• 07.10.2012 15:11

  • von Dieter Rencken

Whitmarsh: "Ferrari steht unter Druck"

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh analysiert das Japan-Rennen von Jenson Button und Lewis Hamilton und spricht über die weiteren Aussichten

(Motorsport-Total.com) - Wichtige Punkte geholt, aber nicht um den Sieg gekämpft: McLaren musste sich beim Großen Preis von Japan mit den Verfolgerrängen zufrieden geben. Jenson Button und Lewis Hamilton kamen auf dem Suzuka Circuit nicht über die Positionen vier und fünf hinaus. Weil Fernando Alonso (Ferrari) aber früh ausschied, machte das McLaren-Duo in der Gesamtwertung an Boden gut. In seiner Medienrunde erklärt Teamchef Martin Whitmarsh, was er dem Japan-Rennen noch alles abgewinnt.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh (Teamchef, McLaren)

Martin Whitmarsh sieht das Ergebnis von Suzuka auch etwas positiv für McLaren Zoom

Frage: "Martin, Jenson Button und Lewis Hamilton erreichten in Suzuka die Positionen vier und fünf. Wie lautet dein Fazit zum Japan-Rennen?"
Martin Whitmarsh: "Nun, wir hätten eigentlich in der zweiten Startreihe stehen sollen, doch das klappte bei Lewis leider nicht. Im Falle von Jenson brachten wir uns selbst ins Hintertreffen (durch einen Getriebewechsel; Anm. d. Red.). So starteten wir nur von den Rängen acht und neun. Und das auf einer Strecke, auf der Überholen sehr schwierig ist."

"Beide Jungs haben gute Arbeit geleistet. Bei Lewis trat ein Problem auf, sodass wir über weite Strecken des Rennens einiges an Abtrieb verloren. Das wurde wahrscheinlich von Trümmerteilen am Frontflügel verursacht. Sein Tempo ließ nach. Nach dem ersten Boxenstopp von Jenson verloren wir viel Zeit hinter Ricciardo - und auch Positionen."

"Das war ein bisschen enttäuschend. Positiv ist: Jenson war zum Schluss konkurrenzfähig unterwegs und machte noch einmal Druck. Und beim letzten Boxenstopp von Lewis erbrachte das Team noch einmal eine großartige Leistung. Wir kamen nach Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) an die Box. Er hatte gerade eine persönliche Sektoren-Bestzeit gefahren."

"Lewis wollte eigentlich draußen bleiben, weil sich seine Reifen noch gut anfühlten. Wir dachten uns: Kimis Stopp hatte vier Sekunden gedauert. Mit einem Reifenwechsel von 2,5 Sekunden würden wir die Nase vorn haben. Das Team stand zwar unter Druck, doch es gelang: 2,5 Sekunden. Lewis hatte dann in Kurve eins die Innenbahn für sich und machte es perfekt. So kam er an Kimi vorbei."

"Unterm Strich ging es für uns in Suzuka darum, möglichst viele Punkte abzugreifen. Die Fahrer haben eine ordentliche Leistung erbracht, obwohl es im Rennen viele schwierige Momente im Straßenverkehr und beim Verlust von Abtrieb gab. Es war ein kniffliges Rennen für beide, doch wir haben wertvolle Punkte geholt."

Frage: "Weil Fernando Alonso, der aktuelle WM-Führende, nicht ins Ziel kam, haben deine Piloten in der Gesamtwertung sogar an Boden gutgemacht ..."
Whitmarsh: "In der Tat. Das sollten wir positiv sehen. Ich könnte mir vorstellen, Fernando reist sehr unzufrieden ab. Er steht nun richtig unter Druck. Ganz klar: Der größere Druck geht nicht von uns, sondern von Sebastian (Vettel; Anm. d. Red.) aus."

"Nichtsdestotrotz haben wir den Abstand verkürzt. Und noch stehen fünf Rennen aus. Wir haben an diesem Wochenende nicht geglänzt. Deshalb müssen wir uns hinsetzen und das Auto optimieren. In Südkorea müssen wir es so gut wie möglich einstellen. Unsere Jungs sind dazu in der Lage, Rennen zu gewinnen. Fünfmal können wir genau das noch versuchen."

