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  • 22.08.2013 20:11

  • von Christian Nimmvervoll aufgezeichnet

Vettel: "Wäre es Kimi geworden, hätte mir das gefallen"

Sebastian Vettel über die Themen neuer Teamkollege, aktuelle Situation in der Weltmeisterschaft, die Faszination Spa und die Streckenbesichtigung zu Fuß

(Motorsport-Total.com) - Schon vor dem ersten Freien Training zum Grand Prix von Belgien hat Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel einen kleinen Sieg verbucht. Gäbe es eine Trophäe für die meistdiskutierte Frisur im Fahrerlager, sie wäre dem 26-Jährigen sicher. Auffallend blond präsentiert sich Vettel nach der vierwöchigen Sommerpause.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel kommt erblondet aus der Sommerpause zurück Zoom

Im Vorfeld des elften WM-Laufs spricht Vettel über den aktuellen Stand der Dinge bezüglich des zweiten Red-Bull-Cockpits, über einen möglichen Angstgegner Mercedes, über die Faszination Spa-Francorchamps und darüber, warum er die Strecke am liebsten zu Fuß erkundet.

Frage: "Sebastian, was deinen neuen Teamkollegen betrifft, kommen wir langsam in die heiße Phase. Was wären aus deiner Sicht die idealen Eigenschaften deines neuen Teamkollegen?"
Sebastian Vettel: "Letzten Endes spielt das keine große Rolle für mich. Im Idealfall hat man einen wettbewerbsfähigen Teamkollegen, der auf einem Level mit einem selbst fährt. So kann man sich gegenseitig pushen. Man muss nicht der beste Freund des Teamkollegen sein. Unterm Strich muss man für das Team Leistung bringen. Wichtig ist, dass man in die gleiche Richtung arbeitet, dass man am gleichen Strang zieht was die Entwicklung des Autos angeht. Ob man sich gegenseitig mag oder nicht, ist nicht so wichtig. Wenn man gut miteinander auskommt, dann ist das vielleicht ein Bonus. Ich glaube aber nicht, dass es zwingend notwendig ist."

Frage: "Inwieweit bist du in die Entscheidungsfindung für deinen neuen Teamkollegen eingebunden?"
Vettel: "Mein Hauptfokus sollte auf dem Fahren liegen. Dafür bin ich letzten Endes angestellt und froh drum. Alles andere ist Teamsache. Natürlich bin ich da irgendwo involviert, aber ich versuche auch bewusst, mich nicht zu sehr einzumischen. Wie gesagt: Es gehört nicht zu dem Aufgabenfeld, das ich mir wünsche."

Frage: "Wie fühlt es sich an, dass Kimi Räikkönen wohl doch nicht deiner neuer Teamkollege wird und du stattdessen gegen jemand anderen im Team antreten musst. Freust du dich darauf?"
Vettel: "Ich wusste ja selbst nie, wie realistisch es ist. Ich habe über die Presse erfahren, dass es mit Kimi jetzt wohl doch nicht klappt. Natürlich spreche ich mit dem Team, aber wie ich schon oft betont habe, ist das nicht meine Entscheidung. Ich mische mich da nicht allzu sehr ein. Wäre es Kimi geworden, hätte mir das gefallen. Für das nächste Jahr wird es jetzt wohl nichts, aber er ist jung, ich bin jung. Es kann also noch viel passieren. Man sollte niemals nie sagen."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Belgien, Pre-Events


Frage: "Es gibt Gerüchte, wonach Räikkönen zu Ferrari zurückkehren könnte. Würdest du ein Fahrergespann Räikkönen/Alonso begrüßen oder würdest du Räikkönen lieber weiterhin bei Lotus sehen?"
Vettel: "Ich weiß nicht. Ich komme gut mit Kimi aus und würde mich freuen, wenn er einen Platz findet, an dem er sich wohlfühlt. Ich denke, bei Lotus hat er im Moment ein gutes Cockpit. Wenn er aber etwas besseres bekommen kann, dann würde ich mich für ihn freuen. Kimi ist ein Typ, der geradeheraus das sagt, was er denkt. Man kriegt von ihm keinen Bullshit und keine Politik zu hören. So gesehen weiß ich nicht, wie realistisch eine Rückkehr zu Ferrari für ihn ist. Nachdem er dort war, kam Fernando und Kimi fuhr Rallyes. Er ist auf jeden Fall ein sehr unkomplizierter Typ."

