Whitmarsch: "Wollen eine breite Fanbasis erreichen"
Martin Whitmarsh über die Vorbereitung bei McLaren, die Erwartungen an die Fahrerpaarung und die Pläne der FOTA, deren neuer Vorsitzender er ist
(Motorsport-Total.com) - Am kommenden Freitag ist es soweit: Dann enthüllen die beiden Weltmeister Jenson Button und Lewis Hamilton ihren neuen McLaren-Boliden. Im ausführlichen Teaminterview spricht Teamchef Martin Whitmarsch über die Arbeit am MP4-25, über seine rasante Fahrerpaarung und mögliche Auswirkungen des neuen Reglements.

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Martin Whitmarsh ist sicher, dass er seine beiden Weltmeister im Griff haben wird
Whitmarsh ist kürzlich auch als Nachfolger von Luca di Montezemolo zum neuen Vorsitzenden der Teamvereinigung FOTA gewählt worden. Deshalb spricht er auch über die Pläne der FOTA, von Gemeinschaftspräsentationen über weitere Fanumfragen bishin zu neuen Herausforderungen in Sachen Umweltschutz.#w1#
Frage: "Wie geht die Arbeit mit dem 2010er-Auto voran? Wie sehen die Testpläne aus?"
Martin Whitmarsh: "Durch den Wegfall der Januar-Tests hat sich unser Zeitplan zu einem gewissen Grad entzerrt, aber wir arbeiten im McLaren Technology Centre trotzdem weiter so hart wie immer. Wir werden das Auto am 29. Januar bei Vodafone UK in Newbury präsentieren und ab dem 1. Februar mit dem MP4-25 am ersten Test in Valencia teilnehmen."

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Der bisherige Testfahrer Pedro de la Rosa wird Stammfahrer bei Sauber Zoom
"Dass Pedro de la Rosa sich entschieden hat, bei Sauber zu unterschreiben, wird natürlich ein bisschen Einfluss auf unser Testprogramm haben. Aber wir werden damit zurechtkommen. Wir freuen uns, dass Pedro für 2010 ein Renncockpit hat. Er war ein wesentlicher Bestandteil unseres Teams und ist vor allem ein sehr geschätzter Freund von uns allen."
"Wie es bei den meisten Teams inzwischen üblich ist, wird es bei den ersten Tests darum gehen, eine Leistungsbasis zu finden, damit die Ingenieure und Mechaniker das Auto kennenlernen und feststellen können, wie sich die neuen Regeln auswirken. Und wie in den vergangenen Jahren werden wir dann zu einem der späteren Tests eine Reihe Upgrades mitbringen. Das wird dann das Auto sein, mit dem wir den Saisonauftakt bestreiten."
Frage: "Was sagen die Daten und die Simulationen bisher über die Performance des MP4-25 aus?"
Whitmarsh: "Während der Entwicklung des MP4-25 haben wir uns sehr hohe Ziele gesteckt - und ich bin sehr zufrieden damit, wie unsere Designer und Ingenieure die Entwicklung des neuen Autos angegangen sind. Das neue Reglement hatte natürlich einen Einfluss auf das Erscheinungsbild des Autos. Der größere Tank sieht markanter aus als bisher. Aber wir sind mit einigen Lösungen, die wir für das Auto gefunden haben, zufrieden. Wir sind vorsichtig optimistisch, dass wir mit den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr und vor allem dem Schwung aus der zweiten Saisonhälfte für Jenson und Lewis ein konkurrenzfähiges Auto bauen konnten."
"Ist es ein Weltmeisterauto? Es ist noch zu früh, um das zu beantworten. Wird es Rennen gewinnen? Selbstverständlich hoffen wir das. Bin ich stolz auf die harte Arbeit, die wir in das Auto stecken? Ganz bestimmt."

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Lewis Hamilton und Jenson Button sollen das Team gemeinsam voranbringen Zoom
Frage: "Im Team fahren zwei Weltmeister. Wie einfach wird es sein, Lewis und Jenson 'in den Griff zu bekommen' und sicherzustellen, dass beide zum Wohle des Teams arbeiten?"
