• 29.11.2006 16:28

Warum ein Testteammanager nie Winterpause hat

Tony Burrows von Red Bull Racing erklärt, warum ein Testteammanager in der Formel 1 auch im Winter nicht einfach Urlaub machen kann

(Motorsport-Total.com) - Die Winterpause nutzt die Presseabteilung von Red Bull Racing, um einmal andere Seiten der Formel 1 zu beleuchten. Das sieht dann - ganz stilgetreu der dynamischen PR-Strategie des Energydrink-Herstellers - so aus: Verschiedene Teammitglieder werden angerufen und mit der Frage "Was machst du heute?" konfrontiert. Erster Gesprächspartner war vergangene Woche Testteammanager Tony Burrows.

Titel-Bild zur News: Tony Burrows

Der Brite Tony Burrows leitet das Testteam von Red Bull Racing

Wer um diese Jahreszeit einen Testteammanager in Rage bringen will, muss ihm lediglich unterstellen, er habe im Verlauf der letzten Monate - also während der letzten drei Überseerennen und in der Testpause nach Saisonende - nichts zu tun gehabt. "Das kann man natürlich behaupten", sagt Burrows, "aber es ist nicht wahr. Die letzten Tests fuhren wir tatsächlich im September in Jerez, aber anschließend war das Testteam anlässlich von Demonstrationsfahrten in Wien im Einsatz und zuvor - in der Woche vor dem Grand Prix von Brasilien - aus demselben Grund in São Paulo."#w1#

Vier spektakuläre Auftritte in Chile

"Von dort ging es zunächst weiter nach Chile, wo wir vier Auftritte in Santiago hatten. Drei davon gingen bei Nacht unter Flutlicht auf einem riesigen von Tribünen gesäumten Parkplatz über die Bühne. Den vierten und letzten veranstalteten wir im Stadtzentrum. Das machte zwar echt Spaß, aber die Leute waren völlig aus dem Häuschen. Gut 30.000 Zuschauer stürmten auf den Straßen hinter dem Rennwagen her. Gegen Ende hatte ich deshalb ein mulmiges Gefühl, da sich lediglich eine Handvoll Polizisten bemühte, tausende Fans unter Kontrolle zu halten. Wir mussten sogar Feuerlöscher einsetzen, als einige zu Boden stürzten und überrannt wurden! Es war eine unglaubliche Erfahrung."

"Das bedeutet, dass wir gerade rechtzeitig zu Weihnachten wieder zu Hause sein werden." Tony Burrows

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Was machst du heute? "Wir bereiten uns auf die Wiederaufnahme der Testfahrten vor, die in der kommenden Woche mit einer Sitzung in Barcelona beginnen werden", sagt Burrows. "Von dort", fügt er hinzu, "geht es für weitere zwei Wochen direkt weiter nach Jerez. Das bedeutet, dass wir gerade rechtzeitig zu Weihnachten wieder zu Hause sein werden. Natürlich setzen wir bei diesen Tests Rennwagen vom Typ RB2, also das 2006er-Auto, ein." Da mögen sich einige fragen: Weshalb testet man einen Rennwagen, der ohnehin kein Rennen mehr bestreiten wird? "Einige Teile", antwortet der stets geduldige Burrows, "werden beim RB3 übernommen. Diese sollen Dauerbelastungen unterzogen werden, wir experimentieren damit ein wenig."

"Bei diesen und den kommenden Tests geht es allerdings in erster Linie um die Reifen von Bridgestone, die in der nächsten Saison von allen Teams verwendet werden. Wir werden einige Tests brauchen, um mit diesen Gummis vertraut zu werden. Dabei geht es um jede einzelne Runde. Wir fahren Long-Runs, um die Abnutzung der Reifen zu messen und um zu lernen, wie sich die Pneus im Verlauf eines simulierten Rennstints verändern. Wir hämmern also Runde um Runde runter und legen so viele Kilometer wie möglich zurück, um unsere Ingenieure mit möglichst vielen Daten zu versorgen. So etwas mussten wir zuvor in dieser Form nie tun."

Ersatzteile sind jetzt noch kein Problem

Im Werk geht es also entsprechend drunter und drüber, weil alle umherflitzen, um sich auf die Tests vorzubereiten? "Nein, überhaupt nicht", behauptet Burrows. "Weil wir um diese Jahreszeit mit einem alten Rennwagen testen", erklärt er, "haben wir jede Menge Ersatzteile. Kurz vor Saisonbeginn sind die in der Regel recht knapp. Außerdem stehen viele Leute zur Verfügung. Deshalb freue ich mich auf diese Testfahrten. Das tue ich auch deshalb, weil es schön ist, wieder mit Mark (Webber; Anm. d. Red.) zusammenzuarbeiten, den ich von der gemeinsamen Zeit bei Jaguar gut kenne. Darum geht es bei diesen Test übrigens auch: Mark muss möglichst schnell lernen, wie wir bei Testfahrten vorgehen."

"Weil es nicht um wichtige Weiterentwicklungen geht, erwarte ich nicht, dass wir bis spät abends zu tun haben." Tony Burrows

Da prinzipiell bewährtes Material eingesetzt wird, hofft Burrows, dass während dieser letzten Testfahrten des Jahres 2006 nicht grotesk lange gearbeitet wird, wie es normalerweise bei Tests üblich ist. "Falls sich einer unserer Fahrer entschließen sollte", sagt Burrows, "kurz vor Testende eines Tages von der Piste zu geraten, dann könnte das für den Abend viel Arbeit bedeuten. Aber weil es nicht um wichtige Weiterentwicklungen geht, erwarte ich nicht, dass wir bis spät abends zu tun haben. Wenn es so kommt, würden wir uns zur Abwechslung einmal am Abend des Tages zu Bett legen können, an dem wir aufgestanden sind."

Im November und Dezember drei Wochen in Südspanien zu verbringen, hat allerdings auch sein Gutes: "Uns allen schmeckt Paella und wir kommen immer besser mit der spanischen Sprache klar", meint Burrows, "denn die Region wurde für uns zu einer Art zweitem Wohnsitz. Wir sind so oft in denselben Hotels, dass wir bereits das gesamte Personal kennen. Das ist eine schöne Gegend, um dort die Wintermonate zu verbringen - der Himmel ist blau, und tagsüber liegen die Temperaturen über 20 Grad." Und dann wird immer behauptet, Testfahrten wären keine tolle Angelegenheit...