Schulnote 2+ für die erste Saisonhälfte

Frage: "Die Formel-1-Sommerpause ist beendet. Wie sehr hast du dich auf das Urlaubsende gefreut und darauf, dass du jetzt wieder mit dem Auto unterwegs sein darfst?"
Vettel: "Es war natürlich schön, ein bisschen Pause zu haben. Ich glaube, wenn man sich den Kalender anschaut und sieht, dass die nächsten Rennen doch sehr schnell hintereinander und quer verteilt über den Globus kommen, dann war das notwendig. Es ist wichtig, dass man sich die Auszeit gönnt, sodass man wieder fit ist. Aber klar freut man sich, jetzt wieder hier zu sein und vor allem auf so einer Strecke wieder beginnen zu können. Ich freue mich, morgen ins Auto zu steigen und einfach zu fahren."

Frage: "Was hast du in der Auszeit gemacht?"
Vettel: "Naja, wenn man Urlaub macht, ist das vielleicht bei dem einen spektakulärer als bei dem anderen. Im Endeffekt war es ganz normal, würde ich sagen. Ich glaube, ich bin da voll im Durchschnitt, habe in Frankreich ein bisschen Sonne getankt, habe mich viel ausgeruht, bin viel im Meer geschwommen, habe rumgeplanscht und habe einfach die freie Zeit genossen."

Frage: "Welche Schulnote würdest du dir und dem Team für die erste Saisonhälfte geben?"
Vettel: "Eine 2+. Sehr gut klingt immer blöd, vor allem, wenn man es über sich selber sagt. Ich denke, es war mehr als gut und wir können sehr zufrieden sein. Eine 1 war es vielleicht nicht, denn eine 1 ist ja doch ausgezeichnet und perfekt. Wir hatten ja einen Nuller in Silverstone und vielleicht das eine oder andere Rennen, wo ich ein paar Punkte mehr hätte einfahren können. Alles in allem können wir aber sehr zufrieden sein. Deswegen hört sich eine 2+ gut an."

38 Punkte Vorsprung spielen (noch) keine Rolle

Frage: "Sind 38 Punkte Vorsprung auf deinen schärfsten Verfolger gefährlich oder beruhigend?"
Vettel: "Das ist natürlich schön, aber solange man da nicht drauf achtet, hat man auch nicht die Gefahr, irgendwie abgelenkt zu werden. Für uns ist es wichtig, dass wir nach wie vor Rennen fahren und das Rennfahren genießen. Wenn der Sieg drin ist, dann wollen wir auch um den Sieg kämpfen und nicht zu sehr an die Meisterschaft denken. Ich glaube, da gibt es dann später im Jahr noch genug Zeit. Jetzt ist es noch sehr früh."

Frage: "Anhand der Punkte sind Räikkönen und Alonso deine schärfsten Verfolger. Doch was ist mit Mercedes, wie stark schätzt du dieses Team in der zweiten Saisonhälfte ein?"
Vettel: "Ich glaube, dass Mercedes eine starke Form hatte. Vielleicht nicht bei der ersten Handvoll Rennen, aber bei den zurückliegenden vier, fünf Rennen seit Monaco waren sie sehr stark. Nico hat schon zwei Rennen gewonnen. Lewis hat in Ungarn die Form praktisch bestätigt. Mercedes hat mit Sicherheit einen Schritt nach vorne gemacht, aber ich glaube, man darf die anderen nicht außer Acht lassen. Ich hoffe und wünsche, dass wir da weiter vorne mitspielen. Das ist die Voraussetzung, die alle so zu akzeptieren scheinen. Ich weiß aber, dass wir sehr hart dafür kämpfen müssen, dass es jedes Wochenende gut klappt. In der ersten Hälfte hat es mehrheitlich sehr gut funktioniert und wir hoffen, dass es so weitergeht."

