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  • 19.05.2021 13:03

Wie hoch ist das Arbeitspensum eines Fahrers in Monaco?

So herausfordernd ist eine Formel-1-Runde durch die engen Gassen von Monaco wirklich: Das Mercedes-Team erklärt, was der Fahrer im Detail zu tun hat

(Motorsport-Total.com) - Einige Beobachter mögen vielleicht sagen, dass es von außen betrachtet einfach aussieht, ein Formel 1-Auto zu fahren. Wer das sagt, weiß jedoch nicht viel darüber, wie viel der Fahrer auf einer Runde in einem Formel-1-Boliden tatsächlich zu tun hat. Mercedes veranschaulicht das am Beispiel von Monaco.

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas

Am Beispiel von Monaco wird besonders deutlich, wie gefordert der Fahrer ist Zoom

Was muss ein Fahrer auf einer Runde alles machen?

Beim Fahren eines Formel-1-Autos kommt es auf die gleichen Eingaben an wie bei jedem anderen Fahrzeug auch, sprich: Lenken, Gas geben, bremsen und schalten. Allerdings erfolgt dies mit erhöhter Intensität und während extreme Anziehungskräfte auf den Fahrer einwirken.

Auf einem Stadtkurs wie in Monaco liegt der Spielraum für Fehler nahezu bei null - alle Elemente im Arbeitspensum eines Fahrers werden in Monte-Carlo verschärft und durch die ständigen Biegungen und Kurven zusätzlich erschwert.

Dabei stehen für den Fahrer die Schaltpunkte ganz besonders im Fokus. Auf der 3,337 Kilometer langen Strecke schaltet er rund 25 Mal hoch und genauso oft herunter - und das über die gut 70 Sekunden, die es dauert, um eine komplette Runde im Fürstentum zurückzulegen. Angezeigt werden die Schaltpunkte während der Jagd nach jeder Millisekunde durch die Schaltlampen am Lenkrad.

Zusätzlich hört der Fahrer auch noch einen Ton in seinem Ohr, der ihm beim Timing helfen soll. Die meisten Gangwechsel aller Strecken im aktuellen Kalender gibt es in Baku (70). Gründe dafür sind die lange Gerade und die deutlich längere Strecke.

Der Topspeed beträgt in Monaco nur 290 km/h (zum Vergleich: 350 km/h sind es in Monza). Entsprechend schalten die Fahrer bei ihren 50 Gangwechseln pro Runde kein einziges Mal in den achten Gang. Dafür kommt in Monaco der erste Gang zum Einsatz, was in der Formel 1 eine Seltenheit ist.

In einem modernen Formel 1-Auto nutzt der Fahrer ein Multifunktionslenkrad, mit dem er zwischen den Kurven eine begrenzte Anzahl an Set-up-Veränderungen vornehmen kann - und all das, während er mit voller Geschwindigkeit auf der Strecke unterwegs ist. Der Großteil dieser Änderungen muss jedoch in der Box vorgenommen werden.

Die Drehschalter und Knöpfe am Lenkrad ermöglichen es dem Fahrer, eine Reihe von Set-up-Möglichkeiten einzustellen. Darunter die Bremsbalance, die Powermodes des Motors, die Stufe der Motorbremse und Veränderungen am Differenzial, mit denen er Über- oder Untersteuern bewirken kann.

Lenkrad

Das Lenkrad ist die Schaltzentrale des Fahrers: Hier wird alles eingestellt Zoom

Auf einer engen und winkligen Strecke wie in Monaco gibt es keine typische Gerade, auf der das Lenkrad nicht eingeschlagen ist. Der Weg bis zur ersten Kurve ist nur fünf Sekunden lang und der durch den Tunnel dauert bei Höchstgeschwindigkeit sieben Sekunden. Bei beiden ist das Lenkrad eingeschlagen.

