Wie zwei Deutsche die WM entschieden haben

Die beiden Deutschen Sebastian Vettel und Timo Glock hätten Lewis Hamilton in São Paulo beinahe noch vom WM-Thron gestoßen

(Motorsport-Total.com) - Bevor es in São Paulo fünf Runden vor Schluss noch einmal richtig zu regnen begann, schien eigentlich alles klar: Felipe Massa fuhr einem sicheren Sieg entgegen, Lewis Hamilton lag an vierter Stelle - und war damit zu jenem Zeitpunkt Weltmeister. Doch im Finish sollten ausgerechnet zwei Deutsche dem Grand Prix von Brasilien ihren Stempel aufdrücken.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel und Lewis Hamilton

Das (fast) entscheidende Manöver: Sebastian Vettel gegen Lewis Hamilton

Sebastian Vettel lag zu Beginn der 66. von 71 Runden weniger als eine Sekunde hinter Hamilton und wurde im Rückspiegel bei immer rutschiger werdenden Bedingungen immer größer. Am Ende der Runde steuerten die beiden gemeinsam die Box an, um Intermediates abzuholen. Hamilton blieb knapp vor Vettel. Trotzdem waren die beiden nach ihrem Stopp nicht mehr Vierter und Fünfter, sondern nur noch Fünfter und Sechster.#w1#

Vettel ließ Hamilton zittern

Denn Timo Glock hatte als einziger Fahrer gepokert und auf einen Reifenwechsel verzichtet. Hieß konkret: Sollte Vettel an Hamilton vorbeigehen, wäre Massa Weltmeister. Und in der Tat: Vettel - pikanterweise steckt im Heck seines Toro Rosso ein Ferrari-Motor - nutzte in der drittletzten Runde eine kleine Unaufmerksamkeit des McLaren-Mercedes-Piloten und verdrängte ihn neun Kilometer vor Schluss vom WM-Thron.

Die Dramatik dieses Moments war Vettel gar nicht bewusst: "Da gibt es nicht viel zu erzählen", gab er cool zu Protokoll. "Ich habe einfach versucht, alles rauszuholen. Ich wusste, dass ich vor dem Boxenstopp Fünfter war. Ich habe versucht, Lewis zu überholen, kam aber nie nahe genug ran. Dann war es die letzten Runden ziemlich chaotisch, als viele an die Box kamen, um auf Intermediates zu wechseln. Keiner wusste genau, wie stark der Regen wirklich wird."

"Ich hatte Lewis wieder vor mir und habe wieder versucht, ihn zu überholen", schilderte der Monza-Sieger die Phase nach den letzten Boxenstopps. "In der letzten Kurve ist es mir dann gelungen: Er kam ein bisschen weit raus und ich bin innen durchgeschlüpft. In dem Moment wusste ich aber wirklich nicht, auf welcher Position ich lag. Ich habe gehofft, dass es für das Podium reicht. Letztendlich war es knapp."


Fotos: Großer Preis von Brasilien, Sonntag


Dass er damit für einige Momente vermeintlich die Weltmeisterschaft entschieden hatte, wurde Vettel erst nach der Zieldurchfahrt erzählt: "Ich hatte alle Hände voll zu tun - da war keine Zeit, um bei Start und Ziel auf die Positionsanzeige zu schauen", sagte er. Aber selbst wenn, hätte er an Hamilton kein Geschenk verteilt: "Wir sind unser eigenes Rennen gefahren und haben auf niemanden Rücksicht nehmen müssen."

Entscheidung auf den letzten Metern

Vettel ließ gegen Hamilton nichts mehr anbrennen, aber am Ende sollte sein Überholmanöver doch nicht entscheidend gewesen sein. Denn Hamilton hatte vor der letzten Runde zwar noch über 13 Sekunden Rückstand auf Glock, aber der Regen wurde noch einmal stärker, sodass der Toyota mit den Trockenreifen kaum noch auf der Strecke zu halten war. Genau auf Höhe der letzten Zwischenzeitmessung gingen Vettel und Hamilton an Glock vorbei. Das war die Entscheidung.

Sofort wurde gefragt: Hat Glock Hamilton absichtlich vorbeigelassen? "Definitiv nicht", winkte der Deutsche energisch ab. "Wir haben einfach gepokert. Ich bin so lange wie möglich draußen geblieben, aber wir haben schon gewusst, dass die letzte Runde die schwierigste wird. Im Endeffekt war es so. In der letzten Runde war das Auto unfahrbar. Ich habe 1:44 Minuten gebraucht für eine Runde - das erklärt alles."

Lewis Hamilton und Timo Glock

Timo Glock hat Lewis Hamilton heute indirekt zum Weltmeister gemacht Zoom

Und weiter: "Da sind so viele Autos an mir vorbeigefahren, dass ich gar nichts mehr machen konnte. Wenn mich Lewis nicht dort überholt hätte, dann auf der Geraden. Ich hatte keine Chance", so Glock. Vettel bestätigte diese Version: "Timo hatte mit den Trockenreifen keine Chance. Respekt, dass er es überhaupt auf der Strecke gehalten hat. Mit Intermediates war es schon verdammt glatt und mit Slicks möchte ich gar nicht wissen, wie es sich angefühlt hat."

Mit der Headline dieses Artikels wäre Glock übrigens nicht einverstanden: "Dass meine Entscheidung die WM entschieden hat, kann man so nicht stehen lassen, denn die beiden Jungs hatten vor ein paar Rennen schon die Chance, alles klar zu machen. Dass es so dramatisch wird zum Schluss, ist für die brasilianischen Fans ein bisschen schwierig, aber im Endeffekt war es eine Megashow! Das ist auch wichtig", gab er lächelnd zu Protokoll.