"Mercedes hat mit Sicherheit einen Schritt nach vorne gemacht, aber ich glaube, man darf die anderen nicht außer Acht lassen." Sebastian Vettel

Frage: "Die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg scheinen sich gegenseitig die Punkte wegzunehmen. In deinem Fall bei Red Bull und im Fall von Fernando Alonso bei Ferrari sieht das anders aus. Welche Rolle spielt dieser Aspekt deiner Meinung nach im Titelkampf?"
Vettel: "Zunächst einmal glaube ich, dass das nicht wahr ist. Wenn Felipe vor Fernando ins Ziel kommt, dann nimmt dieser weniger Punkte mit. Wenn Mark vor mir ins Ziel kommt, dann nehme ich weniger Punkte mit. So ist der Rennsport. Letzten Endes fährst du gegen alle deine Gegner aber auch gegen deinen Teamkollegen. Das ist normal. Wenn Fernando vor mir liegt, dann versuche ich, ihn zu überholen. Wenn Mark vor mir liegt, dann versuche ich ebenfalls, ihn zu überholen. Ich erwarte nicht, dass Fernando zur Seite fährt und ich erwarte nicht, dass Mark zur Seite fährt. Gerade wir haben das Thema Stallorder in der Vergangenheit nie so intensiv ausgespielt wie andere Teams."

Frage: "Was sagst du dazu, dass Mark Webber deine Zeit bei Top-Gear unterboten hat?"
Vettel: "Ich habe gestern davon gehört. Ich weiß nicht, wann er die Zeit tatsächlich gefahren hat. Jetzt, da Lewis und Mark schneller waren als ich, sieht es ganz ganz so, dass ich irgendwann noch einmal dort antreten und etwas mehr riskieren müsste."

Spa-Francorchamps als große Herausforderung

Frage: "Stichwort Strecke in Spa-Francorchamps. Was hältst du von der Pouhon-Kurve, die du vor einiger Zeit mal als herausragend bezeichnet hast?"
Vettel: "Das ist immer noch so. Das ist die schönste Stelle auf der Strecke. Leider sind gewisse Knackpunkte wie Eau Rouge und Blanchimont inzwischen ziemlich entschärft und mit unseren Autos - wenn es trocken ist - relativ komfortabel voll zu durchfahren. Pouhon eben nicht. Deswegen sticht diese Kurve immer noch heraus als eine echte Mutkurve. Man muss sich doch jedes Mal überwinden, ein bisschen mehr herauszukitzeln. Man kommt im siebten Gang an und dann geht es nur einen Gang runter. Es wird fast nicht gebremst, vor allem im Qualifying. Da geht es mit 250 km/h oder noch schneller rum. Da muss man schon die Pobacken zusammenkneifen."

Frage: "Was ist für dich das Positive und was das Negative an Spa-Francorchamps?"
Vettel: "Es gibt eigentlich nichts Negatives. Positiv ist die Charakteristik: Es geht viel auf und ab, es gibt schnelle, flüssige Kurven. Dass das Wetter unberechenbar ist, kann einem helfen oder auch nicht. Es bringt auf jeden Fall immer ein bisschen Extraspannung mit rein. Deswegen gibt es eigentlich fast nur Positives. Das einzige Negative ist vielleicht die letzte Schikane. Die ist nicht sehr schön. Man hat ja in den vergangenen Jahrzehnten öfter versucht, sie zu verändern. Ich glaube, die Lösung im Moment ist nicht die schönste, aber gut, es ist halt so."

"Pouhon sticht immer noch heraus als eine echte Mutkurve." Sebastian Vettel

Frage: "Im Jahr 2005 im Alter von 17 Jahren, zu deiner Zeit in der Formel-3-Euroserie, hast du die Strecke von Spa-Francorchamps mal mit dem Fahrrad abgefahren. Welche Erinnerungen hast du daran?"
Vettel: "Nicht viele. Es ist ja doch schon fast zehn Jahre her. Es war schon damals eine großartige Strecke, die auch im Formel-3-Auto sehr viel Spaß gemacht hat. In einem Formel-1-Fahrzeug macht sie umso mehr Spaß. Ich weiß nicht mehr genau, wie das Ergebnis damals war. Ich glaube, Lewis (Hamilton) hat das Rennen damals vor Adrian (Sutil; Anm. d. Red.) gewonnen. Es regnete ziemlich stark und trocknete dann zum zweiten Lauf ab. Wo ich genau ins Ziel kam, weiß ich nicht mehr. Gewonnen habe ich nicht, so viel weiß ich noch. Trotzdem: Als Fahrer hat man die Strecke einfach gern - egal in welchem Auto."