Das macht die Einstellungen zu einer Herausforderung. Nur 45 Prozent der Rundenzeit werden mit Vollgas gefahren. In Monza hat der Fahrer seinen Fuß hingegen für 78 Prozent der Rundenzeit auf dem Gaspedal.

"Übung macht den Meister, alles dreht sich um Wiederholungen und die Vorbereitung", sagt Valtteri Bottas. "Es ist nicht leicht, aber es wird ganz sicher einfacher. Einige Eingaben laufen mit etwas Übung nahezu automatisch ab. Für bestimmte Aufgaben versucht man, das Muskelgedächtnis abzurufen. Dann fängt man an, genau zu wissen, in welchen Kurven man die Einstellungen verändern kann."

Die Ingenieure achten auch auf ungewollte Eingaben durch den Fahrer, gerade in der engen Haarnadel in Monaco, die im ersten Gang durchfahren wird und damit die langsamste Kurve im Formel-1-Kalender darstellt. Sie erfordert einen Lenkradeinschlag von 180 Grad, was dazu führt, dass sich die Arme des Fahrers kreuzen.

Das kann manchmal ungewollte Eingaben über die Knöpfe oder Drehschalter hervorrufen. Als Gegenmaßnahme bringt das Team für den Monaco-Grand-Prix einen speziellen Schutz am Lenkrad an. Das Design der Knöpfe und Drehschalter ist von den Kontrollen für Kampfflugzeuge abgeleitet. Auch dies ist ein High-Speed-Umfeld, in dem die Piloten unter enormem Stress agieren und Handschuhe tragen.

Alles in allem sind zwar alle erforderlichen Eingabegeräte, um ein Auto zu fahren, bekannt. Aber jedes einzelne Element wird in der Formel 1 durch die hohe Geschwindigkeit der Boliden und - ganz besonders in Monaco - die ständige Gefahr von Leitplanken und Mauern auf ein unvorstellbares und übermenschliches Niveau gehoben.


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Woran muss der Fahrer sonst noch denken?

Im Laufe einer Runde kommt es ganz besonders auf die Sicht des Fahrers bei hohen Geschwindigkeiten und seine rasche Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen im Umfeld an. Das gilt umso mehr auf einer Strecke wie in Monaco, die extrem eng und verwinkelt ist, blinde Kurve aufweist und auf der hinter jeder der 19 Kurven (acht Links- und elf Rechtskurven) eine potenzielle Überraschung lauern könnte.

Im Verlauf des Wochenendes gehen die Fahrer verschiedene Referenzpunkte durch, um die schnellste Linie sowie den spätesten Bremspunkt zu finden und so immer mehr Vertrauen aufzubauen. Das ist in Monaco besonders entscheidend, weil jeder Unfall während eines Freien Trainings die Fahrzeit begrenzen und vielleicht sogar eine Gefahr für die Teilnahme am Qualifying darstellen könnte.

Was ist also das Geheimnis, um Monaco zu meistern? Es kommt darauf an, Konstanz zu zeigen, seinen Speed über das Wochenende hinweg immer weiter aufzubauen und eine kontinuierliche Steigerung bis zur ultimativen Rundenzeit hinzulegen.

Monaco

Auf dem engen Stadtkurs von Monaco lauern überall Mauern und Leitplanken Zoom

Wenn der Fahrer auf eine Kurve zufährt, denkt er zunächst darüber nach, welche Linie er wählt und wie er durch die Kurve hindurchfahren möchte. Danach denkt er an die Bremszone und wo genau er auf das Bremspedal steigen muss.

Es folgt die Bremsphase, in der sein Fokus bereits auf den Scheitelpunkt wechselt, um die gewählte Linie perfekt zu treffen. Am Scheitelpunkt angekommen konzentriert sich der Fahrer bereits auf den Kurvenausgang. Dieser Prozess wiederholt sich in jeder Kurve einer jeden Runde immer wieder von vorne.

