• 13.04.2013 17:19

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Wenn der Spaßfaktor unter den Reifen leidet

Kaum Fahrbetrieb im Qualifying und vornehme Zurückhaltung in der Boxengasse: Selbst die Piloten beklagen den Einfluss der Pirelli-Reifen auf das Geschehen

(Motorsport-Total.com) - "Früher hat es mehr Spaß gemacht", sagt Lewis Hamilton. Und damit spricht der Mercedes-Fahrer wahrscheinlich vielen Fans aus der Seele. Denn die Qualifikation zum Großen Preis von China war alles andere als beste Unterhaltung. Viele Piloten taten nämlich nur das Allernötigste und kehrten nach je einer schnellen Runde zurück in die Boxengasse. Andere fuhren überhaupt keine Runde.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Etwas über dem Limit? Das Qualifying von Schanghai sorgt für Reifen-Gesprächsstoff Zoom

Alles, weil die Pirelli-Reifen der Formel 1 die Beteiligten zu sehr einzuschränken scheinen. McLaren-Fahrer Jenson Button brachte es nach dem Zeittraining auf den Punkt: "Die Reifen geben nur eine fliegende Runde her, also fährst du auch nur eine Runde. Versuchst du dich an einer zweiten Runde, bist du gleich mal zwei Sekunden langsamer. Fertig. Deshalb scherst du dich nicht weiter darum."

Und das, wo sich die Verantwortlichen doch immer wieder mit neuen Ansätzen und Ideen hervortun, um "die Show" auf der Strecke zu verbessern. Ein Erfolg war es beim Qualifying in Schanghai sicher nicht. Oder doch? "Ich denke, die Action ist nach wie vor vorhanden", meint Button. "Es ist doch auch interessant, dass die Strategie und unterschiedliche Taktikansätze dabei eine gewisse Rolle spielen."

Wenn die Autos lieber an der Box bleiben...

Die Frage ist nur, wie groß diese Rolle sein darf. Dass man angesichts der Reifensituation in China, wo Pirelli die Mischungen Soft und Medium anbietet, etwas über das Ziel hinausgeschossen sein könnte, würde auch Button unterschreiben. Q3 sei keine gute Werbung für den Sport gewesen, sagt er und merkt an: "Wenn drei Autos überhaupt nicht mitmachen, dann ist das natürlich ein Verlust."

Er selbst hatte in der letzten Teilsession nur eine langsame Runde gedreht, während Sebastian Vettel (Red Bull) seinen Versuch abbrach und Nico Hülkenberg (Sauber) gleich ganz an der Box blieb. Übrig blieben sieben Autos, die die vorderen Startplätze unter sich ausmachten. Auch zuvor hatte sich der Fahrbetrieb in Grenzen gehalten: In Q1 legten zwölf von 22 Autos jeweils nur drei Runden zurück.

"Wenn drei Autos überhaupt nicht mitmachen, dann ist das natürlich ein Verlust." Jenson Button

Was auch McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh ins Grübeln brachte. Die Qualifikation habe sich in der Tat "etwas seltsam" gestaltet, meint er. "Die Reifen haben einiges an Show gekostet. Und das Ergebnis sind Umstände, wie wir sie in Schanghai erlebt haben. Die Zuschauer würden es sicher vorziehen, dass zehn Autos auf die Strecke gehen und mit schnellen Runden um die Pole fahren."

Muss die Qualifikation modifiziert werden?

Ist eine Änderung am Qualifying-System vonnöten, um der Situation Herr zu werden? Whitmarsh verneint: "Ich glaube nicht." In den vergangen Jahren habe man sehr oft am Modus herumgespielt. "Damit haben wir nicht nur uns selbst, sondern auch die Fans verwirrt. Was wir jetzt haben, ist grundsätzlich gut, weil spannend. Wir hatten hier in Schanghai nur eine ungewöhnliche Session."

Nur deshalb eine Änderung fordern, sei falsch, meint Whitmarsh. "Unterm Strich ist ja das Rennen das Spektakel, auf das wir uns konzentrieren sollten. Ich sage nicht, dass diese Qualifikation perfekt ist. Das Rennen wird aber sicher aufregend, wenn man die unterschiedlichen Strategien bedenkt, die schon im Qualifying gezeigt wurden." Das Rennen beginnt also gewissermaßen schon am Samstag.

Wenn man der Qualifikation von Schanghai "etwas Positives" abgewinnen wolle, so sei es dieser Umstand, sagt Button. "Im Rennen am Sonntag gibt es sieben Autos, die mit körnenden Reifen an den Start gehen. Diese Pneus halten sicher nicht sehr lange. Hinter ihnen kommen dann aber Fahrzeuge mit fast neuen Reifen, die sich nach vorn arbeiten wollen. Das hilft dem Rennen."

Mehr Action in den ersten Runden?

In den ersten Runden ("Da sieht man ja gern mal einen schönen Zweikampf") werde man als Fan vor dem Fernseher sicher viel Freude haben, auch wenn die Reifensituation "natürlich schlecht" sei für das Zeittraining, so der Weltmeister von 2009. Wie aussagekräftig ist die Qualifikation dann überhaupt noch? "Schwer zu sagen", erklärt Formel-1-Neuling Valtteri Bottas vom britischen Williams-Team.

Er klagt: "Heute hängt so viel von der jeweiligen Strategie ab." Immerhin könne man sich als Fahrer trotzdem noch mit seinem Teamkollegen vergleichen, weil man ja das gleiche Auto pilotiere. Generell sei ein Qualifying-Ergebnis aber "schwer zu beurteilen". Oder wie es Whitmarsh im Hinblick auf die McLaren-Strategie in Schanghai ausdrückt: "Es ist alles nur eine Konsequenz dieser Reifen."

"Es ist alles nur eine Konsequenz dieser Reifen." Martin Whitmarsh

Jedem Fahrer steht in der Formel 1 schließlich nur eine begrenzte Stückzahl zur Verfügung. Dass der weiche Pneu in China so rasch nachlasse, verschärfe die Situation zusätzlich, sagt Whitmarsh. Und ein Wunschkonzern ist die Formel 1 halt nicht. Aber muss sie das sein? Fernando Alonso (Ferrari) zuckt mit den Schultern und sagt: "Mir haben die V10-Motoren damals auch mehr Spaß gemacht..."