Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!
Unzählige Skizzen, 135 Ingenieure, ein Produkt: MP4-21
135 Ingenieure haben in den vergangenen Monaten pro Woche 500 Skizzen entworfen, um ein Produkt zu entwickeln: den McLaren-Mercedes MP4-21
(Motorsport-Total.com/McLaren.com) - Der McLaren-Mercedes MP4-20 war in der vergangenen Saison das schnellste Auto der Formel 1, doch die "Silberpfeile" wollen sich auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen, sondern 2006 einen noch erfolgreicheren Nachfolger an den Start schicken. Der MP4-21 steht seit einer Woche im Testeinsatz, doch dahinter steckt natürlich monatelange Entwicklungsarbeit.

© McLaren
135 Ingenieure arbeiteten in den vergangenen Monaten am neuen MP4-21
Dem McLaren-Designteam in der hochmodernen Fabrik in Woking gehören nicht weniger als 135 Ingenieure an, die von Tim Goss geleitet werden. Goss zur Seite stehen Paddy Lowe und Neil Oatley, während die Aerodynamikabteilung von Peter Prodromou geleitet wird, der allerdings bereits einen Vertrag mit Red Bull Racing unterschrieben hat. Mike Coughlan als Chefdesigner und Steve Hallam als Chefrenningenieur komplettieren die technische Führungsetage.#w1#
Goss leitete die Entwicklung des MP4-21

© McLaren
In der McLaren-Fabrik in Woking sind mehr als 1.000 Mitarbeiter beschäftigt Zoom
"Das Entwicklungsprogramm für dieses Jahr", erklärte McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh kürzlich gegenüber 'Racing Line', "wird von Tim Goss geleitet. Er ist die Person, die sich Gedanken darüber machen muss, wie sich die Regeländerungen für 2006 auf das laufende Designprogramm auswirken. Seine Aufgabe war es auch, Leistung und Zuverlässigkeit des MP4-20 genau zu evaluieren."
Goss, der quasi das Erbe von Adrian Newey angetreten hat, arbeitete am MP4-21 eng mit Lowe zusammen. Gemeinsam delegierte das Duo vier Schlüsselabteilungen: das Aerodynamikteam unter Prodromou, welches für die Windkanaltests zuständig ist, die Fahrwerksdynamik unter Coughlan, die sich um die Umsetzung kümmert, sowie die Simulations- und natürlich die Renningenieure, die neue Lösungen testen und dazu ihren Senf abgeben müssen.
Arbeit am MP4-21 wurde im August 2004 aufgenommen
Bereits im August 2004 wurden die ersten Forschungsprojekte für den MP4-21 aufgenommen, also fast anderthalb Jahre vor seiner Geburtsstunde. Die ehemalige Ilmor-Motorenschmiede, die seit der Totalübernahme durch Mercedes 'Mercedes-Benz High Performance Engines' heißt, begann damals an der Arbeit am neuen 2,4-Liter-V8-Konzept. Nur zwei Monate später beschäftigte sich auch McLaren erstmals mit diesem Thema.
Im Frühstadium der Saison 2005, als man den MP4-20 bereits relativ gut kannte, wurden von den Aerodynamikern die ersten Designvorschläge gemacht, die großteils auf dem MP4-20 aufsetzten, aber auch einige neue Ideen beinhalteten. Das Auto wurde dafür in grundlegende Bereiche wie Chassis, Vorder- und Hinterachse unterteilt. Außerdem grub das Team jene Projekte aus, für die man sich beim MP4-20 zu wenig Zeit gelassen hatte, um sie zu überdenken und zu verbessern.
Jedes aerodynamische Element, welches von Prodromou und seinen Leuten zur weiteren Verarbeitung freigegeben wurde, landete im nächsten Schritt entweder im Windkanal oder in CFD-Computersimulationen. Gingen die Tests zufrieden stellend aus, wurde zunächst ein CAD-Modell entworfen, um das jeweilige Element fix und fertig in die Produktion übergeben zu können. Dieser Vorgang wurde parallel in allen wichtigen Bereichen vorangetrieben.
Meetings im Zweiwochenabstand ab Mai 2005
"Ab Mai 2005", so Lowe, "hielten wir im Abstand von zwei Wochen regelmäßige Meetings des Designteams, um die Fortschritte zu evaluieren. Tim hatte den Vorsitz inne, und jeder Leiter einer Designabteilung und die führenden Ingenieure berichteten über ihre Arbeit. In diesem Gremium sind die technische Spezifikation des MP4-21 entstanden, ein Dokument zur Definition der Zielvorgaben und weitere detaillierte Definitionen und potenzielle Risiken."
Laut Lowe gab es in jener Phase drei Faktoren, die besonders berücksichtigt werden mussten: "Erstens waren da die Regeländerungen und die Möglichkeiten, die sich daraus für eine Neuoptimierung ergaben. Zweitens bekamen wir neueste Erkenntnisse aus der Forschung zugespielt, also Ideen, um das Auto schneller zu machen als das Vorjahresmodell. Drittens wollten wir den MP4-21 zuverlässiger machen und die Teile länger haltbar gestalten", erklärte der Brite.
Qualitätskontrolle wurde diesen Winter verschärft

