• 29.07.2010 18:55

  • von Michael Noir Trawniczek

Webber: "Wir müssen alle schlagen"

Red-Bull-Fahrer Mark Webber über die Probleme aus Hockenheim, neue Rivalen an der Spitze, den Rückstand auf McLaren und die Teamorder bei Rot

(Motorsport-Total.com) - Für Mark Webber verlief das Wochenende in Deutschland alles andere als nach Plan: Erst musste sich der australische Rennfahrer in der Qualifikation auf dem zweiten Rang einsortieren, dann streikte das Ölsystem seines RB6-Boliden, sodass Webber nicht allzu aggressiv fahren konnte. Eben dies will der 33-Jährige am Hungaroring nachholen, denn für das Rennen bei Budapest rechnet sich Webber gute Chancen aus. In seiner Medienrunde spricht er aber auch über die Stallregie im Ferrari-Team.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber geht zuversichtlich in das Wochenende von Ungarn und will siegen

Frage: "Mark, in Deutschland gab es Probleme an deinem Motor. Wie viele Kopfschmerzen bereitet dir das vor dem Ungarn-Rennen?"
Mark Webber: "Überhaupt keine. Wir sind sehr zufrieden mit dem Zustand, den der Motor nach dem Rennen hatte. Die Ölanalyse brachte gute Ergebnisse mit sich."#w1#

"Wir hatten Glück, dass wir das Rennen ohne größere Probleme zu Ende bringen konnten. Nach der Zieldurchfahrt bemühten wir uns, das Aggregat möglichst rasch abzustellen. Noch während der Fahrt taten wir alles in unserer Macht Stehende, um sicherzustellen, dass wir keine Schwierigkeiten mit der Ölversorgung bekommen würden."


Fotos: Mark Webber, Großer Preis von Deutschland


Webber in Hockenheim: Das Ölsystem war schuld

Frage: "Was genau war das Problem?"
Webber: "Das Nachfüllsystem für das Öl hat nicht richtig funktioniert. Der Verbrauch hat daher nicht gepasst und wir mussten die Sache anders lösen. Wir haben das Problem ausgemacht und konnten es beheben."

Frage: "Wie verlief das Rennen aus deiner Sicht? Bist du zufrieden mit dem Rennverlauf?"
Webber: "Zum ersten Mal seit dem Saisonauftakt stand ich nicht in der ersten Startreihe, weil mir in Q3 ein Fehler unterlaufen war. Wenn du dich aber 'nur' für Position vier qualifizierst, sehen dich die Leute schon gar nicht mehr."

"Den ersten Rennabschnitt bestritt ich in der Nähe von Lewis. Bestreitest du diese Phase eines Rennens auf den Positionen vier, fünf oder sechs, ist es sehr schwierig, noch ein Podium zu erzielen - wenn es nicht gerade eine Safety-Car-Phase gibt oder andere plötzliche Vorkommnisse."

"Wenn du dich 'nur' für Position vier qualifizierst, sehen dich die Leute schon gar nicht mehr." Mark Webber

"Ich war zufrieden damit, noch ein paar Punkte zu holen. Glücklicherweise hatte ich an einem Wochenende ein paar technische Probleme, an dem ich ohnehin nicht siegfähig war. Wäre mir das in Barcelona, Monaco oder Silverstone widerfahren, wäre das sehr enttäuschend für mich gewesen."

"Ohne diese Schwierigkeiten hätte ich die McLaren-Autos sicherlich deutlich mehr unter Druck setzen können. Damit hätten die beiden nicht so leichtes Spiel gehabt - zumal mich Jenson beim Boxenstopp überholte. Ich denke, man darf schon mal ein Wochenende haben, an dem es einfach nicht läuft."¿pbvin|512|2970|ungarn|0|1pb¿

Ist Teamorder tragbar oder nicht?

Frage: "Das Rennen in Hockenheim wurde von der Teamorder bei Ferrari überschattet. Wie stehst du zu diesem Thema: Sollten die Regeln aufgeweicht und Stallregie erlaubt werden oder müsste es noch engere Regeln geben, um Teamorder zu verhindern?"
Webber: "Es ist sehr, sehr schwierig, eine Stallregie zu überwachen. Solche Dinge praktiziert man schon seit 40 Jahren in diesem Sport."

