• 26.05.2004 15:51

  • von Fabian Hust

Von Wetterfröschen und "Regengöttern"

Wettervorhersagen werden in der Formel 1 unheimlich professionell erstellt - Warum der Regen die Spreu vom Weizen trennt

(Motorsport-Total.com) - Für die Formel-1-Teams geht es an diesem Wochenende auf den Nürburgring. Die Eifel ist bekannt für ihr verrücktes Wetter, es ist mit frühlingshaften Temperaturen und dem einen oder anderen Regenschauer zu rechnen - genau solch ein Wetter erwarten die Meteorologen derzeit für den Renntag: "Früher wurden bei Regen zahlreiche Modifikationen am Auto vorgenommen, die aktuellen Regeln bedeuten jedoch, dass das Fahren im Regen - was immer schon ein ziemlicher Kompromiss gewesen war - jetzt noch mehr zu einem Kompromiss ausartet", erklärt Pat Symonds, Chefingenieur des Renault-Teams.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

Wenn es stark regnet, beträgt die Sicht teilweise gleich Null

"Wenn wir auf eine neue Strecke kommen oder wenn bestehende Rennen ihren Platz im Kalender verändern, ist es eine der ersten Sachen, die wir unternehmen, den Temperatur- und Regen-Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre zu berechnen", verrät Symonds. "Für das diesjährige Grand-Prix-Datum beträgt der durchschnittliche Niederschlag pro Tag 0,8 Millimeter bei einer Maximaltemperatur von 18,3 Grad Celsius."#w1#

Hohe Ansprüche an die Wettervorhersage

"Wenn dies erst einmal erledigt ist, dann gilt unsere Aufmerksamkeit den Vorhersagen, aber in der Formel 1 sind die Anforderungen im Vergleich zu einem typischen Wetterbericht völlig anders", so der Brite weiter. "Wir müssen wissen, wann es regnen wird, zu welcher Zeit, welche Temperaturen und welche Windgeschwindigkeit und -richtung herrschen wird. All dies in einem sehr präzisen Gebiet von einem Kilometer in einem Zeitfenster von rund 90 Minuten. Um dies tun zu können, benötigt man eine sehr akkurate Wettervorhersage."

Alles auf dem Radar

Dazu sammelt das Renault-Team Daten verschiedener Quellen. Ein britischer Wetterdienst ist beauftragt, Daten zu studieren, die öffentlich nicht verfügbar sind. Diese werden in ein Modell gefüttert, das die Wettervorhersage erstellen soll: "Wir benötigen jedoch noch eine viel ausgeklügeltere Herangehensweise an der Strecke, um unseren besonderen Ansprüchen gerecht zu werden", so Symonds. "Ein mobiles Radar-System wird auf einem Hügel in der Nähe der Strecke installiert."

Dieses Radar arbeitet praktisch komplett verkehrt herum wie ein normales Radar: "Normale kommerzielle Systeme sind darauf getrimmt, Regen zu ignorieren und große Flugobjekte zu erkennen, das Wetterradar ist so eingestellt, dass es von kleinen Wassertropfen maximal reflektiert wird. Wenn man das Wetterradar, GPS und eine Software miteinander kombiniert, dann kann man extrem genaue Vorhersagen für kurzfristige Wetterveränderungen erhalten. Das ist dann so genau, dass man bis auf wenige Minuten genau sagen kann, welche Kurve zuerst betroffen ist."

Kaum noch Setupveränderungen möglich

Die Herangehensweise an Regenrennen hat sich laut Symonds in den vergangenen Jahren "beträchtlich" verändert: "In der Vergangenheit hat man zahlreiche Veränderungen am Auto vorgenommen, um das Handling an die Bedingungen mit wenig Haftung anzupassen. Unter den bestehenden Regeln sind die erlaubten Veränderungen jedoch minimal. Die FIA erlaubt das Wechseln auf Regenreifen, die Reduzierung der Größe der Bremsenkühlung, um die Bremsen bei einer optimalen Betriebstemperatur zu halten." Außerdem erlaubt: Das Verändern des Luftdrucks, des Frontflügels und der Elektronik.

Die Tatsache, dass die Autos kaum noch für Regen abgestimmt werden, hat aber auch einen Vorteil: Es kommt deutlich mehr auf die Qualitäten des Fahrers an: "Sie müssen nicht nur mit einem schwieriger zu fahrenden Auto umgehen, sie müssen auch mit den sich ständig verändernden Sicht- und Haftungsleveln zurechtkommen. Unter diesen abnormalen Bedingungen müssen die Fahrer in der Lage sein, das Limit schnell zu finden. Sie müssen aber auch fähig sein, das Auto zu kontrollieren, wenn man über dem Limit sein wird, was sich nicht vermeiden lässt."

Der Begriff "Wettergott" kommt nicht von ungefähr

Keine zwei Runden finden bei einem Regenrennen unter den gleichen Bedingungen statt: "Der Fahrer braucht angeborenes Talent, um das Auto am und über dem Limit zu kontrollieren, aber er muss auch wissbegierig sein, wie er fährt, verschiedene Linien und Stellen der Strecke ausprobieren, um den größten Haftungsgrad zu finden. Mehr als sonst kann ein Formel-1-Fahrer im Nassen zeigen, was ihn von den Durchschnittstypen unterschiedet. Für uns Außenstehende kann man nicht wirklich verstehen, was es bedeutet, in einer Gischtwolke bei fast null Sicht und sich konstant ändernden Gripverhältnissen am Limit zu fahren."