© McLaren
In einer speziellen Druckkammer werden die Kohlefaserelemente ausgehärtet Zoom
Infolge der vielen technisch bedingten Ausfälle in der Saison 2005 nahm man sich bei McLaren diesmal die Qualitätskontrolle besonders zu Herzen, weil man keine neuen Teile auf die Teststrecke schicken wollte, die noch nicht im Vorhinein erprobt waren. Jede einzelne Komponente musste daher verschiedene Etappen durchlaufen - angefangen beim Windkanal über die CFD-Simulationen bis hin zu Prüfstandstests.
"Mit dem MP4-21", ging Goss näher auf diesen Prozess ein, "wollten wir sicherstellen, all diese Techniken zu nutzen, um neue Elemente erst durch und durch zu prüfen. Vor allem unsere Simulationsmöglichkeiten haben sich so weit verbessert, dass wir zum Beispiel die Charakteristik der Radaufhängungsgeometrie oder die aerodynamische Empfindsamkeit genau testen konnten. Daher haben wir größeres Vertrauen in unsere Produkte, noch bevor wir sie an die Strecke verfrachten."
Die einschneidendste Herausforderung war aus Sicht des Chefdesigners die Umstellung von 3,0-Liter-V10- auf 2,4-Liter-V8-Motoren mitsamt den damit einhergehenden Materialbeschränkungen. Natürlich waren dadurch auch die Zulieferer gefragt: Da mit der Motorenentwicklung früher als in der Vergangenheit begonnen werden musste, waren die Fristen entsprechend knapper. Das Interimsmodell MP4-20B stellte sich für die ersten Tests in diesem Zusammenhang als besonders wertvoll heraus.
Anhebung der Barge-Boards wirkte sich stark aus
Die maßgeblichsten Änderungen in der Aerodynamik sind das nunmehr wesentlich kompaktere Heck, weil ja der Motor quasi geschrumpft ist, sowie die seitlichen Barge-Boards, die wegen einer Regeländerung um 50 Millimeter nach oben versetzt werden mussten: "Diese Luftleitbleche sind vorne am Auto, also kann man das nicht ignorieren. Wir hätten einfach die letztjährige Lösung um 50 Millimeter anheben können, aber die Auswirkungen sind so signifikant, dass wir diesem Bereich viel Aufmerksamkeit widmeten, um den verlorenen Abtrieb wieder zu finden", erklärte Prodromou.
Für Coughlans Gruppe standen indes die verschärften Crashtestbestimmungen im Vordergrund: "Die Energiemenge, die das Heck absorbieren muss, wurde um 50 Prozent angehoben, was den Crashtest zu einer 2.000-PS-Angelegenheit werden ließ. Wir sind ziemlich froh, dass wir das inzwischen hinter uns haben, denn es war nicht einfach, die Tests dieses Jahr zu bestehen", so der ehemalige Arrows-Konstrukteur.
Entwicklungseinfluss der Fahrer nicht zu unterschätzen
Natürlich hatten auch die Fahrer einen gewissen Einfluss auf das Design des MP4-21: "Die Leistung des Autos ist von der Physik abhängig, aber um sich diese zunutze zu machen, muss jedes Auto erst einmal fahrbar sein", schilderte Jonathan Neale. "Das bedeutet, dass man den Fahrstil der beiden Piloten verstehen muss, um das Auto für Juan-Pablo und Kimi optimieren zu können. Man muss diverse Parameter anpassbar machen. Fahrer spielen eine große Rolle im Entwicklungsprozess."
Übrigens: Wie viel Arbeit für die Entwicklung eines neuen Formel-1-Autos notwendig ist, beweist die Tatsache, dass das 55-köpfige Designteam in Woking in den vergangenen Monaten pro Woche nicht weniger als 500 Skizzen vorgelegt hat, die zum Teil weiter verfeinert, zum Teil aber auch einfach verworfen wurden. Ob diese Arbeit auch Früchte trägt, wird sich freilich frühestens am 12. März beim ersten Rennen in Bahrain zeigen...