"Es wird auch in Zukunft wieder passieren. So ist es nun einmal. Bei Teams mit zwei, drei oder vier Autos wird es auf gewissen Strecken, zu gewissen Phasen der Saison und in bestimmten Situationen eben ein Fahrzeug geben, dessen Position vom Team beeinflusst werden kann. Dann wird das Team eingreifen."

"Es wird auch in Zukunft wieder passieren. So ist es nun einmal." Mark Webber

"Das ist besser als einen absichtlich schlechten Boxenstopp herbeizuführen - oder was auch immer. Du kannst wirklich vieles unternehmen, um es zu vertuschen. Es ist also fast unmöglich eine Regel zu haben, die besagt, dass es in einem Rennen keine Teamorder geben darf."

Frage: "Du würdest in dieser Sache also lieber ein klar ersichtliches Manöver bevorzugen als einen manipulierten Boxenstopp?"
Webber: "Ja, das wäre mir wesentlich lieber. Wenn es im Interesse des Teams ist, sollte man das nicht heimlich machen müssen."

"In diesem Fall hat das angesprochene Team das bestmögliche Ergebnis erzielt. Dabei ging es um den Sieg, also war es eine spezielle Geschichte. Das ist aber schon so oft passiert. Wer glaubt, dass so etwas zum ersten Mal praktiziert wurde, ist ein Träumer."

Frage: "Viele Stimmen werfen Ferrari eine dumme Vorgehensweise vor und meinen, das Team hätte einfach nur dilettantisch agiert..."
Webber: "War es zu offen? Nun ja. Es hätte viele andere Möglichkeiten gegeben, doch sie haben zum Beispiel nichts am Boxenstopp gedreht."

"War es zu offen? Nun ja. Es hätte viele andere Möglichkeiten gegeben..." Mark Webber

"Sie haben Felipe eben die Chance gegeben, den Grand Prix zu gewinnen - bis zu dem Punkt, an dem er sich nicht von Fernando absetzen konnte. Es gibt wohl eine Übereinkunft im Team, wonach das schnellere Auto das Rennen gewinnen soll. Und so war es auch: Der schnellere Rennwagen hat an diesem Tag das Rennen gewonnen."

Hatte Felipe Massa eine faire Chance auf den Sieg?

Frage: "Würdest du gleich handeln, wenn du dich - wie Felipe - in einer solchen Situation wiederfinden würdest? Vor wenigen Wochen hast du noch gemeint: 'Nicht schlecht für einen Nummer-2-Fahrer'..."
Webber: "Ich denke, wir reden hier von unterschiedlichen Ausgangslagen. Felipe hatte meiner Meinung nach sehr harte, aber unglaubliche acht Monate. Er hat sich nach seinem schweren Unfall wieder zurückgekämpft."

"Er hatte keinen wirklich brillanten Saisonstart, wird in der zweiten Hälfte des Jahres aber sicherlich stark auftreten - und auch 2011. Er hat eine schwierige Situation erfolgreich hinter sich gebracht. Felipe ist schon lange bei Ferrari und fühlt sich dort augenscheinlich recht wohl. Er wird dort auch künftig ins Lenkrad greifen."

"Er hat eine schwierige Situation erfolgreich hinter sich gebracht." Mark Webber

"Er muss sich für den Augenblick bereit halten, wenn er wieder vollkommen da ist. Natürlich war er schon jetzt wieder bei einhundert Prozent. Ich denke, er kann in diesem Jahr, spätestens aber 2011 wieder einige Rennen gewinnen. Er kann auch in Ungarn siegen. Ich glaube fest an seine Chance."

"Wenn er nur schnell genug ist, um einen Abstand herauszufahren, dann wird er das Rennen gewinnen. Diese Möglichkeit hatte er auch in Hockenheim. Dort hatte Felipe einen unglaublich guten ersten Stint. Der zweite Stint war anschließend wohl nicht gut genug, um einem Platztausch zu entgehen. Ich rechne damit, dass er mit jedem weiteren Rennen noch stärker wird."

Frage: "Stellt das Teamduell bei Ferrari einen Vorteil für Red Bull dar?"
Webber: "Ich sehe nicht, dass es bei Ferrari irgendwelche Probleme gibt. Dieses Team hatte einen schwierigen Saisonstart, denn es sind gleich sehr viele Dinge passiert."

