• 28.09.2006 10:49

  • von Inga Stracke

Vettel: "Renncockpit wäre ein bisschen zu früh"

BMW Sauber F1 Team Freitagsfahrer Sebastian Vettel im ausführlichen Interview über China, seine Zukunft und das Titelduell in der Weltmeisterschaft

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Sebastian, wie war die Anreise nach China?"
Sebastian Vettel: "Gut! Ich hatte einen sehr guten Flug ohne Turbulenzen, habe mir einen Film angeschaut, etwas gegessen und dann geschlafen - eigentlich relativ gut für ein Flugzeug. Gestern Mittag war ich recht müde, da musste ich mich erst einmal hinlegen, aber am Nachmittag habe ich mir dann die Stadt angeschaut. Da hatte ich ja noch ein bisschen Zeit. Es war sehr interessant, denn hier ist alles ganz anders. Ich habe wenig geredet, denn mich versteht hier sowieso keiner! Ich war eigentlich sehr davon angetan, dem Ganzen zuzuschauen. Es ist alles anders und sieht auch anders aus. Ansonsten hat alles gut geklappt. Ich hatte keine Probleme bei der Passkontrolle oder so."

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel strebt in Shanghai seine nächste Freitagsbestzeit an

Frage: "Hast du den Jetlag gut überwunden?"
Vettel: "Heute Nacht bin ich so um 2:00 Uhr morgens einmal aufgewacht, aber ich fühle mich jetzt normal in der Zeit. Das geht schon."#w1#

Die Sache mit den Bonusmeilen...

"Ich habe mich ja schon geschämt, weil mir alle ihre goldene 'Miles-and-More'-Karte zeigen..." Sebastian Vettel

Frage: "Bei deinem Pensum der nächsten Wochen wirst du bald Flugmeilenkönig, oder?"
Vettel: "Das wird aber auch langsam Zeit! Ich habe mich ja schon geschämt, weil mir alle ihre goldene 'Miles-and-More'-Karte zeigen, aber ich komme immer nur mit der geschenkten Karte daher. Ich lasse mir die Meilen natürlich gutschreiben, denn es gibt ja auch Sachen, die man im Flugzeug kaufen kann. Von daher ist das nicht schlecht."

Frage: "Wie findest du den Verkehr hier? Es ist ja doch heftig, hier jeden Morgen an die Strecke zu kommen..."
Vettel: "Es ist besser, dass man sich fahren lässt, denn es ist absolut chaotisch. Auf der Autobahn geht es eigentlich, aber in der Stadt herrscht das totale Chaos. Gestern war ich als Fußgänger unterwegs - da muss man aufpassen, dass man nicht überfahren wird!"

Frage: "Gefährlicher als auf der Strecke?"
Vettel: "Ich denke schon! Das Erstaunliche ist ja, dass hier die Kreuzungen nicht geregelt sind, es überhaupt keine Regeln gibt, aber es passiert nie etwas! Das ist irgendwie immer das Komische dabei. Man hat schon ein mulmiges Gefühl, wenn man über die Straße läuft - und dann kommen von allen Seiten Fahrräder, Roller, Autos und LKWs daher!"

Frage: "Ein Roller wäre in diesem riesigen Fahrerlager hier auch nicht schlecht, oder?"
Vettel: "Es ist ziemlich groß, ja. Unsere Hospitality ist auch am anderen Ende, aber es ist nicht so weit zu laufen. Ein bisschen ungewohnt ist nur, weil man keine LKWs hier rumstehen hat; da fehlt so ein bisschen das Gefühl, dass man im Fahrerlager ist. Das ist auch etwas Neues, aber es ist ja auch schön, denn so hat man ein bisschen mehr Platz."

Frage: "Was glaubst du, wie dir die Strecke liegen wird?"
Vettel: "Ich war heute Morgen zu Fuß eine Runde unterwegs und war eigentlich überrascht, denn im Fernsehen sah alles sehr groß aus. Es ist natürlich auch alles sehr groß, aber die Ecken machen schon auch zu und sind am Anfang sehr eng. Das hätte ich nicht gedacht, dass sie wirklich so eng sind. Es gibt auch schnelle Kurven, da ist das nicht der Fall, aber wenn man sich zum Beispiel die Spitzkehre anguckt, dann ist das nicht viel Kurve, sondern nur eine ganz scharfe Ecke."

