Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!
Wendlinger: "Autos wie Missgeburten"
Ex-Formel-1-Pilot Karl Wendlinger analysiert im Interview die Saison 2008 mit ihren umstrittenen Entscheidungen und er blickt auch in die Zukunft
(Motorsport-Total.com) - Karl Wendlinger, heute in der FIA-GT-Serie aktiv, gehört zu den Überlebenden der tragischen Formel-1-Saison 1994, die Ayrton Senna und Roland Ratzenberger das Leben gekostet hat. Zwei Wochen nach seinen beiden Kollegen verunfallte der Österreicher in der Hafenschikane in Monaco schwer, doch wie durch ein Wunder wachte er aus dem wochenlangen Koma wieder auf.

© xpb.cc
Karl Wendlinger versteht so manche Entscheidung der Rennkommissare nicht
Ende 1994 kehrte er noch einmal in die Formel 1 zurück, doch die Saison 1995 konnte er nicht mehr zu Ende fahren. Seither hat sich Wendlinger in der Sportwagenszene einen Namen gemacht - und heute gehört er mit seinem Jetalliance-Team zu den großen Namen der FIA-GT-Serie. Die Formel 1 verfolgt er aber natürlich weiterhin gespannt, sodass er zur Saison 2008 im Interview auch einiges zu sagen hatte.#w1#
Kritik an den Strafen der Rennkommissare
Frage: "Karl, was sagst du zu diesen vielen Strafen, die dieses Jahr in der Formel 1 verhängt wurden. So etwas gab es in deiner Zeit nicht, oder?"
Karl Wendlinger: "Meine Zeit ist zwar schon recht lange her, aber so etwas hat es damals nicht gegeben. Für mich ist das zum Teil ein echter Witz! Diese vielen Strafen sind einfach nur ein Witz!"
Frage: "Man will ja, dass die Piloten gegeneinander kämpfen, nicht wahr?"
Wendlinger: "Ja, was auch immer. Der erste Witz war in Spa die Bestrafung von Lewis Hamilton - der war deutlich schneller. Oder Sébastien Bourdais - der kann sich doch nicht in Luft auflösen. In dem Fall hätte meiner Meinung nach Felipe Massa aufpassen müssen - für diese Kollision hätte Massa eine Strafe erhalten müssen und nicht Bourdais. Und dann gab es in diesem Jahr noch ein paar andere Dinge - sehr eigenartig, ja."
Frage: "Wäre es da nicht besser, einen fixen Rennkommissar dabei zu haben - womöglich einen, der schon einmal Formel-1-Rennen gefahren ist?"
Wendlinger: "Das wäre die beste Lösung. Nur muss der dann komplett unabhängige Entscheidungen treffen dürfen - und ob das in der großen Organisation Formel 1 möglich ist? Ich weiß es nicht."
Frage: "Wenn es zum Beispiel du machen würdest? Du wärst doch dann unparteiisch, nehme ich an..."
Wendlinger: "Ich wäre unparteiisch, aber wer weiß? Ich könnte vielleicht auch parteiisch sein. Vielleicht würde ich mit der Zeit parteiisch werden..."
Frage: "Du meinst, wenn du den Job machen würdest, würde man irgendwann zu dir kommen und sagen: 'Hey Karl, wir müssen in die WM eingreifen!'"
Wendlinger: "Nein, das nicht. Das würde ich so nicht sagen. Aber es ist sicher so, dass ein ehemaliger aktiver Formel-1-Pilot die Lage besser einschätzen kann als ein Kommissar."
Frage: "Es könnten ja auch drei Ex-Piloten sein, es gibt ja genug..."
Wendlinger: "Das ist richtig. Manche Entscheidungen waren dieses Jahr einfach nicht in Ordnung."
Frage: "Lewis Hamilton ist Weltmeister. Was sagst du dazu?"
Wendlinger: "Mit der Leistung, die er dieses Jahr brachte, hat er den Titel ganz sicher verdient."
Wendlinger begrüßt aerodynamische Abrüstung
Frage: "Kurzer Blick in die Zukunft: Die Boliden werden aerodynamisch stark abgerüstet. Diese Boliden erinnern ein bisschen an die Autos, die du gefahren bist, zum Beispiel an deinen grünen March..."
Wendlinger: "Was ich auf jeden Fall gut finde, ist, dass die ganzen Geweihe, Winglets und Flaps und der ganze restliche Käse verschwinden müssen. Weil die Autos haben zum Schluss ja schon ausgesehen wie Missgeburten. Obwohl es sicher gute und schnelle Autos sind, schneller denn je. Aber ich finde es sehr gut, dass diese ganzen Schnörkel verschwinden und die Autos wieder eine klare Linie erhalten."
Frage: "Die Slicks werden wieder eingeführt."
Wendlinger: "Ja, auch. Sie nehmen sehr viel Downforce weg, die Autos werden so noch schneller. Und ob das der Stein des Weisen ist, das weiß ich nicht, denn auf den Geraden müssten sie mit weniger Downforce ja viel schneller sein."
Frage: "Edi Nikolic, der Manager von Nachwuchsfahrer Norbert Siedler, meint, die Autos sind gemessen an dem Maß an Downforce, das sie haben, eigentlich untermotorisiert. Seiner Meinung nach könnte man ruhig wieder 1.000-PS-Motoren haben..."
Wendlinger: "Ja, nur geht es darum nicht. Was die FIA schon seit Jahren versucht, ist, die Autos langsamer zu machen. Dass sie beim Langsamermachen mit dem Tempo der Ingenieure nicht mithalten können, ist wiederum etwas anderes. Nur wenn du jetzt dieses Maß an Downforce hast und dazu die Slicks und 1.000 PS - das wird irgendwann einmal extrem gefährlich und unfahrbar und letztlich schlecht für den Motorsport."
Frage: "Was hältst du von der Idee, dass man die Frontflügel vom Cockpit aus verstellen kann?"
Wendlinger: "Früher hat es immer geheißen, dass diese Lösung verboten und einfach zu gefährlich ist - damit hat es in den 60er-Jahren die schwersten Unfälle gegeben. Ich weiß nicht, ob sie es mittlerweile ausschließen können, dass da nichts passiert."
Frage: "Angeblich..."
Wendlinger: "Stell dir vor: Du möchtest anbremsen, du denkst, der Flügel ist angestellt - aber dann ist der Flügel versehentlich nicht rauf gegangen und du schaust blöd aus der Wäsche. Also da ist sicher wieder ein Gefahrenherd dabei, aber sie werden sich das schon gut überlegt haben. Denkt man zumindest..."

