Was am Fujisan sonst noch geschah
Unser Boulevard-Rückblick auf Fuji: über Alexander Wurz' dritten Sohn, eine schmerzliche Niederlage von Mark Webber und Adrian Sutils Stalker
(Motorsport-Total.com) - Viele fühlten sich durch das Chaoswetter beim Grand Prix von Japan am vergangenen Wochenende an das Fuji-Rennen von 1976 erinnert, als James Hunt Weltmeister wurde, weil Niki Lauda im strömenden Regen um sein Leben fürchtete und aufgab. Die Bedingungen am Sonntag waren nur unwesentlich besser als damals.
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Sänger Leo Sayer flirtete vor dem Rennen mit einem der japanischen Grid-Girls
Aber, man mag es kaum glauben, allzu viele heutige "Paddock-Pundits", wie unsere britischen Kollegen es nennen, waren vor 30 Jahren noch gar nicht dabei. Die paar, die es doch waren, stellten sich zu einem Gruppenfoto auf: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, Frank Williams, Tyler Alexander, Niki Lauda, Daniele Audetto, Herbie Blash und - nicht zu vergessen - die Kommentatorenlegende des 'ORF', Heinz Prüller.#w1#
Nur Lob für die Organisation
Trotz aller Vorurteile, die die Berichterstatter vor dem Rennwochenende hatten, war die Organisation in Fuji dann aber wesentlich besser als 1976 und 1977. Auf den Punkt brachte es Ecclestone-Gastronom Karl-Heinz Zimmermann: "Alle haben gesagt, wie schlecht hier alles sein soll, aber ich finde das überhaupt nicht." Sogar die Zufahrtswege waren besser als erwartet, auch wenn man sie im Nebel oft nur schlecht sehen konnte.
Den einzigen Kritikpunkt am gesamten Wochenende lieferten eigentlich jene Zusatztribünen, die so gedankenlos aufgestellt wurden, dass die Zuschauer, die Karten dafür gekauft hatten, kaum etwas sehen konnten. Die Veranstalter ließen sich aber nicht lumpen und erstatteten den Kartenpreis natürlich zurück - was mehr als zwei Millionen Euro kostete. Ansonsten konnte Architekt Hermann Tilke, der selbst vor Ort war, mit dem Debüt der Strecke zufrieden sein.
Spyker-Technikchef Mike Gascoyne fand gleich am ersten Tag einen Lieblingsitaliener, während Williams-Buchhalter Phil Kennard weniger Glück mit der japanischen Gastronomie hatte: Als er ausgerechnet beim Bestellen in einem japanischen Restaurant auf die Toilette musste, bestellten kurzerhand seine Kollegen für ihn - und zwar die schärfste Version des Gerichts. Die war aber so scharf, dass er sich beinahe die Zunge verbrannt hätte...
Melone für 150 Euro gefällig?
Gestöhnt haben dürfte Kennard auch angesichts der Rechnungen, die ihm von den Williams-Köchen auf den Schreibtisch im Motorhome flatterten, denn die Preise, die die Supermärkte im Umfeld der Strecke verlangten, erinnerten ein bisschen an die völlig astronomischen Special-Formel-1-Tarife in Bahrain. So kosteten die Rohzutaten für ein zweigängiges Menü für eine Person umgerechnet 35 Euro, für eine Melone auf dem Markt musste man fast 150 Euro hinlegen.
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Der Globus des Honda-Earth-Cars war in Fuji etwas anders gedreht als bisher Zoom
Weniger als die Preise erinnerte indes das Staraufkommen an den Glamour-Grand-Prix in Monaco, denn abgesehen vom englischen Sänger Leo Sayer ("Wenn ich nicht im Popbusiness so viel Geld verdient hätte, hätte ich mich als Rennfahrer probiert...") und dem "japanischen Brad Pitt", Takuya Kimura, waren diesmal kaum Promis im Fahrerlager anzutreffen - und die japanischen wurden von uns leider nicht erkannt. Man möge Nachsicht walten lassen.