Umstieg von der Formel 3 in die Formel 1

"Es ist schon eine Umstellung, wenn der Motor noch gar nicht läuft, denn man sitzt anders und man sieht anders." Sebastian Vettel

Frage: "Du hast gesagt, dass die Umstellung vom Formel 1 auf den Formel 3 drei Runden dauert. Wie ist die Umstellung aber umgekehrt?"
Vettel: "Es ist schon eine Umstellung, wenn der Motor noch gar nicht läuft, denn man sitzt anders und man sieht anders. Das ist ja vorgegeben vom Auto. Im Formel 3 ist das Lenkrad weiter weg, im Formel 1 ist hingegen weniger Platz. Dadurch hat man die Arme sehr angewinkelt. Dadurch ist das Gefühl beim Lenken ein anderes. In der Formel 1 gibt es auch eine Servolenkung. In den schnellen Ecken ist es nicht so eine Umstellung, denn da ist es im Formel 1 sehr anspruchsvoll, weil man merkt, dass man etwas in der Hand hat, aber in den langsamen Ecken geht es mehr in die Richtung wie bei einem PKW. Es ist nicht ganz so leicht, aber leichter als im Formel 3. Motorisch ist es einfach eine andere Bewegung."

Frage: "Ist die Formel 1 leichter zu fahren?"
Vettel: "Vom Kraftaufwand vom Lenken her schon, aber für Nacken, Rücken und so weiter ist es viel anspruchsvoller. Es ist außerdem nicht nur der Nacken, der beansprucht wird, sondern es steht der ganze Körper unter Spannung. Eine schnelle Kurve mit 4,5 G - das kann man sich glaube ich gar nicht vorstellen..."

Frage: "Wird die Umstellung leichter, wenn man sie öfter macht?"
Vettel: "Schon. Man gewöhnt sich ein bisschen dran, aber es ist schon jedes Mal ein Sprung - egal ob runter oder hoch. Es macht aber beides Spaß und es ist ja beides nichts Ungewohntes, das man nicht kennt. Wenn es jedes Mal ein neues Auto wäre, wäre es schwieriger, aber so fährt man nicht mit dem Formel 3 die Gerade runter und versucht, am Lenkrad zu schalten. So ist es nicht."

Formel 3 für Vettel sportlich kein Abstieg

"Im Moment habe ich den riesengroßen Vorteil, dass ich in der Formel 3 Rennen fahren kann." Sebastian Vettel

Frage: "Geht es dir nicht so, dass du nach einem Formel-1-Einsatz in der Formel 3 den Eindruck hast, dass du jetzt wieder in etwas Kleinerem bist, wo du eigentlich nicht mehr sein solltest?"
Vettel: "Den Eindruck habe ich eigentlich nicht. Im Moment habe ich den riesengroßen Vorteil, dass ich in der Formel 3 Rennen fahren kann. Es ist natürlich fantastisch, dass ich Formel 1 fahren darf, das macht auch einen Riesenspaß, aber zuallererst fahre ich gerne schnelle Autos, ich mag den Wettkampf. Den habe ich in der Formel 3, wo die Meisterschaft eng und spannend ist. Das liebe ich und macht mir sehr viel Spaß."

Frage: "Wie siehst du deine Zukunft?"
Vettel: "Ich bin ja noch relativ jung. Das Ziel ist schon, weiter Rennen zu fahren - und wenn man dann zudem noch die Chance bekommt, regelmäßig Formel 1 zu testen und Erfahrungen zu sammeln, wäre das fantastisch."

Frage: "Wie soll das funktionieren?"
Vettel: "Das müssen wir uns auch noch überlegen. Das ist erst einmal die Theorie. Mal schauen. Wenn das alles fertig ist, kann man sich mehr Gedanken drüber machen, aber jetzt habe ich eh einiges zu tun. Ich will mir vorstellen, nächstes Jahr Rennen zu fahren. Man muss schauen, welcher Schritt am logischsten ist."

