• 13.07.2009 12:13

Vettel & Schumacher: Lernen vom Weltmeister

Michael Schumacher ist Rekordweltmeister, Sebastian Vettel die neue Hoffnung: Gemeinsam plauderten sie über Talent, Bewunderung und den Weg zum Erfolg

(Motorsport-Total.com) - Rekordweltmeister Michael Schumacher ist mit sieben Titeln unumstritten der große deutsche Formel-1-Superstar. Er ist das Vorbild unzähliger junger Talente, die sich aufmachen, in seine Fußstapfen zu treten. Eines dieser jungen Talente ist auf dem besten Weg dazu - Deutschlands neue Formel-1-Hoffnung ist er zumindest schon: Sebastian Vettel. Der Heppenheimer wird bereits als Schumachers potenzieller Nachfolger gehandelt.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher, Sebastian Vettel

Neuer Held und Superstar: Sebastian Vettel und Michael Schumacher

Der alte und der neue Superstar: Im Rahmen des Deutschland-Grand-Prix am Nürburgring gaben Schumacher und Vettel dem Fernsehsender 'RTL' ein Doppelinterview. Darin plauderten sie über die vielen Jahre, die sie sich schon kennen, über die Dinge, die sie aneinander bewundern. Schumacher erklärte, welche Talente Vettel mitbringt und Vettel verriet, was er sich beim Rekordweltmeister abschaut. Mit freundlicher Genehmigung von 'RTL' können Sie das komplette Interview hier noch einmal nachlesen:#w1#

Die erste Begegnung

Frage: "Wann seit ihr euch zum ersten Mal begegnet?"
Michael Schumacher: "Wir kennen uns eigentlich schon ziemlich lange. Richtig aufmerksam geworden bin ich bei einem famosen Rennen in Kerpen, da warst du glaube ich sieben oder acht, wenn mich nicht alles täuscht."
Sebastian Vettel: "Ich glaube, ich war schon elf..."
Schumacher: "Echt?"
Vettel: "Nein, zehn war ich. Es war 1997."

Schumacher: "Ich weiß es nicht mehr, er war auf jeden Fall noch etwas kleiner und flott unterwegs. Und damals bin ich im Prinzip auf ihn aufmerksam geworden. Über die Nähe zu Gerhard Noack, der ihn genauso gefördert hat wie mich seinerzeit, war es auch easy, den Kontakt zu halten und sich immer wieder zu treffen."

"Das Rennen war insofern etwas Besonderes, weil er der einzige war, der im Regen mit Slicks nach vorn fahren konnte." Michael Schumacher

Frage: "Was ist dir bei diesem Rennen aufgefallen?"
Schumacher: "Das Rennen war insofern etwas Besonderes, weil er der einzige war, der im Regen mit Slicks nach vorn fahren konnte. Es waren verschiedene Jungs mit Slicks unterwegs, es fing plötzlich an zu regnen und alle, die Regenreifen hatten, waren vorne - bis auf ihn. Er konnte im vorderen Feld mit Slicks mitfahren. Und das ist schon eine außergewöhnlich Gabe. Wenn man so etwas sieht, kann man sagen, dass sehr viel Talent dabei ist."

Frage: "Sebastian, hast du das auch so erlebt? Wusstest du, dass Michael dabei ist?"
Schumacher: "Klar, ich habe das Rennen ja abgewunken, insofern... (lacht; Anm. d. Red.)"
Vettel: "Natürlich wusste ich das. Für alle Kinder war es etwas Besonderes. Wir waren damals sieben bis elf Jahr alt und wir es waren über einhundert Starter, gerade beim letzten Lauf - weil er kam, um die Flagge zu schwenken und uns allen dann den Pokal zu übergeben. Das war etwas ganz Besonderes. Und da war es schon eine Leistung, ins Finale zu kommen, weil sich nur 34 qualifizierten. Ich stand dann ganz weit vorn und ich weiß noch ganz genau, wie uns der Rennleiter nach vorn geholt hat und Michael stand daneben."

