Was bringen die neuen Regeln wirklich?

Die Formel 1 ist 2009 sehr aufregend, doch laut Experte Marc Surer liegt das nicht zwingend an der Wirksamkeit des neuen Reglements

(Motorsport-Total.com) - In Melbourne und Sepang hat die Formel 1 bisher in dieser Saison zwei wahrlich außergewöhnliche und im Ergebnis mehr als unerwartete Rennen produziert. Man könnte also meinen, die Regeländerungen der FIA haben ihren Zweck voll erfüllt. Doch 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer ist sich da nicht hundertprozentig sicher.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Action, Überholmanöver, Aufregung: Die Formel 1 ist 2009 populärer denn je

Was hat die FIA überhaupt geändert? Zunächst die Aerodynamik: keine Zusatzgebilde mehr, breiterer Front-, schmälerer Heckflügel - um die Verwirbelungen für den Hintermann im direkten Duell besser kontrollieren zu können. Außerdem darf der Frontflügel nun während der Fahrt verstellt werden. Dann die Reifen: Slicks ersetzen die Rillenpneus und liefern mehr mechanischen Grip. Und schließlich wurde noch das Energierückgewinnungssystem KERS mit Boost-Button freigegeben.#w1#

Nur die Summe der Änderungen entscheidend?

Aber die Frage, die sich alle stellen, ist: Haben die neuen Regeln ihr Ziel genau wie geplant erreicht oder ist nur die Summe der vielen Regeländerungen für die Überholmanöver und das auf den Kopf gestellte Kräfteverhältnis verantwortlich? "Weil so viel geändert wurde, war die Möglichkeit, dass jemand wie Brawn einen großen Wurf landet, viel größer als wenn es nur eine der Änderungen gegeben hätte", meint Surer.

Was die abgerüstete Aerodynamik, an die man sich zumindest optisch inzwischen fast schon gewöhnt hat, angeht, hat der ehemalige Formel-1-Pilot "Bedenken" in Bezug auf die Überholwirksamkeit: "Ich sehe immer noch Autos, die sehr schnell aufholen, aber dann wieder hinter einem anderen hängen bleiben. Ich habe aber in Melbourne zumindest einige Dreierpakete gesehen, also muss es zumindest ein bisschen geholfen haben."

"Ich sehe immer noch Autos, die schnell aufholen, aber dann hinter einem anderen hängen bleiben." Marc Surer

Und: "Ich glaube nicht, dass der verstellbare Frontflügel ein entscheidendes Überholargument ist. Damit kann man lediglich eine Schwäche der aerodynamischen Balance ausgleichen. Das ist aber auch eine große Hilfe, denn wenn sich direkt hinter einem anderen Auto das Fahrverhalten ändert, kann es der Fahrer auf diese Weise wieder korrigieren. Aber dass man den Flügel zum Überholen flacher stellt, halte ich für ein Gerücht."

KERS erfüllt seinen Zweck - zumindest derzeit

Zumindest ein Element des neuen Technischen Reglements habe in puncto Rad-an-Rad-Action voll eingeschlagen, findet Surer: "KERS ist sicherlich eine große Hilfe beim Überholen, weil es noch nicht alle haben." Aber er fügt gleichzeitig an: "Wenn es alle haben, wird sich das wieder ausgleichen." Im Moment fahren bekanntlich nur Ferrari, McLaren-Mercedes, das BMW Sauber F1 Team und Renault mit 82 Zusatz-PS für 6,6 Sekunden pro Runde.

In Sepang ist uns aufgefallen, wie geschickt Fernando Alonso KERS eingesetzt hat - zuerst am Start, um sich aus der fünften Reihe auf Platz drei nach vorne zu katapultieren, später zur Verteidigung seiner Position gegen schnellere Autos. Surer stellt fest: "Es gibt Fahrer, die mit solchen Dingen geschickter umgehen als andere." Auch Michael Schumacher konnte früher immer mehrere Bedienelemente gleichzeitig im Auge behalten.

"Es gibt Fahrer, die mit solchen Dingen geschickter umgehen als andere." Marc Surer

Unabhängig davon hört man immer wieder, wie sehr diverse Proteste und Streitereien dem Ansehen der Formel 1 schaden. Aber: Die Zugriffszahlen von Internetseiten wie der unseren sind so gut wie noch nie, während die TV-Sender über neue Quotenrekorde jubeln. Ist also jede Publicity gute Publicity? Surer verneint: "Es ist nicht wieder Ferrari gegen McLaren. Diese neue Konstellation hat das Interesse geweckt und hat sicherlich mehr geholfen als die Querelen, die es gibt."