hätten erreichen sollen. Ehrlich gesagt hätte sich dadurch aber sicherlich nicht unsere endgültige Position in der Meisterschaft verändert, doch wir wären glücklicher gewesen, hätten wir Platz 5 mit 60 anstatt nur 26 Punkten erzielt."

Titel-Bild zur News: Geoffrey Willis

In den Augen von Willis ist der Wechsel zu Michelin eine richtige Entscheidung

Frage: "Zu Beginn des Jahres hatte das Team erklärt, dass man die drei Top-Teams herausfordern möchte. Wie gut ist es euch gelungen dieses Ziel zu erreichen?"
Willis: "Wir stehen an der Schwelle davon. Wenn alles planmäßig verlief, konnten wir aus eigener Kraft in die Top 8 fahren. Leider waren wir aber nicht konstant genug. Es stand aber von Anfang an fest, dass 2003 ein Aufbaujahr für uns sein würde und insgesamt haben das Chassis und der Motor ja auch gut funktioniert. Wir hatten keine grundsätzlichen Probleme, jedoch eine Reihe an Schwierigkeiten mit der Zuverlässigkeit. Merkwürdig war, dass wir am Freitag und Samstag immer zu den zuverlässigsten Teams gehörten, am Sonntag dann aber Probleme bekamen. Als Konsequenz dessen haben wir uns auf Maßnahmen konzentriert, um diese Probleme jetzt schon im Vorfeld auszuschließen. Bei uns gibt es kein wesentliches Problem im Hauptdesign; wie müssen uns einfach noch mehr auf die letzten fünf Prozent unserer Aufgabe konzentrieren."

Früher Einsatz des Konzeptautos in mehrfacher Hinsicht positiv

Frage: "Was sind die gegenwärtigen Stärken und Schwächen des Teams?"
Willis: "Ich denke, dass wir eine gute technische Basis besitzen auf die wir aufbauen können. Ich bin mit der im Auto zum Einsatz kommenden Technik zufrieden, und auch mit der Herstellung und den Ressourcen im Designbereich. Die neue Saison gehen wir mit einer Gruppe an Leuten an die mindestens ein Jahr zusammengearbeitet haben. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir uns in punkto Design und Technik noch verbessern können. Wir haben die Probleme der letzten Saison verstanden und das Hauptaugenmerk liegt jetzt auf der Gewährleistung der Zuverlässigkeit, und dass alle Prozeduren diesbezüglich befolgt werden und wir die Kontrolle haben. Wie ich schon gesagt habe, so erledigen wir nach meiner Ansicht bereits 95 Prozent unserer Aufgaben entsprechend so wie es sein soll. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass wir von der soliden Grundarbeit profitieren können."

Frage: "Die Wintertestfahrten führt ihr dieses Jahr mit einem Konzeptauto durch. Welcher Gedanke steckt hinter dieser Entscheidung?"
Willis: "Mit den jüngsten Entwicklungen gibt es drei Gründe dafür. Die Zuverlässigkeit hat für uns im nächsten Jahr die höchste Priorität und mit dem Konzeptauto können wir schon jetzt den Motor und das Getriebe für 2004 und all die anderen komplizierten mechanischen Systeme testen. Wir können das somit früher tun als wenn wir auf das 2004er-Chassis warten würden. Des Weiteren haben wir so die Möglichkeit ein paar andere Dinge, wie zum Beispiel das neue Hydrauliksystem, schon im Vorfeld zu testen. Zweitens gibt uns der Test dieser für die Zuverlässigkeit kritischen Teile die Gelegenheit das Auto für 2004 später fertig zu stellen. Wir können somit mehr Zeit darauf verwenden die Leistungsfähigkeit des Autos zu verbessern. Der dritte Grund liegt in unserem neuen Reifenpartner und dass die Reifen andere Eigenschaften besitzen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass wir so viele Kilometer wie möglich mit Michelin absolvieren."

Entscheidung über Saisondebüt mit dem Konzeptauto oder dem Auto für 2004 noch nicht getroffen

Frage: "Vor ungefähr sechs Monaten hieß es, dass das Konzeptauto bei den Überseerennen zum Einsatz kommen wird und anschließend das Auto für 2004. Ist das noch immer der Plan?"
Willis: "Wir werden jetzt in der Lage sein gleich mit dem neuen Auto zu fahren, und wir werden eine gewisse Flexibilität bei unserer Planung haben. Da das Auto für 2004 erst Anfang Februar fertig ist, wird es vor dem Australien-Grand Prix nur drei Tests damit geben. Bevor wir es aber einsetzen können, müssen wir volles Vertrauen in die Zuverlässigkeit haben. Die Wahrscheinlichkeit besteht, dass wir mit dem neuen Auto fahren werden, doch wir halten uns die Möglichkeiten offen und werden die Situation später noch einmal beurteilen."