"Voller Ehrfurcht habe ich aus meinem kleinen Helm geschaut." Sebastian Vettel

"Voller Ehrfurcht habe ich aus meinem kleinen Helm geschaut und er fragte so in die Runde, ob es mit dem Wetter okay sei. Ich sagte dann: 'Ja, wenn es so bleibt, könnte es gehen, aber es wird glatt.' Manche haben sich dann entschieden, auf Regenreifen zu starten, wir sind auf Slicks gegangen, weil wir gesagt haben: 'No risk, no fun.' Das ging in die Hose, wenn man sich das Resultat anschaut. Ich bin aber trotzdem noch Zweiter geworden. Es war also schon ein sehr gutes Rennen."

Das Vorbild Michael

Michael Schumacher, Sebastian Vettel

Vettels Kartzeit: Klein-Sebastian, Michael Schumacher und große Pokale Zoom

Frage: "War Michael dein Vorbild?"
Vettel: "Er war der Held. Bei dem NRW-Cup, der ausschließlich in Kerpen gefahren wurde und bei dem im Rahmen der Meisterschaft vier oder fünf Rennen im Jahr gefahren wurden, war für alle Kinder das Highlight, wenn Michael zum letzten Rennen kam, um uns zu ehren. Von daher war er für die meisten Kinder auf dem Platz der Held. Man hatte auch die Poster an der Wand. Die haben sich dann aber später, so im Alter von 14 oder 15, wenn man auf andere Gedanken gekommen ist, ein bisschen verändert, sie sind ein bisschen runder geworden. Es waren keine Autos mehr, sondern man hat sich nur noch auf die Menschen konzentriert (lacht; Anm. d. Red.)."

"Aber klar hat man immer zu ihm aufgesehen und von daher war es etwas ganz Besonderes, ihn schon so früh kennenzulernen. Man war voller Ehrfurcht, denn er war ja der, der da im Fernsehen die Rennen gewinnt und alle wegfegt. Und mit dem spreche ich jetzt gerade. Aber auf der anderen Seite ist er ein Mensch wie jeder andere auch. Und ich denke, dass wir ein ganz gutes Verhältnis haben. Gerade auf dem Platz haben wir ähnlich viel Spaß und wir genießen es beide."

Wird Vettel der kommende Weltmeister?

Frage: "Kann Sebastian Weltmeister werden?"
Schumacher: "Wie wir eben schon beim Thema Kartfahren besprochen haben: Die Gabe, sich unter extremen Bedingungen durchsetzen zu können und unter schwierigen Bedingungen keinen Fehler zu machen - dazu muss schon immens viel Talent vorhanden sein. Und das hat er, glaube ich, in all den verschiedenen Klassen immer wieder unter Beweis gestellt. Er hat es im vergangenen Jahr mit einem doch nicht unbedingt konkurrenzfähigen Auto ganz besonders unter Beweis stellen können. Er ist in Situationen, wo ihm das Auto halbwegs die Möglichkeit dazu gegeben hat, Rennen wie in Monza gefahren, die außergewöhnlich waren. Und er stellt es immer wieder unter Beweis."

Michael Schumacher und Sebastian Vettel

Teamerfolg: Beim Race of Champions siegten die beiden gemeinsam Zoom

"Insofern sind seine Fähigkeiten nicht mehr in Frage zu stellen. Sondern man muss einfach seinen Werdegang beobachten, wann und wie die Entscheidungen für ihn getroffen werden. Denn das ist sicherlich auch ein wichtiger Punkt, um später das Ziel, den Weltmeistertitel, erreichen zu können. Wir alle waren und sind von unseren Autos abhängig und damit steht und fällt der Erfolg. Aber bisher hat er da einen guten Riecher gehabt, er sitzt im Moment im absolut richtigen Auto, er macht einen hervorragenden Job. Dass hin und wieder ein paar Dinge passieren, die nicht ganz so vorhergesehen sind, ist auch normal."