Frage: "Aber es wäre schon logisch, auf ein Renncockpit zu gehen, denn ein Jahr Rennpause tut niemandem gut..."
Vettel: "Auf ein Renncockpit in der Formel 1 zu gehen, wäre ein bisschen früh."

Frage: "Hier in Shanghai geht es für dich ja darum, die Freitagsbestzeitenserie zu verteidigen, nicht wahr?"
Vettel: "Für mich persönlich vielleicht, ja, aber es ist wichtiger, ein gutes Setup herauszufahren. Hier ist das wichtig, weil man die Strecke so gut wie gar nicht kennt. Man ist zwar schon zweimal hier gefahren, aber es verändert sich ja immer wieder etwas am Auto. In Europa ist der Vorteil, dass man die Strecken schon seit vielen Jahren kennt, die Charakteristik und so weiter, dass man ab und zu dort testet, aber hier fahren wir nur ein Rennen und gehen dann wieder. Hier ist es schwierig, aus Erfahrungswerten ein Setup zu basteln, aber dafür habe ich ja morgen zwei Stunden Zeit. Das Auto ist für mich dabei mindestens genauso wichtig wie die Reifen."

Vettel sieht Schumacher als WM-Favoriten

"Wenn man es hier im Fahrerlager mitbekommt, dann ist die Luft mittlerweile schon ziemlich dünn." Sebastian Vettel

Frage: "Du befindest dich selbst in einem Titelkampf. Wie siehst du das WM-Duell Fernando Alonso gegen Michael Schumacher?"
Vettel: "Ich bin ja immer aktiv dabei, von daher bekomme ich es ein bisschen mehr mit. Ansonsten habe ich alles immer im Fernsehen mitverfolgt, aber wenn man es hier im Fahrerlager mitbekommt, dann ist die Luft mittlerweile schon ziemlich dünn. Man verfolgt logischerweise auch mehr die Presse und was geschrieben wird, was ja auch sehr interessant ist. Schumacher hat bis zum Saisonfinale in Brasilien die besseren Karten, denn Ferrari war von der Gesamtleistung in den letzten Rennen stärker als Renault. Ob Renault noch einmal zurückkommt, muss man abwarten, aber ich glaube, es sieht im Moment ein bisschen besser für Ferrari aus."

Frage: "Auf die Frage, wer eines Tages in seine Fußstapfen treten könnte, hat Michael Schumacher gleich nach Nick Heidfeld schon dich genannt. Macht dich das stolz?"
Vettel: "Nein. Stolz nicht wirklich, denn mir ist es irgendwo egal, was andere Leute sagen. Ich habe großen Respekt vor Michael, aber ich mache mir darüber keine Gedanken, keinen Druck. Ich genieße das Fahren und habe Spaß daran - und wenn ich einmal die Chance bekomme, auch Rennen zu fahren, dann wäre das schon fantastisch. Ich mache mir da keinen Druck, weil Michael so etwas sagt. Es wäre auch falsch, die ganze Sache zu verkrampft anzugehen. Insofern ist es besser, alles auf sich zukommen zu lassen."

Frage: "Wird dir an der Formel 1 etwas fehlen, wenn Michael Schumacher weg ist?"
Vettel: "Ja, schon. Er hat die Formel 1 ja geprägt. Für alle ist es im Moment ein bisschen schwierig, sich die Formel 1 ohne Michael Schumacher vorzustellen. Er hat ein paar Fahrergenerationen überlebt. Es ist schon interessant, das jetzt zu beobachten, aber der Sport geht weiter. Das klingt ein bisschen hart, aber es gibt nach wie vor einige, die gut am Lenkrad drehen können. Als in anderen Sportarten die Besten zu ihrer Zeit zurückgetreten sind, hat man auch immer gefragt, wie es jetzt weitergehen soll, aber im Prinzip ist es immer weitergegangen."

Frage: "Wird es dann auch ein paar weiß-blaue Kappen geben?"
Vettel: "Hoffentlich!"