Vettel: Ein bisschen berauscht vom Champagner
Sebastian Vettel schildert im Detail seinen Weg zum ersten Saisonsieg in Malaysia und analysiert seine neue Ausgangslage in Sachen Titelkampf
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel durfte endlich wieder auf die oberste Strufe des Treppchens steigen: Nach den technischen Problemen in Bahrain und Melbourne blieb sein RB6 in der Hitze Sepangs standfest und Vettel durfte seinen ersten Saisonsieg feiern. In der Weltmeisterschaft hat er damit plötzlich wieder alle Chancen: Der Red-Bull-Pilot ist nun Dritter, punktgleich mit dem Zweiten, Fernando Alonso und nur zwei Zähler hinter dem neuen Spitzenreiter Felipe Massa.

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Sebastian Vettel gönnte sich einen tiefen Schluck aus der Champagnerflasche
Nach dem Rennen ging Vettel vor den internationalen Medien den Grand Prix noch einmal im Detail durch, vom entscheidenden Start bis zur emotionalen Feier auf dem Podium. Zudem sprach er über seine Ausgangslage im Titelkampf und seine Herangehensweise an die nächsten Rennen.#w1#
Frage: "Sebastian, wie groß ist die Erleichterung nach den letzten beiden Rennen?"
Sebastian Vettel: "Es ist eine große Erleichterung. Sorry - ich fühle mich ein bisschen berauscht vom Champagner. Ich glaube, ich habe ein bisschen zu viel erwischt. Ich bin sehr zufrieden. Es ist ein großartiger Tag für uns und Red Bull. In den ersten beiden Rennen sind wir nicht da gelandet, wo wir wollten. Aber das ist ein großartiges Ergebnis."

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Mit einem guten Start legte Sebastian Vettel den Grundstein für seinen Sieg Zoom
"Für mich war der Start entscheidend. Ich hatte einen guten Start, kam auf Anhieb gut weg. Ich war ein bisschen besorgt, weil ich auf der dreckigen Seite starten musste. Aber ich war wirklich geduldig, habe versucht, den Wheelspin zu kontrollieren und nicht zu früh aufs Gas zu gehen. Das war der Schlüssel, um an Nico Rosberg vorbeizukommen und dann mit viel Schwung in die erste Kurve zu gehen."
"Bis dahin war es ein langer Sprint hinter Mark Webber. Und ich konnte ihn einholen und in Kurve eins ausbremsen. Es war allerdings recht knapp. Respekt auch vor Mark: Er hätte sich in Kurve eins und zwei auch anders verhalten können, aber so war es gut. Unter Teamkollegen passt man da aber auch besser auf, denn es sieht im Fersehen einfach extrem dämlich aus, wenn man seinem Kollegen ins Auto fährt. Der Kampf ging bis in Kurve vier weiter. Es war für uns beide extrem rutschig, es ging darum, wer zuerst bremst und ob das Auto stoppt. Das ist ganz anders als im Qualifying, man hat ganz andere Referenzpunkte. Jetzt ist das Auto voll mit Benzin und es ist ein bisschen abenteuerlich, seinen Bremspunkt zu finden."
"Danach habe ich gesehen, dass wir auf eins und zwei waren. Das war wichtig. Wir konnten uns auf Nico einen Vorsprung herausfahren. Aber Mark hat nicht aufgehört zu pushen, also musste ich selbst auch Gas geben. Ich habe versucht, meine Reifen zu schonen, vor allem im ersten Stint mit den weichen Reifen. Ich war recht zufrieden damit, wie sie gehalten haben. Ich wollte sie für das Ende des Stints noch ein bisschen schonen. Die harten Reifen waren dann recht solide und man konnte durchgängig Gas geben."
"Aber Mark hat nicht aufgehört, Druck zu machen. Er kam ein bisschen näher und ich habe gesehen, dass er schnellere Rundenzeiten fährt als ich. Deshalb habe ich einfach versucht, meinen Vorsprung zu kontrollieren. Das war schwierig, denn man ist früher auf die zu überrundenden Autos aufgefahren als gedacht. Über Funk wurde mir irgendwann gesagt, dass wir rund zehn Sekunden schneller sind als die. Das war witzig, denn zwei Runden davor war da niemand und plötzlich hattest du sie eingeholt."
"Aber nun kann ich mit dem Ergebnis sehr, sehr zufrieden sein. Ich denke, dass wir schon gestern als Team einen guten Job gemacht haben. Mark hatte gestern das Pokerglück und hat sich die Pole geholt. Aber dass wir heute den Zweifachsieg geholt haben, ist fantastisch - vor allem für mich nach den ersten beiden Rennen. Von daher bin ich sehr happy."