Frage: "Für die kommende Saison gibt es einige neue technische Bestimmungen. Wie haben sich diese auf die Entwicklung des neuen Autos ausgewirkt?"
Willis: "Die hauptsächlichsten Änderungen bestehen in einer Verringerung der aerodynamischen Leistungsfähigkeit. Es gibt eine Veränderung im Bereich Heckflügel, und die Motorabdeckung und Endplatten des Heckflügels sind zu Gunsten größerer Sponsorenwerbeflächen größer. Dadurch wird die Effizienz des Autos und der Abtrieb ein wenig verringert, wenngleich um keinen großen Betrag. Die andere große Änderung besteht darin, dass man das gesamte Wochenende mit ein und demselben Motor fahren muss, oder aber eine harte Strafe riskiert. Das bedeutet, dass der Motor jetzt eine Distanz von 750 bis 800 Kilometer überstehen muss."

Formel-1-Autos werden 2004 wieder etwas schneller sein

Frage: "Werden die Rundenzeiten in der nächsten Saison im Vergleich zu 2003 langsamer ausfallen?"
Willis: "Die Entwicklungsrate ist so, dass sich dadurch das Verhältnis verringert um das wir schneller werden. Die neuen Autos werden schneller sein, doch vermutlich werden sie ein paar Zehntelsekunden langsamer sein als sie dies ohne diese Änderungen gewesen wären."

Frage: "Ergibt sich dadurch, dass die Top-Teams am Freitag kein drittes Auto im ersten Freien Training einsetzen dürfen ein Vorteil für euch?"
Willis: "Ganz gewiss. Angesichts dieser Möglichkeit, werden wir alles tun, um daraus einen größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Wir schauen uns genau an, was wir tun können und wie wir diese zwei zusätzlichen Stunden am Freitag nutzen können. Es sollte auch einige Vorteile beim Beurteilen der Reifen dadurch geben."

Hondas neuer Motor mit guter Leistung und verringertem Gewicht

Frage: "Bist du mit den Fortschritten die Honda im Motorenbereich macht zufrieden?"
Willis: "In der Saison 2003 kam ein komplett neuer Honda-Motor zum Einsatz, und über das Jahr hinweg gab es einige beträchtliche Leistungsverbesserungen durch die Ausbaustufen. Der Motor für die neue Saison ist ebenfalls wieder komplett neu. Er ist viel kleiner in seinen Ausmaßen. Ende dieser Saison verfügten wir über einen ziemlich wettbewerbsfähigen Motor. Das neue Aggregat wird leichter sein und praktisch die gleiche Leistungsfähigkeit besitzen, und zwar obwohl sich die Lebensdauer beinahe verdoppelt hat. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Motorleistung gut sein wird und wir vom verringerten Gewicht profitieren werden. Mit den gegenwärtigen Bestimmungen besteht einer der größten Herausforderungen der Formel 1 in der Anordnung der Komponenten, sodass man das Beste aus der Aerodynamik herausholen kann. Je länger die Zusammenarbeit mit Honda fortgesetzt wird, desto mehr Gelegenheit haben wir das Design des Motors in das des Autos zu integrieren."

Frage: "Warum habt ihr den Wechsel zu Michelin vollzogen?"
Willis: "Wir beurteilen regelmäßig alle Faktoren die die Leistungsfähigkeit des Teams beeinflussen, also die Fahrer, das Design, die Verantwortlichen, die Reifen und so weiter. Ergebnis unserer allgemeinen Beurteilung war, dass der Wechsel zu Michelin ab 2004 besser mit unseren langfristigen strategischen Interessen harmoniert."

Wechsel zu Michelin "langfristig gesehen die beste Entscheidung"

Frage: "Bis auf Ferrari werden somit alle Top-Teams auf Michelin-Reifen ausrücken. Wird sich BAR dadurch nicht in einer schwierigeren Situation befinden?"
Willis: "Nun ja, wenn die Streckenbedingungen bei irgendeinem Rennen zu Gunsten von Bridgestone tendieren, wird Ferrari einen guten Vorteil haben. Wenn ich aber alle Informationen, die wir über die vergangenen anderthalb Jahre gesammelt haben, zu Grunde lege, so bin ich doch sehr zuversichtlich, dass wir langfristig gesehen die beste Entscheidung für das getroffen haben."

Frage: "2004 werdet ihr sicherlich auch über eure Schulter blicken und beobachten was bei den anderen Teams hinter euch passiert, oder konzentriert ihr euch auf die vier Teams die dieses Jahr die Saison vor euch beendet haben?"
Willis: "Die Antwort darauf lautet, dass wir uns nur auf die Teams konzentrieren werden die vor uns sind. Realistisch betrachtet sehen wir in Ferrari, Williams und McLaren unsere Gegner, und wir müssen sehen was mit Renault passiert."