Frage: "Wie groß sind deine Sorgen im Hinblick auf den Aufschwung bei Red Bull?"
Whitmarsh: "Nun, an diesem Wochenende war der Red Bull das stärkste Auto. Unser Fahrzeug war dazu in der Lage, um in die zweite Startreihe zu fahren. Red Bull war schneller. Wir müssen jetzt schauen, wie wir unser Auto einstellen können und was da zu machen ist."

"Es kommen noch ein paar Strecken, auf denen wir zurückschlagen können. Wir hatten über viele Rennen hinweg ein sehr gutes Auto, doch wir befinden uns in einem Entwicklungsrennen. Das ist unsere Herausforderung. Doch es gefällt uns, auf eine solche Herausforderung zu reagieren."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Japan


Frage: "Ferrari wird noch ein paar Updates bringen, sagt Fernando Alonso. Hältst du trotzdem Red Bull für die größere Gefahr?"
Whitmarsh: "Im Augenblick muss man sagen: Red Bull war in Japan sehr gut in Form. Ferrari steht derzeit unter Druck durch uns und durch Red Bull. Sollten sie ein paar Updates haben, könnte sich das wieder verändern."

Frage: "Red Bull nutzt mittlerweile ein Doppel-DR-System. Ihr habt ebenfalls schon einmal an einer solchen Vorrichtung gearbeitet. Verfolgt ihr dieses Thema weiter?"
Whitmarsh: "Ich habe stets betont, dass du halt nur begrenzte Ressourcen hast. Du musst herausfinden, was dir die besten Ergebnisse beschert. Wir werden jetzt schauen, was wir noch in der Entwicklungs-Hinterhand haben. Und dann schauen wir einmal, was wir schnellstmöglich einsetzen können."

Frage: "Zurück zum Renngeschehen: Was sagst du dazu, wie sich Sergio Perez, dein neuer Fahrer, mit Lewis Hamilton, der das Team verlässt, angelegt hat?"
Whitmarsh: "Das war ziemlich gewagt. Das erste Manöver war ziemlich gut, das zweite Manöver war weniger gut (lacht; Anm. d. Red.). Ich glaube, Sergio ist ein Fahrer, der etwas tun und auf der Strecke kämpfen will. Er ist ein Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss. Das ist eine interessante Aufgabe."

Frage: "Wie ist es um die Situation mit dem Getriebe bestellt? Hattet ihr bei Jenson Button gewisse Sorgen?"
Whitmarsh: "Die Ingenieure würden mich am liebsten abmurksen, wenn ich sage, was meine Vermutung ist. Ich denke, beim Boxenstopp kam es zu einem kleinen Feuer an den Bremsen am rechten Hinterrad."

"Dort wurde es sehr heiß. Vielleicht hatten wir da ein paar Trümmerteile in der Luftzuführung. Das könnte einige Sensoren in diesem Bereich zerstört haben. Nach ein paar Runden kühlte sich das Auto dort aber wieder ab und die Sensoren wurden wieder aktiv. 'Getriebeproblem' ist aber sicher nicht das Wort, das du am Funk hören willst."

"Beim zweiten Boxenstopp schien sich das noch einmal zu wiederholen, doch danach war Jenson nicht im Verkehr. Das Auto kühlte sich also herunter. Es gab ein Problem beim Schalten, doch das ging wahrscheinlich auf die überhitzten Sensoren zurück."

Frage: "Lewis Hamilton meint, im kommenden Jahr vielleicht keine Titelchance mit Mercedes zu haben. Stimmst du zu? Und was rechnest du dir mit deinem Team aus?"
Whitmarsh: "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, im kommenden Jahr um den Titel zu kämpfen. Lewis weiß wahrscheinlich mehr darüber, was bei Mercedes vorgeht als ich. Sie sind ein großes Team mit großen Ressourcen. Wir unterschätzen niemanden. Die Entwicklung am neuen Auto schreitet gut voran. Wir haben vor, damit ab dem ersten Rennen konkurrenzfähig zu sein."