Frage: "Melbourne?"
Schumacher: "Nein, das noch nicht einmal. Es kommen ganz einfach Erfahrungen auf einen zu. Er ist nun einmal noch jung und solche Erfahrungen muss man machen. Man kann nur aus schwierigen Situationen seine Lehren ziehen. Das ist mir und vielen anderen genauso gegangen. Und er ist jung genug, dass er das durchleben darf. Dadurch lernt er sehr schnell sehr viel. Und wir werden noch viel Spaß an ihm haben, davon gehe ich aus."

Der Mensch Michael Schumacher

Frage: "Was macht den Menschen Michael Schumacher aus?"
Vettel: "Ich denke, dass er so bodenständig geblieben ist. Ich glaube, nach außen kam es oft falsch rüber. Aber gerade wenn man es selbst erlebt, bekommt man mit, wie es ist, wenn auch nicht in dem Ausmaß. Man muss sich irgendwann auf sich selbst konzentrieren, auf das, was einem das Wichtigste ist. Und das sollte doch immer das Fahren sein. Und da kann man es vielleicht manchmal nicht jedem Recht machen. Ruckzuck versteht das der eine oder andere falsch und man wird als arrogant abgestempelt. Aber der Erfolg ist dann das Resultat der Art und Weise, wie er den Sport betrieben hat: immer das Ziel vor Augen."

"Er hatte immer den Hunger und er wollte sich stets verbessern." Sebastian Vettel

"Manchmal muss man auf dem Weg dahin vielleicht hier und da etwas opfer, aber ich glaube, dass er nie sein Ziel verloren hat, auch nicht nach einem Rennen, das er gewonnen hat oder nach einem Titel, den er gewonnen hat. Sondern er hatte immer den Hunger und er wollte sich stets verbessern. Er hat versucht, jedes einzelne Detail immer weiter zu verbessern - so habe ich es jedenfalls gesehen. Insgesamt war er dann eben um so viel besser als alle anderen. Denn die anderen waren vielleicht nicht so schlau, das alle mit in Betracht zu ziehen. Er war letzten Endes der Konstanteste und damit der Beste."

Das Erfolgsrezept

Frage: "Was ist das Erfolgsrezept?"
Schumacher: "Das Rezept für den Erfolg hat nicht nur eine Zutat. Da gehören sehr viele Dinge dazu. Und wenn man das Auge für all diese Details hat, schmeckt der Kuchen eben auch besser. Und ich gehe davon aus, dass die Kartschule, die Sebastian sehr intensiv durchlebt hat, sehr wichtig für ihn war. Dass er dort hat sehr viel lernen können, dass er eben auch auf diese vielen kleinen Details geachtet hat, dass er das bis in die Formel 1 mitgenommen hat und das dort noch intensiver durchleben kann. Was ich bei Sebastian als sehr angenehmen empfinde ist, dass sehr viele Faktoren vorhanden sind, aber eben auch noch diese Jugendlichkeit, die Unbeschwertheit bei ihm vorhanden ist. Deshalb macht es immer wieder Spaß, ihm zuzuschauen und ihm die Daumen zu drücken."

Lernen vom Weltmeister

"Das Rezept für den Erfolg hat nicht nur eine Zutat. Da gehören sehr viele Dinge dazu." Michael Schumacher

Frage: "Was lernst du von Michael?"
Vettel: "Wie angesprochen sind es mehr die Dinge neben der Rennstrecke. Denn die Autos und die Reifen ändern sich Jahr für Jahr und es ist immer wieder ein bisschen anders. Man muss als Fahrer die Linie immer neu wählen und ich kann ihn jetzt nicht fragen, wie er, als er vor drei Jahren, als er zum letzten Mal am Nürburgring war, Kurve acht angefahren ist."
Schumacher: "Ich war dort erst vor ein paar Wochen mit dem Motorrad, aber das hilft dir nichts..."
Vettel: "Da ist er glaube ich eine andere Linie gefahren (lacht; Anm. d. Red.). Das muss man irgendwann selbst rauskriegen. Man schaut es sich ein bisschen ab und redet eventuell auch mit anderen Fahrern darüber. Das hilft dann auch. Aber das muss man allein machen. Es sind mehr so Dinge neben der Strecke."

