Das Wunder von Monza: Vettel gewinnt!

Mit der Leistung eines Champions gewann Sebastian Vettel das Regenrennen vor Kovalainen und Kubica - Massa Sechster, Hamilton Siebenter

(Motorsport-Total.com) - 714 Tage nach Michael Schumacher in Shanghai hat Deutschland wieder einen Formel-1-Sieger: Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari), von den Medien oftmals liebevoll als "Baby-Schumi" bezeichnet, machte heute nach seiner Pole-Position das Wunder von Monza perfekt und gewann im Stile eines ganz großen Champions den Grand Prix von Italien!

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Der jüngste Formel-1-Sieger aller Zeiten: Sebastian Vettel gewinnt in Monza!

Vettel schrieb damit Geschichte, denn er löste im Königlichen Park des Autodromo Nazionale di Monza Fernando Alonso als jüngsten Rennsieger der Königsklasse ab. Ein ganz besonderer Triumph auch für das ehemalige Minardi-Team Toro Rosso: Gerhard Berger gewinnt 20 Jahre nach seinem Sieg als Fahrer wieder in Monza, genau wie Giorgio Ascanelli, damals Bergers Renningenieur, heute Cheftechniker in Faenza.#w1#

Gutes Auto, gute Strategie, herausragender Fahrer

Die Sternstunde war aber kein Zufall und kein Glück, sondern ein herausgefahrener Sieg - dank eines guten Autos, einer guten Strategie und einer herausragenden fahrerischen Leistung des 21-jährigen Heppenheimers. Denn Monza 2008 war zwar ein Regen-, aber kein Chaosrennen. Trotzdem hatten es die Favoriten schwer: Felipe Massa (Ferrari) wurde Sechster, Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) Siebenter und Kimi Räikkönen (Ferrari) Neunter.

Sebastian Vettel

Gestartet wurde hinter dem Safety-Car, Sebastian Vettel meisterte das am besten Zoom

Gestartet wurde aus Sicherheitsgründen hinter dem Safety-Car, was sich als weise Entscheidung von Charlie Whiting herausstellen sollte, denn tatsächlich schlängelte sich das Feld auf Full-Wets sauber durch die erste Schikane. Allerdings setzte es für Toro Rosso noch vor dem Losfahren einen Schock - zum Glück den einzigen des Tages: Sébastien Bourdais, Vierter der Startaufstellung, blieb stehen, wurde an die Box zurückgeschoben und ging erst mit einer Runde Rückstand wieder auf die Strecke.

Nach zwei Runden wurde das Safety-Car reingeholt und das bis dahin neutralisierte Rennen offiziell freigegeben. Zwar gab es das eine oder andere Überholmanöver, doch trotz der klitschnassen Piste herrschten keineswegs unberechenbare Bedingungen. Extrem war aufgrund der hohen Geschwindigkeiten in Monza lediglich die Gischt, was Vettel clever nutzte, um sich rasch von seinen Verfolgern abzusetzen.

Starker Start von Vettel

Der Deutsche führte nach sechs Runden 5,8 Sekunden vor Heikki Kovalainen (McLaren-Mercedes) und 8,7 Sekunden vor Mark Webber (Red-Bull-Renault). Dahinter folgten zunächst Nico Rosberg (Williams-Toyota) und Massa. Weiter hinten im Feld blieb der erwartete Raketenstart von Räikkönen und Hamilton aus - die beiden Topstars hatten im Gegenteil sogar Mühe, Giancarlo Fisichella und Co. zu überholen.

Giancarlo Fisichella vor Kimi Räikkönen

Kurz vor seinem Ausfall fightete Giancarlo Fisichella noch gegen Kimi Räikkönen Zoom

Apropos Fisichella: Der Force-India-Ferrari-Pilot wurde zum einzigen Ausfall des Nachmittags, als er in der ersten Schikane mit David Coulthard (Red-Bull-Renault) kollidierte und dabei den Frontflügel beschädigte. Ein paar Kilometer weiter kollabierte dieser unter der Belastung von über 300 km/h, sodass der italienische Lokalmatador im Kiesbett der Parabolica strandete. Alle anderen 19 Fahrer kamen ins Ziel.

Hamilton phasenweise überragend

Nach gut zehn Runden kam dann zumindest der Hamilton-Express ins Rollen, als er Räikkönen in den Lesmo-Kurven überrumpelte. Der WM-Leader war sowieso der Racer des Tages, denn seine Ausbremsmanöver vor der Variante della Roggia erinnerten an die Kompromisslosigkeit seines großen Vorbilds Ayrton Senna. Auch Massa zeigte in der 13. Runde eine schöne und erfolgreiche Attacke gegen Rosberg, mit dem er sich rundenlang matchen musste.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton fuhr phasenweise Zeiten wie von einem anderen Stern Zoom

Nach 15 Runden führte Vettel schon 9,5 Sekunden vor Kovalainen. Im 17. Umlauf schien Hamilton nach einem Überholmanöver gegen Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team) erstmals in den Punkterängen auf. Dann begann die Serie der ersten Boxenstopps: Vettel stand in der 18. Runde 8,4 Sekunden - und kam damit deutlich früher rein als Kovalainen, Webber und Massa (alle 22.). An der Reihenfolge änderte sich zunächst nichts.

