Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat
Für Redakteur Ruben Zimmermann sind die Fans die großen Sieger von Silverstone - Warum die Formel 1 noch lange nicht so tot ist, wie Kritiker immer behaupten
Liebe Leserinnen und Leser,
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Die britischen Fans hatten am Sonntag eine Menge Grund zum Jubeln Zoom
als Formel-1-Fan hat man es aktuell nicht immer leicht. "Das ist doch langweilig!" und "Da gewinnt doch immer gleiche!" sind wohl zwei der häufigsten Reaktionen, die man sich von seinen Mitmenschen anhören muss. Und ehrlicherweise muss man gestehen, dass die Kritik nicht immer ganz unberechtigt ist. Doch Silverstone 2019 war ein Rennen, dass uns allen wieder bewusst gemacht hat, warum wir diesen Sport lieben.
Vorweg: Mir ist klar, dass es auch nach diesem Rennen Leute geben wird, die etwas zu meckern haben. Und ja, dieses Rennen hatte einige Schönheitsfehler. Ja, am Ende hat wieder Mercedes gewonnen. Ja, das Safety-Car hat uns vermutlich um einen echten Kampf um den Sieg zwischen Valtteri Bottas und Lewis Hamilton gebracht. Aber das sind Haare in einer Suppe, die man mit der Lupe suchen muss.
Deswegen dürfen alle Nörgler an dieser Stelle gerne aufhören zu lesen und stattdessen zur Kolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" meines Kollegen Christian Nimmervoll auf unserer Schwesterseite de.motorsport.com wechseln. Alle anderen dürfen dieses Rennen mit mir zusammen noch abfeiern. Denn die Formel-1-Fans sind für mich die großen Gewinner an diesem Wochenende - aus mehreren Gründen.
Leclerc vs. Verstappen: Ein Vorgeschmack auf die Zukunft
Zum einen war das Rennen gestern einfach Werbung für den Sport. Herausgestochen ist dabei natürlich vor allem das Duell zwischen Charles Leclerc und Max Verstappen. Es war nach Spielberg bereits der zweite Kampf zwischen den beiden, bei dem man als Zuschauer die Luft mehr als einmal anhalten musste. Und die gute Nachricht ist: Es wird nicht der letzte gewesen sein. Im Gegenteil!
Verstappen vs. Leclerc - Schon im Kart!
Langfristige Prognosen in der Formel 1 sind schwer bis unmöglich. Zu viele Faktoren, die heute noch niemand kennt, spielen eine Rolle. Wer hätte zum Beispiel Ende 2006 darauf gewettet, dass Fernando Alonso keinen weiteren WM-Titel mehr gewinnen würde? Vermutlich hätten damals mehr Leute darauf gesetzt, dass er eines Tages die Rekorde von Michael Schumacher brechen würde. Heute wissen wir, dass es ganz anders kommen sollte.
Und trotzdem wage ich an dieser Stelle die Behauptung, dass Verstappen und Leclerc in den kommenden zehn bis 15 Jahren zu den Protagonisten in der Königsklasse zählen werden. Silverstone und Spielberg waren lediglich ein Vorgeschmack auf das, was wir von den beiden noch erwarten dürfen. Dazu kommen Piloten wie Lando Norris, George Russell und Co. In fahrerischer Hinsicht steht die Formel 1 vor einer rosigen Zukunft.
Tankstopps und Co.? If it ain't broke don't fix it!
Ich persönlich hoffe zudem, dass sich die Verantwortlichen der Formel 1 das Rennen gestern ganz genau angeschaut und ihre Schlüsse daraus gezogen haben. Ja, die Formel 1 muss sich 2021 ändern, die sind wir uns alle einig. Aber man kann nur hoffen, dass es dabei keine Schnellschüsse geben wird. Stichwort "Tankstopps", deren Wiedereinführung Jean Todt zuletzt ins Spiel brachte.
"If it ain't broke, don't fix it", sagt der Engländer. Und zu oft hat die Formel 1 in der Vergangenheit versucht, Dinge zu reparieren, die eigentlich funktioniert haben. Wer erinnert sich zum Beispiel noch an den grandiosen Versuch, Anfang 2016 ein neues Qualifying einzuführen ..? Silverstone war gestern ein Beweis dafür, dass es auch ohne Tankstopps geht - und gestern wohl sogar besser war.
Denn ganz ehrlich: Was wäre denn passiert? Im Zweifel wären Verstappen und Leclerc auf unterschiedlichen Strategien gewesen. Anstatt die Entscheidung auf der Rennstrecke zu suchen, hätte man sich dann womöglich nur belauert und darauf gehofft, dass man durch die bessere Strategie vorbeikommt. Von daher meine Bitte an Ross Brawn und Co.: Überlegt euch ganz genau, was ihr macht!
WM-Kampf entschieden - Na und!?
Kimi Räikkönen hat es ganz treffend erklärt. Ob ein Rennen gut ist, und ob man überholen und sich duellieren kann, das hängt vor allem von der Strecke ab. Und von daher sollten sich nicht nur die britischen Fans freuen, dass Silverstone seinen Vertrag bis 2024 verlängert hat. Alleine wegen der Show gestern sollte Liberty den Veranstaltern eigentlich noch einmal einen zusätzlichen Nachlass bei den Renngebühren gewähren.
Vermutlich könnte man an anderen Orten auf der Welt mehr Geld abgreifen. Und Orte wie Baku zeigen, dass auch neue Rennstrecken nicht unbedingt schlecht sein müssen. Aber es braucht auch Menschen, die diese mit Leben füllen. Und kaum eine Strecke bekommt das so gut hin wie Silverstone, das muss man den britischen Fans, die an diesem Wochenende die wohl allergrößten Gewinner sind, neidlos lassen.
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Für den neutralen Zuschauer mag der Sieg von Lewis Hamilton, das sagte ich zu Beginn dieser Kolumne, ein Schönheitsfehler gewesen zu sein. Für die britischen Fans an der Strecke war es dagegen das Sahnehäubchen. Regelmäßige Leser unserer Kolumne wissen, dass ich Hamilton sowieso bereits nach Kanada zum Titel gratuliert habe. Der WM-Kampf ist für mich längst entschieden.
Aber wie sagte Konfuzius einst: "Der Weg ist das Ziel!" Und wenn der Weg zu Hamiltons sechstem WM-Titel für den Zuschauer immer so viel Spaß macht wie in Silverstone, dann kann ich persönlich sehr gut damit leben.
Ihr
Ruben Zimmermann
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