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Vettel: Formel 1 war vor 25 Jahren cooler

Sebastian Vettel erklärt, was an der Formel 1 vor 25 Jahren cooler war, und schwärmt von seiner Ausfahrt in Gerhard Bergers 1988er-Ferrari

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er kein Freund des neuen Reglements ist. Bereits im März hatte er den Sound der neuen Antriebseinheiten als "scheiße" bezeichnet und scharfe Kritik an der Hybridtechnologie geübt: "Leider mache ich die Regeln nicht, sonst hätten wir einen schönen V12 im Heck und die Batterien wären da, wo sie hingehören, nämlich im Handy."

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel in Gerhard Bergers Ferrari von 1988

Sebastian Vettel wäre am liebsten in den 1980er-Jahren Formel 1 gefahren Zoom

Vettels kritische Aussagen kamen nicht überall gut an, besonders nicht bei FIA-Präsident Jean Todt. In der Folge drückte er sich gewählter aus, doch seine grundsätzliche Meinung hat er nicht geändert. "Auf meine Meinung kommt es nicht an, ich mache die Regeln nicht", antwortet er auf die Frage, was er am liebsten ändern würde, wenn er es könnte. "Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass ich kein Fan des Sounds bin. Das würde ich ändern."

"Alles andere ist ein gewaltiger Schritt", fährt der 26-Jährige fort. "Man kann darüber diskutieren, ob es für das Racing und die Show etwas bringt, denn die Rennen sind nicht aufregender als in vergangenen Jahren. Es ist normal, dass ein Team die Regeln ein bisschen besser versteht, wenn es neue Regeln gibt. Das ist die Situation, die wir momentan haben. Aber immer dann, wenn es neue Regeln gab, war ein Team oder ein Hersteller besser als der Rest."

Einfluss des Fahrers sollte größer sein

"Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports und war immer die Spitze der Technologie im Motorsport. Dieses Element hat es schon immer gegeben", sagt er. "Aber es sollte auch der schnellste Fahrer gewinnen. Man muss also eine Formel schaffen, die dem Fahrer Spielraum gibt, sein Können zu zeigen. Momentan gibt es jede Menge neuer Systeme in den Autos, die von außen und nicht mehr von innen kontrolliert werden."

Vor dem Grand Prix von Österreich hatte Vettel die Gelegenheit, Gerhard Bergers Ferrari F1/87/88C aus der Saison 1988 zu testen. Das sei "wirklich cool" gewesen: "Ich habe es sehr genossen. Die Autos sind ganz anders als heute: drei Pedale, eine manuelle H-Schaltung, jede Menge Leistung, die ziemlich zufällig reinkickt und nicht so kontrolliert wie heute. Die Sitzposition war auch anders, aber die Autos haben Spaß gemacht."

Sebastian Vettel, Gerhard Berger, Ferrari 88C

Sebastian Vettel im Ferrari von 1988: Damals machten ihm Turbos noch Spaß Zoom

"Wenn ich die Gelegenheit hätte, in der Zeit zurück zu reisen und in einem dieser Autos Rennen zu fahren, dann würde ich das ohne jeden Zweifel machen", outet sich Vettel als Fan der ersten Turbo-Ära. "Ich habe jetzt auch noch größeren Respekt vor den Jungs von damals, denn die hatten im Cockpit viel mehr Arbeit. Es war auch andere Arbeit als heute. Die Autos waren in den Kurven langsamer, aber auf den Geraden ziemlich schnell. Es hat Spaß gemacht damals."

Zwischengas beim Runterschalten

Der Ferrari war für den Deutschen ungewohnt, aber nicht unangenehm: "Es ist ein ganz anderes Fahren. Ich hatte doch ein paar Runden, um mich daran zu gewöhnen, wieder mit Kupplung, Rechtsbremsen, Zwischengas beim Runterschalten zu fahren - so, wie ich vor einigen Jahren angefangen habe, als ich zum ersten Mal im Formel Ford saß. In der Formel BMW gab es ja dann schon ein sequentielles Getriebe", erinnert er sich.