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Teamkollege Mark Webber ließ sich einfach nicht abschütteln Zoom
Frage: "Der Start war entscheidend: War das alles Intuition oder geplant?"
Vettel: "Es war alles Intuition. Planen kann man viel, natürlich geht man vorher dem Start im Kopf durch und alle möglichen Situationen, was passiert wann und so. Aber in dem Moment reagiert man nur genau auf das, was passiert. Man konzentriert sich zunächst auf die Ampel. Und sobald die ausgeht, versucht man, so schnell wie möglich zu reagieren, den Start richtig hinzukriegen. Der Start von Nico Rosberg war vielleicht ein bisschen zu aggressiv, ich habe genau das Gegenteil probiert, weil ich wusste, dass wir auf der schmutzigen Seite stehen."
"Ich habe den Hinterrädern Zeit gegeben und bin langsam aufs Gas gegangen. Ich glaube, das war im Nachhinein gesehen der richtige Entschluss. Runter zur ersten Kurve habe ich mich im Windschatten angesaugt. Und dann entscheidet man aus dem Bauch heraus. Man hat gar nicht die Zeit dazu, das vorher groß durchzugehen, weil man schauen muss, dass man bis zur ersten Kurve immer ideal am Limit schaltet."
Frage: "Mark war dir in der Anfangsphase dicht auf den Fersen und kam dann im zweiten Stint wieder an dich heran. Lag das am Verkehr?"
Vettel: "Wenn man in Führung liegt und ein Polster von ein paar Sekunden hat, dann versucht man im Verkehr nichts Dummes. Ich glaube, dass die Jungs in den langsameren Autos einen ziemlich schwierigen Job haben. Vor drei Kurven hatten sie noch niemand im Spiegel und plötzlich hängt da jemand hinter ihnen. Von daher ist es manchmal einen kleines Abenteuer, an ihnen vorbeizukommen. Aber sie haben es sehr gut gemacht."
"Manchmal verliert man etwas mehr Zeit, je nachdem, wo man sie überholen muss und wie schnell sie zur Seite gehen. Aber das lief alles recht kontrolliert ab. Auf den harten Reifen war Mark am Anfang ein bisschen schneller. Ich habe versucht, mich nach seinen Zeiten zu richten. Damit wurde die Lücke manchmal ein bisschen kleiner, manchmal habe ich etwas dazugewonnen."
"Irgendwann habe ich dann nur noch versucht, das Auto heil nach Hause zu bringen. Ich habe sogar gehofft, dass es regnet, weil es so heiß war. Ich glaube, dass wir alle recht viel Flüssigkeit verloren haben. Deshalb könnte man sich nach zwei Schluck Champagner schon leicht beschwipst fühlen. Ich bin noch jung. Ich bin das nicht gewohnt."
Emotionen auf dem Podium
Frage: "Hast du dich an die österreichische Hymne überhaupt noch erinnern können?"
Antwort: "Ja, es war schon eine Zeit lang her seit dem vergangenen Jahr. Aber es ist natürlich schön, da vom Podium runterzuschauen und dem ganzen Team in die Augen zu sehen. Das geht einem heiß den Rücken runter, egal ob da die deutsche oder die österreichische Hymne läuft. Einfach die strahlenden Augen zu sehen - das ist das, warum wir jeden Sonntag neu angreifen, ins Lenkrad beißen und versuchen unser Bestes zu geben. Und ich glaube, dass das die Momente sind, die man nicht bezahlen kann."
Frage: "Wäre das Rennen auch so ausgegangen, wenn es gestern ein normales Qualifying gegeben hätte und Ferrari und McLaren näher an euch dran gewesen wäre?"
Vettel: "Ich denke, das gab uns schon ein bisschen den Luxus, dass wir drei da vorne ein bisschen allein waren. Es wäre mit Sicherheit anders gewesen. Aber ich glaube, dass wir an diesem Wochenende sehr, sehr schnell unterwegs waren. Wir hätten auch sonst die Chance gehabt, zu gewinnen. Im Endeffekt zählt das Ergebnis. Die Punkte gibt es für uns heute für den ersten und zweiten Platz und das ist sehr wichtig. Alles andere ist uns ziemlich egal."
Frage: "Hast du heute im Rennen irgendwann befürchtet, dass an deinem Auto wieder etwas kaputt geht?"
Vettel: "Nein, nicht wirklich. Manchmal hatte ich kurz den Gedanken: 'Es sieht gut aus, noch 20 Runden, dann sind wir im Ziel', aber man fährt einfach seine Runden. Vor allem hier ist es extrem heiß, man schwitzt, man muss daran denken, etwas zu trinken. Okay, das ist nicht besonders schwer, aber schwerer ist, sich das Getränk einzuteilen, nicht dass die Flasche nach dem halben Rennen leer ist. Aber wir haben heute gezeigt, was mit unserem Auto drin ist, wenn alles zusammenpasst. Und die Defekte, die wir in den ersten beiden Rennen hatten, sind sehr, sehr selten. Wir hatten da ein bisschen Pech."
Frage: "Was war dann kurz vor Schluss mit Jarno Trulli genau los?"
Vettel: "Da waren gelbe Flaggen, weil Fernando Alonso da stand. Und unter Gelb darf man nicht überholen. Also musste ich warten. Aber er hat versucht, noch langsamer zu fahren, um mich vorbeizulassen. Das war ein ziemlich kritischer Moment. Ich musste mich zurückhalten, bevor es wieder grün wurde. Wenn es enger zugangen wäre, wäre die letzte Runde noch einmal aufregend geworden. Aber wir hatten ein ganz gutes Polster und so konnte ich es mir leisten, ein paar Sekunden zu verlieren. Aber man kommt da an und weiß nicht wirklich, was man tun soll. Darf ich überholen, muss ich warten? Das war recht schwierig."
Im Titelkampf das Blatt gewendet
Frage: "Du hast nur ein Rennen gebraucht, um in der Meisterschaft auf Felipe Massa und Fernando Alonso aufzuschließen. Hättest du erwartet, dass es so schnell geht?"
Vettel: "Es wird immer sehr viel passiert und Dinge geschehen. Klar, unser erstes und zweites Rennen waren nicht großartig, wir haben nicht den besten Job gemacht. Aber so ist das Leben. Man baut Rennwagen so schnell man kann. Sie sind am Limit und manchmal geht etwas kaputt. Entscheidend ist natürlich, wann das passiert. Wenn am Freitag etwas kaputt geht, interessiert es niemand. Aber wenn es am Sonntag passiert, heben das alle hervor und werfen dir deine mangelnde Zuverlässigkeit vor."