In Monaco kann sich das Auto am Kurvenausgang nervös verhalten, da die Fahrzeugbalance auf einen präzisen Kurveneingang getrimmt ist. Auf einer so engen Strecke müssen die Fahrer deshalb sehr vorsichtig sein, wenn sie die Leistung zwischen den Kurven auf den Asphalt bringen wollen.

"Es gibt viel, was man im Auge behalten muss, gerade in Monaco", erklärt Valtteri. "Man muss auf viel achten, was eine echte Herausforderung ist, sowohl auf der mentalen Seite als auch, weil man sich ständig verschiedene Referenzpunkte sucht, um schnell zu sein."


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Monaco bietet nur sehr wenige Überholmöglichkeiten. Entsprechend ist die Pace auf einer schnellen Runde im Qualifying entscheidend. Umso wichtiger wird es für den Fahrer, auf der Outlap sicherzustellen, dass er die gezeitete Runde in der bestmöglichen Verfassung beginnen kann.

Dafür passt er die Bremsbalance auf der Outlap fortlaufend an, während er auf der Strecke hin- und herfährt, beschleunigt und bremst, um die Bremsen sowie die Reifen auf Temperatur zu bringen. Gleichzeitig lädt er das ERS-System auf, damit er auf der gezeiteten Runde die maximale Leistung zur Verfügung hat.

Zudem erhält der Fahrer häufig Feedback von seinem Renningenieur über Funk, muss auf den Verkehr im Rückspiegel achten und den korrekten Powermode auswählen, um die bestmögliche Rundenzeit zu erzielen.

Das Arbeitspensum eines Fahrers fällt auf jeder Strecke unterschiedlich aus, je nachdem ob es ein Qualifying oder Rennen ist. Im Qualifying kommt es auf die maximale Performance an, er muss ans absolute Limit pushen und agiert auf einem ganz anderen Intensitätslevel.

Valtteri Bottas

In Monaco muss der Fahrer seine Augen und Ohren überall haben Zoom

Im Rennen denkt der Fahrer über mehr als nur die absolute Performance auf dieser einen Runde nach. Er muss langfristiger denken, auf sein Reifenmanagement, die Spritmenge und das Energiemanagement achten sowie ein mögliches Safety-Car und Positionskämpfe mit einbeziehen.

Ist Monaco die härteste Strecke in puncto Arbeitspensum?

In Monaco gibt es keine Auslaufzonen, überall stehen Mauern oder Leitplanken, die Strecke bestraft jeden Fehler. Diese erbarmungslose Streckencharakteristik macht den Grand Prix so besonders und sorgt für einzigartige Herausforderungen für die Fahrer.

"Für mich persönlich ist Monaco mit Blick auf das Arbeitspensum des Fahrers die härteste Strecke", sagt Valtteri. "Es gibt einfach keine Zeit, um sich auszuruhen. Es folgt buchstäblich eine Kurve auf die nächste und selbst die Geraden sind keine richtigen Geraden, man muss immer wenigstens ein bisschen einlenken."

"Die Start-Ziel-Gerade ist die beste, wenn nicht sogar die einzige, Stelle, um etwas Luft zu holen, aber selbst sie fliegt in einem Formel-1-Auto nur so vorbei! Das ist definitiv eine Herausforderung", weiß der Finne.

Alle Formel-1-Strecken bringen ihre eigenen Herausforderungen und interessanten Charakteristiken mit sich: Das gilt sowohl für die engen Straßenschluchten von Monte-Carlo als auch die flüssigen Highspeed-Kurven in Silverstone oder Suzuka, in denen die Fahrer viel höheren g-Kräften ausgesetzt sind und eine größere Vielfalt an Kurventypen durchfahren müssen.

In Monaco wird diese Herausforderung jedoch in eine super kurze, super schnelle Runde gepackt, die nach absoluter Präzision und maximaler Konzentration verlangt. Sie ist unnachgiebig. Ein kurzer Konzentrationsfehler und die harte Arbeit von Fahrer und Team ist verloren.