Whitmarsh: "Ich bin, was unsere Fahrerpaarung angeht, relativ entspannt. So wie ich Lewis kenne und von dem her, was ich in der kurzen Zeit, die ich bei seinen Besuchen im MTC von Jenson kennengelernt habe, bin ich recht zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr eine stabile Fahrerpaarung haben werden, die sich gegenseitig voranbringt."
"Aber keiner von beiden wurde nur deshalb Weltmeister, weil er auf der Rennstrecke ans Limit gegangen ist. Beide haben ein Team um sich herum aufgebaut und weiterentwickelt und beide haben die Fähigkeiten ihrer Ingenieure optimal für sich nutzen können. Das ist eine Herangehensweise, zu der wir beide Fahrer ermutigen wollen, um von der Performance her im Vorteil zu sein."
"Wir haben auch ein extrem erfahrenes und fähiges Rennteam und wir denken, dass das unseren Fahrern zusätzlich entgegenkommt. Sie wissen beide, dass es in der Formel 1 2010 noch enger zugehen wird als bisher. Zusammenarbeit, Verständnis und gemeinsame Weiterentwicklung des Autos hat deshalb bei allen Priorität. Aufgrund der Testbeschränkungen und der geringen Zeit, die man am Rennwochenende auf der Strecke zur Verfügung hat, ist das der einzige Weg, um nach vorn zu kommen. Sowohl Jenson als auch Lewis ist das vollkommen klar."
"Das ist der Grund, warum ich unsere Fahrerpaarung so aufregend finde. Ich glaube wirklich, dass das der modernen Formel 1 entgegenkommt. Natürlich würden wir keinen Rennsport betreiben, wenn wir unsere Fahrer nicht 'von der Leine lassen' könnten. Aber höchste Priorität hat bei uns, ein Spitzenauto zu entwickeln."
Vor- und Nachteile des Nachtankverbots
Frage: "Die wichtigste Regeländerung für dieses Jahr ist das Nachtankverbot. Welchen Einfluss wird das auf die Rennen haben? Werden sie spannender oder werden mehr Prozessionsrennen die Folge sein?"
Whitmarsh: "Wenn man etwas ändert, ist es unvermeidbar, dass es Vor- und Nachteile gibt. Die Vorteile: Das Qualifying wird reeller, weil die Kombination aus schnellstem Fahrer und schnellstem Auto die beste Rundenzeit fährt. Die Zuschauer können verstehen, was vor sich geht. In den Rennen selbst wurde das Überholen oft durch die Strategie geplant und herbeigeführt und fand deshalb in der Boxengasse und nicht auf der Strecke statt."
"Wenn das weg fällt, haben die Piloten einen größeren Anreiz, zu überholen. Es gab in der Vergangenheit oft Situationen, in denen ein Fahrer diesen Anreiz nicht hatte, weil er wusste, dass er länger draußen bleibt und das Auto vor sich durch die Strategie beim Boxenstopp überholen wird."
"Zudem werden die Fahrer mit wenige Benzin das Qualifying bestreiten. Und wenn sie das nächste Mal im Auto sitzen, gehen sie nach einem stehenden Start mit kalten Reifen, kalten Bremsen und 160 Kilogramm Kraftstoff aggressiv in die erste Kurve. Es wird für die Fahrer nicht nur die Herausforderung sein, gut durch diese erste Kurve zu kommen, sondern auch, ihre Reifen zu schonen und mit der sich verändernden Balance des Autos umzugehen. Und es wird Fahrer geben, die damit besser umgehen können als andere."
"Das sind die Vorteile. Der Nachteil ist: Es ist möglich, dass alle Fahrer das alles gleich gut hinbekommen. Und dann haben wir einen strategischen Schachzüge verloren, den die eingefleischteren Fans gemocht haben. Hoffentlich werden die Vorteile überwiegen."
FOTA: Kosten sparen und Fans befragen
Frage: "Sie wurden zum Vorsitzenden der FOTA gewählt. Was wird die Organisation in diesem Jahr tun, um die Formel 1 zu verbessern und für die Fans interessanter zu machen?"
Whitmarsh: "Die FOTA hat sich sehr bemüht, die Kosten in der Formel 1 zu senken. Das wird dazu führen, dass die Teams besser überleben und hoffentlich auch aufblühen können. Wir hatten eine ganze Reihe von interessanten Initiativen, aber wir haben alle keinen Zauberstab. Die FOTA wird weiter Ideen und Änderungen entwickeln, aber wir können den Sport nicht über Nacht komplett umkrempeln. Wir sind uns bewusst, dass wir den Ruf des Sports aufrechterhalten und gleichzeitig die Show verbessern müssen."