"Nun hatten sie endlich einmal ein fantastisches Wochenende, das sie mit einem Ergebnis beschließen konnten, welches sie sich redlich verdient hatten. Es war ein sauberer Doppelsieg, bei dem sie nicht von den Problemen anderer Teams profitierten. Von der reinen Leistung her sind sie in sehr guter Verfassung. Ich glaube nicht, dass es teamintern irgendwelche Schwierigkeiten gibt, aus denen wir Kapital schlagen könnten."

"Es war ein sauberer Doppelsieg, bei dem sie nicht von den Problemen anderer Teams profitierten." Mark Webber

Frage: "Sebastian und du gehen punktgleich in das Ungarn-Rennen..."
Webber: "...doch ich habe mehr Siege auf dem Konto. Ich werde versuchen, meinen Vorsprung in dieser Rangliste auszubauen: Ich peile den Sieg an. Ansonsten ist es bisher sehr ausgeglichen zwischen uns gewesen."

"Ich glaube, er hat eine Pole-Position mehr und wir standen exakt gleich oft auf dem Podium. In Ungarn geht es für uns darum, ein gutes Ergebnis für das Team einzufahren. Wir müssen den Abstand auf McLaren verkürzen. McLaren ist es gelungen, eine Lücke aufzubauen. Diese müssen wir nun schließen - an diesem Wochenende."

Red Bull in Ungarn: Der Sieg ist das Ziel

Frage: "Rechnest du damit, dass Ferrari auch in Budapest euer schärfster Rivale ist oder ist das streckenabhängig und McLaren ist wieder da?"
Webber: "Wir hatten gerade ein Wochenende, an dem McLaren in Bezug auf die reine Leistung nicht gerade topp unterwegs war."

"Sie haben zwar Punkte geholt, doch da gab es eben auch noch ein anderes Team, das richtig stark war - Ferrari. Es gibt nun also mehr Gäste bei der Party. Das ist doch toll für die schreibende Zunft und auch für uns ist das interessant, denn nun kämpfen wir mit mehreren Teams. Es gibt einige Fahrer, die Rennen gewinnen können."

"Es gibt nun also mehr Gäste bei der Party..." Mark Webber

Frage: "Werdet ihr euch in Ungarn auf McLaren konzentrieren und Ferrari möglicherweise gewähren lassen, weil sie schon weit zurückliegen?"
Webber: "Wir müssen noch immer jeden einzelnen im Feld schlagen. Wir können es uns nicht leisten, Punkte zu verschenken, indem wir Ferrari ziehen lassen."

"Nur auf McLaren können wir uns nicht konzentrieren. Wir müssen alle schlagen - und genau das haben wir an diesem Wochenende auch vor. Wir wollen ein ordentliches Wochenende haben und möglichst viele Punkte abgreifen. Das beinhaltet natürlich, dass wir gerne vor Ferrari und McLaren ins Ziel kommen möchten."

Frage: "Red Bull hat etwas Zeit gebraucht, um den F-Schacht zu übernehmen, McLaren hat etwas Zeit gebraucht, um den angeströmten Diffusor einzubauen. Wer hat dabei den Kürzeren gezogen?"
Webber: "Technisch gesehen sind das beides sehr große Herausforderungen. Wir hätten den F-Schacht, wie wir ihn aktuell am Auto haben, schon gerne so in der Türkei eingesetzt. Das Rennen wäre vollkommen anders verlaufen."

"So war es aber nicht und McLaren war damals diesbezüglich besser aufgestellt als wir. Auf der anderen Seite hatten wir von Anfang an den angeströmten Diffusor. Solche Themen werden insgesamt etwas aufgebauscht. Wir hätten in diesem Jahr auch ohne den angeströmten Diffusor Rennen gewinnen können."

"Wir hätten in diesem Jahr auch ohne den angeströmten Diffusor Rennen gewinnen können." Mark Webber

"Das ist ja nicht der einzige Vorzug unseres Autos. Die Jungs haben beim gesamten Paket wirklich fantastische Arbeit geleistet. Der Diffusor ist nur ein Teil davon, das uns eine Hilfe ist. In Barcelona und Monaco - Silverstone war eine etwas härtere Nummer - hätten wir sicherlich auch mit einem normalen Diffusor gewinnen können. Davon bin ich überzeugt."