Apropos Showbusiness: Vor dem Wochenende hielt sich Nico Rosberg in Tokio auf, wo er es sich nicht nehmen ließ, in einer Karaokebar ein paar Nummern zu schmettern, darunter auch "Yellow Submarine" und "Karma Chameleon". Das Rennfahren ist dann aber doch eher seine Profession. Hitverdächtig war hingegen das Duett "I got you, babe", dass Williams-Ingenieur Rod Nelson und die Hospitalitychefin des Teams, Katie Aspinall, die Geburtstag hatte, zum Besten gaben.
Abschied von Ove Andersson
Abschied nehmen hieß es indes von Ove Andersson, dem ehemaligen Toyota-Teamchef, der zum letzten Mal in offizieller Funktion als Berater bei einem Grand Prix war und sich nun in Südafrika niederlassen und das Leben genießen wird: "Ich will jetzt mal ein bisschen Sonne tanken", sagte der sympathische Nordländer. "Wenn ich nicht aktiv mitwirken kann, ist dieser Job nicht so interessant. Und anschauen sollte man sich Formel-1-Rennen besser im Fernsehen."
Ereignisreich war das Wochenende von Alexander Wurz: Am Mittwoch ging er auf den Fujisan, musste aber bei der Hälfte umkehren, weil ansonsten das Geld für das unten wartende Taxi zu wenig geworden wäre - "und in Japan will ich nicht ohne Taxi verloren sein", grinste er. Das Rennen war für ihn dann früh zu Ende, aber das war ihm gar nicht unrecht: Seine Ehefrau Julia hatte kurz zuvor in Monaco ihren dritten Sohn Oscar - nach Felix (5) und Charlie (1) - zur Welt gebracht.
Freuden ganz anderer Art durfte Williams-Pressemann Liam Clogger genießen, der in einem Wettrennen mit Fitnessfreak Mark Webber eine Runde um die 4,563 Kilometer lange Strecke in Fuji viel schneller bewältigte als der Formel-1-Star. Clogger, ganz PR-Profi, schrieb dies einem Williams-Sponsor zu, der Energydrinks herstellt. Und: Ob Webbers Brechanfall während des Rennens im Cockpit eine Spätfolge des Laufduells und doch keine Lebensmittelvergiftung war?
Die Japaner und das "R"
Mehr zu lachen als Webber hatten die Toro-Rosso-Mechaniker bei ihrer Ankunft an der Strecke: Man kann über Vorurteile gegenüber der asiatischen Kultur ja denken, was man will - und dass Japaner und Chinesen in der Aussprache ein europäisches "R" gerne mal durch ein "L" ersetzen, ist allseits bekannt. Umso breiter war das Grinsen besagter Schrauber, als sie die Benennung ihrer Garage sahen: Auf dem Schild stand nämlich "Tolo Rosso"...
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Adrian Sutil (rechts) ging gemeinsam mit Teamchef Colin Kolles die Strecke ab Zoom
Typisch japanisch war auch das klitzekleine Erdbeben, das am Sonntagabend die Region kaum spürbar erschütterte, und sogar das Honda-Earth-Car stand ganz im Zeichen des Heimrennens: Speziell für Fuji wurde die Globus-Lackierung nämlich so gedreht, dass ausnahmsweise nicht die britische Insel mit der Teambasis in Brackley am besten zu erkennen war, sondern eben Japan. Schneller waren Jenson Button und Rubens Barrichello deswegen nicht.
Die vielleicht witzigste Episode der Japan-Woche lieferte aber Adrian Sutil, der dank der Strafe für Vitantonio Liuzzi am Sonntag als Achter seinen ersten Formel-1-Punkt holte: Der Deutsche, der während seiner Formel-3-Saison 2006 ganz in der Nähe der Rennstrecke in einer Wohnung in Gotemba gelebt hat, wurde seit seiner Ankunft von einer Stalkerin verfolgt, die ihm partout nicht von der Seite weichen wollte...