Frage: "Hast du damals schon ein bisschen auf die Formel 1 herübergelinst?"
Vettel: "Rübergelinst hat man auf jeden Fall, aber mehr als ein Traum war das zu dem Zeitpunkt nicht. Es war sehr weit weg und man konnte sich damals nicht vorstellen, dass man eines Tages hier steht und so eine Frage beantwortet."

Streckenbesichtigung am liebsten zu Fuß

Frage: "Warum erledigst du die Streckenbesichtigung heutzutage zu Fuß?"
Vettel: "Erstens mal hat man so mehr Zeit, miteinander zu reden. Man sieht sich zwar fast jedes Wochenende, aber trotzdem ist es gut, das Wochenende einfach vorher durchzuspielen. Zum zweiten haben wir so noch die Möglichkeit, über andere Dinge zu sprechen: Was passiert in der Fabrik und wie sieht der Plan für ein Rennen aus, das vielleicht noch Monate weit weg ist. Man nutzt die Zeit aber nicht nur, um über die Arbeit zu reden. Man kommt sich auch privat näher und tauschst sich aus, vor allem jetzt über die Sommerpause. So hat jeder dann seine Geschichten zu erzählen und so etwas schweißt letztendlich zusammen."

"Das Wichtigste ist aber: Man hat zu Fuß die Möglichkeit, sich die Dinge genau anzuschauen, die einem vielleicht entgehen, wenn man mal schnell mit dem Roller oder mit dem Fahrrad drüberfährt - die Bodenwellen, die Schlüsselstellen, die Kerbs, das Profil der Kerbs, Streckenveränderungen und so weiter. Da sieht man zu Fuß einfach mehr, weil man mehr Zeit und mehr Ruhe hat."

Frage: "Hast du Veränderungen an der Strecke entdeckt und wenn ja, welche?"
Vettel: "An den Kerbs wurden ein paar Veränderungen vorgenommen. Die sollten uns aber nicht zu sehr betreffen. Ansonsten ist die Strecke eigentlich fast unverändert. Es sind mehr oder weniger Kleinigkeiten, die sich, glaube ich, nicht so stark auswirken."

Frage: "An der einen oder anderen Stelle hast du Wasser über die Kerbs gegossen und bist dann mit dem Schuh drüber. War das ein Test, wie rutschig das dann im Regen sein könnte?"
Vettel: "Richtig. Es gibt verschiedene Farben, die man zum Streichen der Kerbs verwenden kann. Die eine ist sehr rutschig und die andere ist doch relativ gut, wenn es nass ist. Zum Glück ist die gute Farbe verwendet worden. Es sollte also nicht zu rutschig sein."

Frage: "Welches Wetter wünschst du dir für das Wochenende?"
Vettel: "Es ist eigentlich wurscht. Es wird mit Sicherheit regnen. Die Frage ist, wann, wie sehr und wo. Es ist ja doch eine sehr lange Strecke. Für morgen ist, glaube ich, gutes Wetter gemeldet. Am Wochenende soll es dann ein bisschen wechselhaft sein, aber das gehört zu Spa dazu."

Frage: "Für dieses Rennwochenende wurden kurzfristig die Vorgaben für Reifendruck und Sturz verschärft. Inwieweit muss man sich Sorgen machen, dass es zu einem zweiten Silverstone-Drama kommt?"
Vettel: "Ich hoffe, keine. Zunächst einmal ist der Reifen anders als der in Silverstone. Zum zweiten hat man, glaube ich, aus den Erfahrungen von 2011 gelernt und kennt die Stresspunkte was den Reifen auf dieser Strecke angeht. Deswegen glaube ich, hat keiner Sorgen. Ich hoffe, dass wir auf diesem Gebiet weder am Freitag noch am Sonntag eine Überraschung erleben."