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Zusammen gewinnen, zusammen verlieren: Sebastian Vettel und sein Team Zoom
"Wir sind ein Team, wir gehen zusammen durch gute und schlechte Zeiten. Wir gewinnen und wir verlieren gemeinsam. Es ist nicht wie beim Fußball, wo man vielleicht den Trainer austauscht, wenn man zweimal verloren hat. Also machen wir weiter und wir haben bewiesen, dass wir zurückkommen können. Ich kenne die genaue Meisterschaftstabelle jetzt nicht, aber wir haben heute 25 Punkte geholt. Ich habe gesehen, dass Fernando Alonso einen Motorschaden hatte. Der Abstand zwischen uns hat 25 Punkte betragen, also ist der jetzt weg."
"Das ist gut. Das zeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Es ist eine sehr lange Saison. Wir haben immer noch 16 Rennen vor uns, das ist sehr viel. Wir sind hier, um unser Bestes zu geben. Und wir wollen beide um die Meisterschaft kämpfen, auch für das Team. Mit den Plätzen eins und zwei haben wir viele Punkte für das Team und für uns selbst eingefahren. Von daher denke ich, dass wir jetzt eine wesentlich bessere Ausgangslage haben als noch am Freitagmorgen."
Frage: "Hast du das Gefühl, dass deine Saison erst hier angefangen hat?"
Vettel: "Nein, die Saison hat in Bahrain angefangen. Immerhin haben wir da auch schon viele Punkte geholt und die können noch sehr wichtig werden. Die Saison beginnt, wenn sich alle zum ersten Rennen treffen. Und das war in Bahrain."
Frage: "Im vergangenen Jahr hast du das dritte Rennen gewonnen, in diesem Jahr auch. Hast du im Kampf um den Titel den gleichen Zeitplan wie im vergangenen Jahr?"
Vettel: "Vergangenes Jahr war vergangenes Jahr, dieses Jahr ist dieses Jahr. Wir schauen immer nach vorn. Man kann in der Vergangenheit leben oder in der Zukunft. Doch ich halte es für das Beste, im Hier und Jetzt zu leben. Von daher müssen wir uns auf das konzentrieren, was jetzt passiert. Wir fliegen jetzt erst einmal heim und kehren dann für das Rennen in China nach Asien zurück. Unsere Auto werden mehr oder weniger direkt dorthin gebracht, aber es gibt eine kleine Pause zwischen den Rennen."

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Im vergangenen Jahr durfte Sebastian Vettel auch in China jubeln Zoom
"Hoffentlich haben wir in China das gleiche Ergebnis wie im vergangenen Jahr. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Jedes Rennen ist eine neue Herausforderung. Vor dem ersten Rennen hatte ich den Eindruck, dass wir recht schnell sind. Ferrari war sehr schnell und in Melbourne lagen wir plötzlich zurück. In Bahrain waren sie nicht weit hinter uns. Das zeigt, wie sich der kleinste Unterschied bei Strecke, Layout und so weiter auswirkt. Wir haben gesehen, dass Mercedes hier sehr stark war."
"Vielleicht sind wir im Moment leicht im Vorteil, aber wir müssen hart weiter arbeiten und uns auf das konzentrieren, was aktuell passiert, um die Performance beibehalten zu können. Und dann schauen wir von Rennen zu Rennen. Es kann sein, dass es Zeiten gibt, in denen wir auch Probleme haben und nicht gewinnen können. Vielleicht können wir dann nur Vierter oder Fünfter werden, aber wir müssen dann sicherstellen, dass wir eben diese Plätze holen, statt das Auto an die Mauer zu setzen, Achter zu werden oder nicht in die Punkte zu kommen. So sollte es funktionieren."
Frage: "Was hast du dir dann für die nächste Zukunft vorgenommen?"
Vettel: "Für das nächste Rennen ist das erste Ziel, am Samstag wieder den bestmöglichen Job abzuliefern, nämlich die Pole zu holen."

