Webber: Anfängerfehler und offene Türen
Der Nürburgring-Sieger im Teaminterview über die kleinen Feierlichkeiten, die Überraschungen, Australiens Presse und die Hilfe in seiner Karriere
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Mark, sonnst du dich zwei Tage nach deinem Erfolg noch im Lichte dessen, was du erreicht hast?"
Mark Webber: "Absolut. Das war ein ganz besonderer Tag. Für mich war das sehr schön, dabei wurde fast die Tatsache vergessen, dass es ein weiterer Doppelsieg für das Team war. Auch das war sehr wichtig. Wir haben aus den vergangenen Rennen das Beste gemacht, wir hätten es nicht besser machen können. Ich hatte schon zwei zweite Plätze, der Schwung war also da. Nun kam der erste Sieg. Es ist toll, das endlich geschafft zu haben."
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Mark Webber: Endlich gehört auch ein Siegerpokal zur Privatsammlung
Frage: "Am Samstag, nach deiner Pole-Position, sagtest du, dass du dieses Manko endlich ausbügeln willst. Ist aus dieser Sicht die Erleichterung fast größer als das Erreichte?"
Webber: "Vielleicht stimmt das. Ich bin viele Rennen gefahren und hatte keine Chance auf den Sieg, weil das Auto dazu nicht in der Lage war. Zudem war da noch ein Kerl namens Michael Schumacher unterwegs. In dieser Zeit musstest du in einem Ferrari oder McLaren sitzen. Nun herrscht eine neue Ära in der Formel 1, es sind andere Teams vorn dabei. Ich bin sehr froh, mit Red Bull Racing in der Position zu sein, um um Podestplätze und Siege bei jedem Grand Prix zu kämpfen, solange wir es richtig anstellen."#w1#
Frage: "Du hattest vor dem Rennen fast 100 Kurznachrichten auf dem Handy, in denen dir Glück gewünscht wurde. Hat das den Druck noch erhöht?"
Webber: "80 oder 90 Nachrichten hatte ich nach dem Qualifying, 160 nach dem Rennen. Ich wusste gar nicht, dass so viele Leute meine Nummer haben. Ich muss gestehen, dass ich vor dem Rennen sehr entspannt war. Ich hoffte darauf, dass es trocken bleiben würde, so würden weniger Entscheidungen anfallen. Wir spürten schon, dass wir Brawn in der Tasche hatten. Mein richtiger Gegner würde irgendwann im Rennen Sebastian (Vettel) werden. Das Rennen wurde dann recht schnell hektisch. Heikki (Kovalainen) steckte mittendrin, ich bekam die Durchfahrtsstrafe. Aber nach Runde 40 wusste ich, dass ich nur auf der Bahn bleiben und das Auto nach Hause bringen musste."
Der Kampf mit der Zeitverschiebung
Frage: "Auch einige andere Fahrer, Nigel Mansell und Mika Häkkinen zum Beispiel, haben lange für den ersten Sieg gebraucht. Danach aber waren sie nicht mehr aufzuhalten. Natürlich hatten sie gute Autos, aber glaubst du, dass so etwas die Tür öffnet und das Siegen danach einfacher wird?"
Webber: "Ich habe nun die unerforschten Gewässer der Pole-Position und des Sieges überquert, das kann ja nur helfen. Also zumindest ist das kein Nachteil. Zum ersten Mal war ich der Führende und nicht der Jäger. Ich hoffe, dass ich das fortsetzen kann, auch wenn die kommenden Rennen zweifelsohne schwierig werden. Der Sieg bedeutet aber auch, dass die Rennen für mich etwas geradliniger verlaufen könnten, wenn es eng wird."
Frage: "Du bist gleich nach Hause geflogen. Habt ihr noch etwas gefeiert?"
Webber: "Da habe ich einen Anfängerfehler gemacht. Wir kamen Sonntagnacht nach England zurück. Der Nachteil davon war, dass Australien da gerade erwachte. Ich hatte also die europäische Presse versorgt, dann kam die aus meinem Heimatkontinent an die Reihe. Ich war von neun Uhr abends bis zwei Uhr morgens gut beschäftigt, weil mir so viele Leute gratulieren wollten. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, mein Handy abzustellen, also hatte ich nur wenig Schlaf."
Frage: "Am Montag warst du in der Teambasis von Red Bull. Welcher Empfang wurde dir da bereitet?"
Webber: "Das war unglaublich. Als Einleitung spielten sie den Funkverkehr ab, als ich die Linie überquerte. Ich wusste gar nicht, wie lange ich geschrien hatte. Der Empfang war unglaublich. Es sind immer noch viele dabei, mit denen ich schon bei Jaguar arbeitete. Wir haben zusammen viel durchgemacht. Es sind auch viele Leute dabei, die noch nicht lange in der Formel 1 sind. Sind stehen am Beginn einer unglaublichen Reise."
"Als Team, als Gruppe von Leuten - einschließlich der bei Renault -, mit allem was Dietrich (Mateschitz, Red-Bull-Chef; Anm. d. Red.) getan hat, mit dem, was Adrian (Newey, Chefdesigner; Anm. d. Red.) und seine Gruppe und Christian (Horner, Teamchef; Anm. d. Red.) gemacht haben, konnten wir den Pfad zum Erfolg bestreiten. Die vergangenen Jahre waren sicher schwierig, aber wir haben das Beste aus den neuen Regeln gemacht und gezeigt, dass wir als Team an der Spitze kämpfen können. Wir wissen, dass in dieser Saison noch einige Kämpfe mit anderen Teams anstehen werden. Aber darum geht es in diesem Sport und wir sind bereit dafür."