"Es ist nicht so, als wäre das alles vergessen - höchstens ein bisschen eingerostet, deswegen war der eine oder andere Schaltvorgang ein bisschen unsauber. Aber nach ein paar Runden habe ich mich sehr wohl gefühlt und wäre am liebsten immer weiter gefahren", meint er. "Man kriegt natürlich ein bisschen Einblick in die Zeit von früher - mit so viel Leistung zu fahren, aber insgesamt waren die Autos doch weit unter dem Standard von heute."


Fotostrecke: Legenden in Spielberg

Kurvengeschwindigkeiten heute höher

"Die Autos damals waren schon langsamer als die Autos heute, gerade aufgrund der Kurvengeschwindigkeiten. Geradeaus geben sie sich nicht viel", so Vettel. "Von der Leistung her war das schon das Ende der Turbo-Generation, wo die Leistung schon stark begrenzt war. Wäre natürlich interessant gewesen, ein Auto von 1985 oder 1986 zu fahren, mit mehr Ladedruck. Aber es war trotzdem ein schönes Erlebnis, das sehr viel Spaß gemacht hat."

Als Vettel 2006 (als Testfahrer) beziehungsweise 2007 in die Formel 1 aufstieg, war diese gerade auf dem Höhepunkt, was die Einstellmöglichkeiten für den Fahrer anging. 2013 zum Beispiel wurden etwa auch die KERS-Zusatzleistung oder der verstellbare Heckflügel (DRS) via Lenkrad-Knopfdruck gesteuert. Zumindest die Zusatzpower durch das Hybridsystem wird nun durch die Software kontrolliert und nicht mehr durch den Fahrer.

Lenkrad, Mercedes

Ein Formel-1-Lenkrad ist heutzutage wie eine kleine Kommandozentrale Zoom

So gesehen hat die Formel 1 einen Schritt zurück gemacht: "Zu dem Zeitpunkt, als ich eingestiegen bin, gab es andere und mehr Möglichkeiten, was die Technik angeht, damals mit Traktionskontrolle, die Möglichkeit das Differenzial für jede einzelne Kurve anzupassen. Das hat man alles ein bisschen zurückgenommen, die Traktionskontrolle gibt's nicht mehr. Deswegen ist das mehr oder weniger die Formel 1, die ich kennengelernt habe", sagt Vettel.

Technik-Setup nimmt dem Fahrer viel weg

Sprich: Statt mehr selbst mit den Fingern zu steuern, ist das Einstellen der Technologie wichtiger geworden. "Der Schritt dieses Jahr ist natürlich extrem, weil eben die Technik so viel komplexer geworden ist, dass man als Fahrer erstmal dahintersteigen muss. Das fällt den Ingenieuren schon schwer. Aber es ist von großem Vorteil, wenn man sich damit befasst, um es zu verstehen - und letzten Endes dann auch zu sagen, wo der Schuh drückt", beschreibt der Weltmeister.

Und er erklärt: "Tatsache ist, dass wir härtere Reifen haben. Dadurch rutschen die Autos mehr. Tatsache ist, dass wir Anpressdruck verloren haben. Dadurch rutschen die Autos mehr. Tatsache ist, dass wir einen neuen Antriebsstrang mit mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich haben. Dadurch hast du an den Kurvenausgängen mehr Probleme. Andererseits sind die Rundenzeiten langsamer, das Fahren ist also körperlich weniger anstrengend."

"Aber unterm Strich ist es ein Rennauto - und es ist immer noch sehr schwierig, schnell zu sein", betont er. "Es gibt jetzt viel mehr Technologie, die abgestimmt werden muss. Dass diese Technologien miteinander harmonieren, ist entscheidend. Da sind wir noch in der Frühphase. Viele Teams hatten und haben Probleme mit dem Brake-by-Wire-System. In der Theorie klingt das alles nett und es sollte einfacher abzustimmen sein, aber in der Praxis sieht es anders aus."

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