¿pbvin|512|1723||0|1pb¿"Ich kann mich noch gut an ein Beispiel erinnern: Ich stand vor meinem ersten Formel-1-Test und per Zufall habe ich ihn ein paar Wochen vorher getroffen. Ich hatte oft Frage, was das körperliche Training, die körperliche Fitness angeht und da hat er mir ein bisschen geholfen und mir den Tipp gegeben, zu schwimmen. Ich hatte immer das Problem, Luft zu bekommen, vor allem beim Kraulen, weil ich es nie richtig gelernt habe. Und nach diesem Gespräch habe ich irgendwann in den sauren Apfel gebissen, ich bin am Anfang fast gestorben und habe nach einer Bahn nach Luft gehechelt. Aber es ging dann immer besser und mittlerweile klappt es ohne Probleme."

"Es sind Dinge rechts und links, Details. Michael hat das Beispiel mit dem Kuchen genannt. Ich sehe es als großes Haus, und es ist nicht ein Stein, sondern es sind viele kleine Bausteine und am Ende kommt es auf die letzten paar Kleinigkeiten an. Die machen manchmal einen ganz kleinen Unterschied, manchmal aber auch einen ganz großen Unterschied aus."

Schumacher gegen Vettel

Frage: "Würde ein Formel-1-Duell Schumacher gegen Vettel reizen?"
Schumacher: "Was die Fitness und die Fähigkeit angeht, ist sicherlich die eine Sache. Aber die andere Sache ist, dass ich meinen Part geleistet habe, meinen Spaß hatte und es gerne sehe, wenn jetzt eine junge Generation antritt und sich gegeneinander misst. Es macht doch Spaß, da zuzuschauen. Ich habe sehr viele andere Hobbies, denen ich jetzt in Ruhe nachgehen kann, mit denen ich sehr viel Spaß haben kann. Ich genieße die Freiheit. Insofern: Nein, das reizt mich jetzt nicht wirklich. Wir können zwischendurch vielleicht mal Kartfahren und ein bisschen Spaß haben. Das ist auch in Ordnung."

"Ich habe so viel Spaß gehabt. Ich denke, früher oder später wird Sebastian das auch erfahren." Michael Schumacher

Vettel: "Natürlich war er eine Ausnahme, aber es ist jetzt nicht so, dass ich dem hinterher weine, dass ich zwei Jahre zu spät kam. Das ist Quatsch. Man muss einfach zurückdenken. Als ich noch ein kleiner Junge war, war das soweit weg für mich und auf einmal saß ich in dem Auto drin. Natürlich ging es Schritt für Schritt, es ging zwar schon schnell, aber für mich nicht zu schnell. Jedes Mal hatte ich doch genug Zeit, mich daran zu gewöhnen. Natürlich fällt man anfangs immer wieder auf die Schnauze, aber das gehört dazu. Es geht mal bergauf, mal bergab, man hat viel zu lernen. Später, wenn man ein bisschen Erfahrung hat, kommt die Routine, man ist sicherer und selbstsicherer. Und optimalerweise läuft das dann alles von allein."

Der Heim-Grand-Prix

Frage: "Ist ein Sieg beim Heim-Grand-Prix etwas Besonderes?"
Schumacher: "Definitiv, die Rennen in der Heimat überhaupt zu fahren und dann auch noch zu gewinnen, ist etwas Besonderes. Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir es 1995 zum ersten Mal geschafft, nach vielen Anläufen. Mit ist dann vor Freude sogar der Motor abgestorben hinterm Ziel und sie mussten mich dann zurückziehen. Aber ich habe es einfach nur genossen. Ich habe so viel Spaß gehabt. Ich denke, früher oder später wird Sebastian das auch erfahren. Wir drücken ihm auf jeden Fall die Daumen dafür."