powered by Motorsport.com
  • 17.10.2008 14:37

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Williams' KERS um 57 Millionen Euro billiger

Weitere Hintergründe zu KERS: Worauf sich die Teams jetzt schon vorbereiten und wie Williams 57 Millionen Euro gespart hat

(Motorsport-Total.com) - KERS ist derzeit einer der meistverwendeten Begriffe im Formel-1-Fahrerlager, doch nicht jeder weiß, was hinter KERS eigentlich steckt. Die Abkürzung steht für "Kinetic Energy Recovery System", also übersetzt für "System zur Rückgewinnung von kinetischer Energie". Eingeführt wird das Ganze schon 2009 - die Hybridtechnologie hält also Einzug in die Formel 1.

Titel-Bild zur News: KERS

KERS könnte über den Winter in der Formel 1 zum großen Thema werden

KERS ist nichts anderes als ein System, welches es den Fahrern mittels Knopfdruck am Lenkrad erlaubt, zusätzlich zum Verbrennungsmotor für sieben Sekunden ungefähr 82 PS extra abrufen. Diese zusätzliche Energie wird zuvor aus der Abwärme der Bremsen gewonnen und gespeichert. Zur Speicherung gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: eine Batterie, einen Kondensator oder ein mechanisches Schwungrad.#w1#

Neue Technologie, viele Möglichkeiten

Die meisten Teams beschäftigen sich mit einer Batterieversion, nur von Williams weiß man, dass am Schwungrad gearbeitet wird. Doch große Hersteller wie Toyota behalten alle drei Entwicklungsrichtungen zumindest vage im Auge, denn: "Was heute noch gut ist, kann morgen schon wieder veraltet sein", erklärt Toyota-Motorenchef Luca Marmorini gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Wir haben es mit einer ganz neuen Technologie zu tun. Da müssen wir auf alles vorbereitet sein."

Die Batterielösung, an der offenbar auch Toyota arbeitet, obwohl Marmorini dazu nichts verraten will, birgt einige Nachteile. So ist die Lebensdauer der teuren Batterien zum Beispiel auf ein Rennen beschränkt - voraussichtlich: "Uns wären mehr lieber, aber wir haben noch nicht genug getestet, um zu beurteilen, ob das möglich ist", so Marmorini. Aus Sicherheitsgründen wird man wohl zunächst für jedes Rennwochenende neues Material einbauen.

"Uns war von Anfang an klar, dass KERS teuer wird." Luca Marmorini

Ein weiterer Nachteil ist der Transport der Batterien im Flugzeug, der wegen Brandgefahr risikoreich ist. Hierzu hat die Formel 1 noch keine Antwort parat. Außerdem ist die Batterielösung zumindest kurzfristig gesehen sehr teuer, "weil es in der Formel 1 noch nie Batterien gegeben hat. Wir mussten die neu entwickeln", erläutert Marmorini. Außerdem müssen die Motoren für den Einsatz von KERS modifiziert werden. Aber: "Uns war von Anfang an klar, dass KERS teuer wird."

Wie teuer, das hat 'Motorsport-Total.com' in Erfahrung gebracht: Honda hat bisher 59 Millionen Euro in die Entwicklung der Hybridtechnologie investiert, war dafür aber auch das erste Team, das KERS auf der Strecke testen konnte, während Williams Stand vor einer Woche gerade mal zwei Millionen Euro ausgegeben hatte. Das heißt, Williams hat laut Angaben von Geschäftsführer Adam Parr im Vergleich zur Konkurrenz satte 57 Millionen Euro gespart!

Keine Selbstkontrolle in der Formel 1

"Man kann nicht generell sagen, KERS kostet zu viel Geld. Jeder entscheidet selbst, wie viel er ausgeben will", analysierte Parr in Fuji im Rahmen einer Diskussion über die Kostenexplosion in der Formel 1 mit Journalisten. "Manche Teams zahlen für einen einzigen Fahrer zehnmal so viel wie wir für KERS. Das sind Entscheidungen, die muss jeder selbst treffen. Das ist das alte Problem der Formel 1: Es gibt keine Selbstkontrolle!"

Allerdings spricht die 57-Millionen-Euro-Differenz nur die halbe Wahrheit, denn so groß mag vielleicht der Unterschied der reinen Entwicklungskosten sein, aber insgesamt hat Williams schon weit mehr als zwei Millionen Euro in KERS investiert. So wurden 40 Prozent der Firma Automotive Hybrid Power (AHP) und deren komplettes Know-how übernommen sowie der Sitz zur Formel-1-Fabrik nach Grove verlegt. Das dürfte auch Geld gekostet haben.

"Das ist das alte Problem der Formel 1: Es gibt keine Selbstkontrolle!" Adam Parr

Technisch gesehen steht für die Teams neben der Weiterentwicklung der KERS-Performance und -Zuverlässigkeit inzwischen der Einbau ins Chassis im Vordergrund. Ein durchschnittliches KERS beansprucht ein Volumen von 15 Litern. Red-Bull-Designer Geoff Willis: "Das Chassis muss länger oder breiter werden oder man geht mit der Benzinkapazität runter." Die beste Einbaumöglichkeit sei nach derzeitigem Kenntnisstand im Bereich der Seitenkästen.

Indes ist weiterhin unklar, ob beim Saisonauftakt 2009 überhaupt alle Autos mit KERS ausgerüstet sein werden. Ferrari ist angeblich im Verzug, weshalb Motorenkunde Force India schon überlegt, zu Mercedes zu wechseln, und auch einige andere Teams haben Sorgen - vor allem hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit. Was viele zu vergessen scheinen: KERS kann, muss aber nicht ab 2009 eingesetzt werden...