• 09.12.2010 19:39

  • von Britta Weddige

Vettel: "Die Kunst ist, dein Hirn auszuschalten"

Weltmeister Sebastian Vettel weiß, worauf es im Formel-1-Cockpit ankommt - Seine früheren und aktuellen Wegbegleiter geraten über sein Fahrkönnen ins Schwärmen

(Motorsport-Total.com) - Mit seinen gerade einmal 23 Jahren hat Sebastian Vettel das erreicht, wovon unzählige andere Rennfahrer ihr ganzes Leben lang nur träumen können: Er ist Formel-1-Weltmeister. Dieser Erfolg scheint kein Zufall, sondern nur die logische Konsequenz aus Vettels Fähigkeiten im Cockpit zu sein. Unsere Kollegen von 'Sport Bild' haben mit dem Red-Bull-Piloten und seinen Wegbegleitern darüber gesprochen, worauf es im Formel-1-Auto ankommt - und was Vettel so besonders gut und schnell macht.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettels Erfolgsgeheimnis: Hirn aus- und Instinkte einschalten

Der frisch gebackene Weltmeister selbst glaubt eigentlich nicht, dass er einen speziellen Fahrstil hat. Es komme eben nur darauf an, sich den besonderen Eigenschaften des Autos anzupassen: "Untersteuert ein Auto, musst du versuchen, das Problem irgendwie zu umfahren. Das Gleiche musst du bei übersteuernden Autos versuchen." Und dass Vettel das besonders gut kann, bestätigt sein Renningenieur Guillaume Rocquelin: "Seine große Stärke ist es, dass er seine Linien- und Bremspunktwahl je nach Fahrverhalten des Autos und den Streckenbedingungen anpassen kann."

Vom Fahrgefühl des jungen Weltmeisters schwärmt auch Vettels erster Förderer Gerhard Noack. Schon als Kind habe der Heppenheimer sich auf die unmöglichsten Situationen einstellen können. So erinnert sich Noack an ein Kartrennen in Kerpen, bei dem der damals achtjährige Vettel auf Slicks um den regennassen Kurs rutschen musste: "Er hat das mit Bravour gemeistert. Sein extremes Fahrgefühl war beeindruckend." Und Vettels heutiger Red-Bull-Teamchef Christian Horner schwärmt: "Er hat eine unglaubliche Fahrzeugbeherrschung. Dabei, und das ist einfach unglaublich, verbraucht er relativ wenig Sprit."

Sebastian Vettel

Teamchef Christian Horner schwärmt von Vettels Fahrzeugbeherrschung Zoom

Wie es sich anfühlt, in einem Formel-1-Boliden um einen Kurs zu rasen, kann sich wohl niemand vorstellen, der es noch nicht selbst versucht hat. Zwischen dem normalen Autofahren, selbst mit einem sehr sportlichen Auto, und dem Formel-1-Fahren liegen laut Vettel "Lichtjahre". Den größten Unterschied machen die Bremsverzögerung und die hohen Kurvengeschwindigkeiten aus.

"Diese zwei Umstände sind mit Logik nicht zu begreifen", sagt der Heppenheimer. "Die Kunst dabei ist, dein Hirn auszuschalten und automatisch zu fahren, irgendwie instinktiv. Vieles ist dann Gewöhnung, aber natürlich ist auch ein wenig Wahnsinn dabei." Und last but not least ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg, so zu fahren, dass die Reifen in ein optimales Arbeitsfenster kommen.

Für seinen früheren Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost ist Vettel eigentlich der perfekte Rennfahrer. Denn er vereine alles in sich, worauf es ankommt: Leidenschaft, technisches Verständnis, Übersicht, Disziplin und Durchsetzungsfähigkeit sowie mentale Stärke. "Hätte der liebe Gott einen Cocktail gemixt mit allen Zutaten für den optimalen Rennfahrer, herausgekommen wäre dabei Sebastian Vettel", schwärmt Tost.

Das bestätigen andere Weggefährten des Heppenheimers. Laut Peter Mücke, in dessen Team Vettel als 16-Jähriger in der Formel BMW fuhr, konnte der heutige Weltmeister schon damals "in sein Auto hineinhören", präzise Aussagen für die Abstimmung des Autos treffen und Nervenstärke unter Beweis stellen. Auch BMW Motorsport Direktor Mario Theissen, der Vettel in die Formel 1 geholt hat, ist dessen Fähigkeit aufgefallen, im größten Stress die Ruhe zu bewahren.

Vettel scheint auch deshalb cool zu bleiben, weil er laut Renningenieur Rocquelin auch während des Fahrens sozusagen "multitaskingfähig" ist. Viele Piloten seien den vielen Informationen, die im Cockpit auf sie einströmen, überfordert. "Sebastian dagegen kann alles getrennt voneinander analysieren", so Rocquelin. Und so schafft es Vettel während eines Grand Prix sogar, auf den Bildschirmen am Streckenrand nach der schnellsten Rennrunde zu schauen. So geschehen 2009 in Abu Dhabi. Die Reaktion seines Renningenieurs darauf: "Unglaublich: Während des Rennens schaut er auch noch TV!"