"Um das zu erreichen, muss die FOTA weiter mit der FIA, der CVC und der FOM zusammenarbeiten. Und das ist ein fortwährender Prozess. Wir haben eine ganze Reihe von Ideen, Bernie ebenso. Also müssen wir zusammenarbeiten statt dass die FOTA sagt, was sie tun wird. Wir wollen weiter unseren bestmöglichen Beitrag dazu leisten, unseren Sport zu verbessern."
Frage: "Ist geplant, in dieser Saison weitere Fanumfragen zu machen?"
Whitmarsh: "Ja. Wir haben eine Fanerhebung in Auftrag gegeben, die meiner Meinung als einzige eine wirklich breite Fanbasis erfasst. Denn wir befragen auch jede Fans, die keine Hardcore-Formel-1-Fans sind. Wir müssen uns auf die Fans konzentrieren, deren Interesse für die Formel 1 relativ gering ist oder schwindet. Denn wir können aus ihnen leidenschaftlichere Fans machen."
"Durch die Umfrage, die wir im vergangenen Jahr gemacht haben, haben wir einige hilfreiche und interessante Dinge gelernt. Jetzt wollen wir ein noch größeres Spektrum an Meinungen erheben, um noch detaillierter darauf reagieren zu können. Es ist ein laufendes Projekt und wir müssen noch weiter daran arbeiten, bevor wir irgendwelche Erkenntnisse veröffentlichen können."
Gemeinschaftspräsentation: Vielleicht 2011?
Frage: "Warum hat es in diesem Jahr nicht mit der vorgeschlagenen Gemeinschaftspräsentation geklappt und was wird 2011 aus dieser Idee?"
Whitmarsh: "Wir haben sie für 2011 noch nicht diskutiert. Ursprünglich war das Problem, dass zwei oder drei der Teams ihre Autos bis zum geplanten Termin nicht fertig haben würden. Aber wir haben uns darauf verständigt, dass sie ihre alten Autos oder Showcars mit 2010er-Lackierung präsentieren können. Das schien ein akzeptabler Kompromiss zu sein."
"Aber als der Termin näher rückte, zeichnete sich ab, dass nur drei Teams ihre neuen Autos würden zeigen können. Und wir hatten das Gefühl, dass es enttäuschend sein könnte, wenn wir keine ausreichende Anzahl an 2010er-Autos präsentieren können."
"Wir haben für die kommende Saison ein neues Reglement und es wäre für manche der kleineren Teams zeitlich extrem knapp geworden, wenn sie die Fristen für eine Gemeinschaftspräsentation hätten einhalten müssen. Von daher ist es verständlich, dass wir von der Idee abgekommen sind. Wir halten es immer noch für eine gute Idee. Nun ist die Frage, ob wir es schaffen können, im nächsten Jahr eine ausreichende Zahl von neuen Autos zusammenbringen können, damit eine Gemeinschaftspräsentation zu einem interessanten Spektakel wird."
Frage: "Was tut die FOTA für den Umweltschutz?"
Whitmarsh: "Wir suchen nach Wegen, wie wir unseren Beitrag leisten können. Wir sind bereits dabei, die für 2013 geplante Einführung neuer Technologien voranzutreiben. Dazu muss viel investiert werden und man kann so etwas nicht einfach über Nacht tun."
"Die Formel 1 muss in der Zukunft effizienter werden. Deshalb müssen wir Regeln entwerfen, die dazu ermutigen, Technologien zu entwickeln, von denen nicht nur der Autimobilsektor profitiert, sondern die gesamte Gesellschaft. Wir möchten unseren Beitrag dazu leisten, genauso wie es jede Branche tun muss."
"Aber im Moment ist es ein Drahtseilakt: Wir haben viele neue Teams, die in den Sport kommen. Und sie müssen schon einige große Herausforderungen bestehen. Wenn wir ihnen auch noch eine Reihe neuer Umweltschutzvorgaben aufbürden, machen wir ihnen das Leben noch schwerer. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir in diesem Bereich in den kommenden Jahren Fortschritte machen werden."