Endlich die Hymne hören
Frage: "Am Montagabend gab es noch ein Abendessen mit dem australischen Cricket-Testteam. Was ist da alles passiert?"
Webber: "Ricky Ponting (Kapitän der australischen Cricket-Mannschaft; Anm. d. Red.) veranstaltete ein Abendessen für seine Wohltätigkeitsorganisation. Das war toll. Er war so nett und gab Ann (Webbers Lebensgefährtin; Anm. d. Red.) und mir einen schönen Tisch. Es war toll, den Abend mit meinen Cricket-Helden zu verbringen. Es waren mehr als tausend Leute da. Sie stellten mich in den Mittelpunkt, das war schön. Die Reaktion der Engländer war dabei ebenso schön wie die der Australier."
Frage: "Aus Australien gab es auch tolle Reaktionen. Das ganze Land ist schon ziemlich verrückt nach Sport, nicht wahr?"
Webber: "Es dauert ein bisschen, bis man dort auf den Titelseiten der Zeitungen ist. Aber ich habe es geschafft und das ist toll. Aber es stimmt, wenn ein Sportler oder eine Sportlerin aus Australien etwas erreicht hat, dann wird das auch registriert."
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Auf diese Dusche musste Mark Webber lange warten Zoom
Frage: "Am Wochenende wurde auch viel von Jack Brabham gesprochen. Hast du nach dem Rennen etwas von ihm gehört?"
Webber: "Ich habe eine E-Mail von ihm und seinem Sohn, David, bekommen. Die Brabham-Familie war immer fantastisch mir gegenüber. Vor 15 Jahren hat mir Jack erzählt, dass er es immer toll fand, diese Europäer zu schlagen - wobei er es nicht so diplomatisch ausgedrückt hatte. Ein kleiner Teil dieses Sieges gehört auch Jack, denn mein Vater war ein großer Bewunderer von ihm und hätte mit dem Rennsport wohl nicht begonnen, wenn Jack nicht eine kleine Flamme dafür in der Webber-Familie entfacht hätte."
Frage: "In der Auslaufrunde hörte es sich fast so an, als hättest du Tränen in den Augen gehabt. Kannst du dich erinnern, was dir durch den Kopf ging, als du zurück in den Parc Fermé fuhrst?"
Webber: "Es gab zwei Hauptgedanken: Ich wollte mein Team sehen, das ist immer das Erste, das man möchte. Der andere Gedanke war, dass ich die Hymne Australiens hören wollte."
Frage: "Vor dem Rennen hast du gesagt, dass es wohl dein längstes Rennen werden würde, wenn du in Führung liegst. War das so, oder passierte im Rennen mit den Kollisionen und der Strafe so viel?"
Webber: "Es war alles recht normal, es zog sich nicht sonderlich hin. Vielleicht zwischen den Runden 40 und 47, als es dunkler wurde und ich mir dachte: 'Mist, jetzt beginnt es auch noch zu regnen!' Ich wollte etwas vorspulen, denn diese Entscheidungen wollte ich nicht treffen. Die letzten zehn Runden waren dann nicht sonderlich lang. Ich war überrascht, wie entspannt ich war. Ich habe das Rennen bis zum Fallen der Flagge kontrolliert."
Frage: "Zwischen dir und deinem Teamkollegen liegen gerade einmal eineinhalb Punkte. Wie werdet ihr beide damit umgehen?"
Webber: "Das Gute ist, dass alles furchtbar einfach ist. Wir Fahrer und das Team müssen es einfach so gut es geht machen. Wir wissen, wie wichtig das Qualifying am Samstag ist. Es kann sein, dass dieser Teil des Wochenendes für Sebastian oder mich einmal nicht so glattläuft. Hinzukommen ja noch die anderen Gegner. Die Entscheidung fällt ja nicht nur zwischen uns beiden. Wir beide können uns in den Rennen etwas in die Quere kommen, das wird sich auch in den Punkten niederschlagen. Es wird weiter hin- und herpendeln, bis einer von uns eine besondere Leistung bringt. Es ist unrealistisch, dass wir bis zum Ende der Saison Doppelsiege einfahren. Es werden noch interessante Grands Prix kommen."
"Für das Team ist die Situation interessant, beide Fahrer mit fast gleichen Punkten zu haben. Für die Herstellerwertung ist das sehr gut. In der Fahrerwertung ist Jenson Button unsere große Hürde. Von den Punkten her liegt er zwei Grands Prix in Führung."
Frage: "Dein Vater hat nach dem Sieg davon gesprochen, dass es der größte Tag in seinem Leben sei. Nur um danach anzufügen, dass er doch gleichbedeutend mit einigen anderen Tagen wäre. Wie würdest du seinen Anteil am Erfolg ausdrücken?"
Webber: "Er war unglaublich, vor allem in der Anfangszeit. Wenn man sehr jung ist, als zu Beginn der Teeniezeit, kann man keine großen Entscheidungen für sich selbst treffen. Da braucht man Unterstützung. Mein Vater war immer ein Fan der Einsitzer, er sagte: 'Ich möchte nicht, dass du diese Taxis fährst, die besten Rennwagenfahrer der Welt sitzen in Einsitzern.' Also haben wir diesen Weg verfolgt."
"Ich erinnere mich, wie unglaublich ausgeglichen er außerhalb des Autos mit mir war. Er machte mir keinen Druck. Er hatte auch keine Probleme mit denen, gegen die ich fuhr - wie andere Väter manchmal. Er war gar nicht übermäßig integriert, so war immer sein Stil. Natürlich ist er stolz, aber er lässt mich es weitermachen. Es war gut, dass er an diesem besonderen Tag da war."