Hamilton fuhr in jener Phase des Rennens wie von einem anderen Stern, tauchte unmittelbar vor seinem ersten Boxenstopp schon formatfüllend im Rückspiegel von Leader Vettel auf, machte dann aber einen entscheidenden Fehler: In Erwartung eines weiteren Regenschauers tankte ihn McLaren-Mercedes voll auf und gab ihm Full-Wets - aber der Regen sollte ausbleiben und später einen Wechsel auf Intermediates erforderlich machen.

Vettels Strategie ging perfekt auf

Das spielte natürlich Vettel in die Hände, der ohnehin auf einer Zweistoppstrategie war und nach seinem letzten Service in der 36. Runde nur noch auf der Strecke geschlagen werden konnte. Als Erster hatte Coulthard auf Intermediates gewechselt, in der 30. Runde dann auch Alonso. Letzterer fuhr prompt sehr konkurrenzfähige Rundenzeiten - und sorgte damit für eine Welle der Hektik in der Boxengasse.

Gerhard Berger und Sebastian Vettel

20 Jahre nach dem Sieg als Fahrer durfte Gerhard Berger wieder auf das Podium Zoom

Natürlich war dies ein schwerer Rückschlag für all jene, die ihren letzten regulären Stopp bereits absolviert hatten und noch einmal reinkommen mussten, um die Reifen zu wechseln. Dies warf unter anderem auch Timo Glock (11.), Jarno Trulli (13./beide Toyota) und Rosberg (14.) aus den Punkterängen. Räikkönen hatte hingegen goldrichtig gepokert, blieb aber über weite Strecken farblos und spielte in der Entscheidung keine Rolle.

Der Finne drehte zwar in der Schlussphase groß auf, fuhr eine schnelle Runde nach der anderen und schnupfte unter anderem noch Nelson Piquet (Renault), aber als Neunter ging er beim Ferrari-Heimspiel trotzdem leer aus. Für Kubica ging die Einstoppstrategie mit dem langen ersten Stint hingegen perfekt auf, sodass er sich hinter Vettel und Kovalainen noch auf das Podium nach vorne schob. Teamkollege Nick Heidfeld wurde mit der gleichen Taktik Fünfter.

Finale Grande von Vettel

Nach 38 von 53 Runden hatte Vettel solide neun Sekunden Vorsprung auf Kovalainen - aber statt auf abtrocknender Strecke im unterlegenen Auto noch einmal ernsthaft unter Druck zu geraten, setzte sich der neue Stern am Formel-1-Himmel noch weiter vom Silberpfeil ab! Vettel spulte sein Programm eiskalt herunter und hatte auf der Ziellinie sichere 12,5 Sekunden Vorsprung auf Kovalainen und 20,4 auf Kubica.

Fernando Alonso vor Felipe Massa

Fernando Alonso wechselte früh auf Intermediates und wurde dafür belohnt Zoom

Mit Platz vier wurde Alonsos Intermediate-Poker belohnt, gefolgt von Heidfeld, Massa, Hamilton und Webber. Hamilton trumpfte auch nach seinem letzten Boxenstopp noch einmal groß auf, saugte sich in Siebenmeilenstiefeln an Massa heran, doch hinter seinem direkten WM-Konkurrenten war dann Endstation. Vorbehaltlich der Berufungsverhandlung von Paris am 22. September führt der McLaren-Mercedes-Pilot damit nur noch einen Zähler vor Massa.

Farblose Vorstellung von Sutil

Für Kazuki Nakajima (12./Williams-Toyota) und Jenson Button (15./Honda) lohnte sich das Risiko, das Setup umzubauen und dafür aus der Boxengasse zu starten, nicht. Enttäuscht dürfte auch Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) sein, denn der Regenspezialist hatte wie schon gestern im Qualifying Probleme und kam mit zwei Runden Rückstand als Letzter ins Ziel - noch hinter Pechvogel Bourdais, der 18. wurde und angesichts des Erfolgs seines Teamkollegen sehr niedergeschlagen war.

Fernando Alonso und Sebastian Vettel

Erster Gratulant: Fernando Alonso ist seinen Rekord als jüngster Sieger los Zoom

Bei Toro Rosso spielten sich nach dem Rennen natürlich unglaubliche Szenen ab: Berger und Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz, für den es ebenfalls der erste Formel-1-Sieg war, lagen sich jubelnd in den Armen, Vettels Vater Norbert brach in Tränen aus: "Saugeil!" Der Sohnemann brachte ebenfalls nicht viel heraus: "Das ist der beste Tag meines Lebens! So schön hätte ich mir das in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt."

In der Konstrukteurs-WM überholte Toro Rosso heute sensationell das Red-Bull-A-Team um einen Punkt, womit die Berger-Truppe nun auf Rang sechs liegt. Die Spitze hat weiterhin Ferrari (134) vor McLaren-Mercedes (129) und dem BMW Sauber F1 Team (117) inne. Bei den Fahrern steht es zwischen Hamilton und Massa 78:77. Dritter ist Kubica (64), Vierter Räikkönen (57). Nur noch sechs Piloten haben theoretisch Titelchancen.


Fotos: Großer Preis von Italien, Sonntag