• 03.11.2013 08:05

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Unbezahlte Fahrergehälter rücken in den Fokus

Die Fahrer sympathisieren mit Kollegen, die kein Gehalt bekommen - Toto Wolff kritisiert Geschäftsgebahren: "Kann kein Geld ausgeben, das man nicht hat"

(Motorsport-Total.com) - Am Rennwochenende in Abu Dhabi tauchte plötzlich ein neues Thema auf, das bisher noch kaum jemand auf dem Schirm hatte: unbezahlte Fahrergehälter. Zwar war schon bisher bekannt, dass viele der kleinen Teams nicht pünktlich (oder in manchen Fällen gar nicht) zahlen können, aber dass das auch innerhalb der Fahrergewerkschaft GPDA ein immer wieder diskutiertes Thema ist, sickerte erst am Freitagabend durch.

Titel-Bild zur News: Eric Boullier und Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen hat von Lotus offenbar noch kein Gehalt für dieses Jahr bekommen

Daniel Ricciardo war, angesprochen auf den Fall Räikkönen, der Erste, der offen zugab, dass sich die GPDA schon öfter Gedanken darüber gemacht hat, wie sich die Fahrer gegen zahlungsunfähige Arbeitgeber schützen können. Im Laufe des Wochenendes stellte sich heraus, dass die GPDA grundsätzlich jedes Jahr über dieses Thema spricht, "aber dieses Jahr steigt die Wahrnehmung dieses Themas", verrät Ricciardo gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

"Das ist die Königsklasse des Motorsports. Wenn ein Fahrer wie Räikkönen nicht bezahlt wird, dann ist der Sport nicht in bester Verfassung. Da muss man sich etwas überlegen", kritisiert der Toro-Rosso-Pilot und schlägt eine Art Solidareinlage vor, aus der junge Fahrer notversorgt werden können, sollte es mit ihren Teams Probleme geben. Denn ein etablierter Superstar wie Kimi Räikkönen kann einen Gehaltsentgang locker verschmerzen, für alle gilt das aber nicht.

Teurer Weg in die Formel 1, kurze Karriere

Was von den Formel-1-Fans oftmals vergessen wird: Nicht alle Grand-Prix-Piloten sind verwöhnte Millionäre, sondern viele mussten auf dem Weg nach oben eine Menge eigenes Familiengeld investieren und sind dementsprechend darauf angewiesen, zumindest jetzt endlich ordentlich zu verdienen. Außerdem verdienen Rennfahrer mit ihrem Sport nicht bis 65, sondern sie gehen in der Regel mit 35 "in Rente". So kann ein Gehaltsentgang besonders für junge Fahrer durchaus existenzielle Folgen haben.

Allerdings sind nicht alle Fahrer gewillt, das zum Thema zu machen - interessanterweise am wenigsten die betroffenen selbst: "Ich dachte, die Sachen haben wir vertraulich besprochen, daher möchte ich dazu nichts sagen", weicht etwa Nico Hülkenberg aus, der vom Sauber-Team laut 'Bild'-Zeitung bisher nicht einmal die Hälfte des vereinbarten Gehalts bekommen hat, und auch Räikkönen schweigt: "Es interessiert mich nicht, heute darüber zu sprechen."


Fotostrecke: Die wertvollsten Paydriver

Auch Adrian Sutil weiß aus der Vergangenheit, was es bedeutet, auf sein Gehalt zu warten, und begrüßt daher jede GPDA-Initiative: "Ich weiß, dass darüber diskutiert wird. Ich finde das allgemein gut, weil es im Fahrerlager bekannt ist, dass manche Fahrer nicht bezahlt werden. Das geht nicht. Wir sind eine wichtige Komponente im Team, außerdem haben wir einen gefährlichen Job. Dafür sollten wir bezahlt werden. Eine solche Initiative in der GPDA kann ich nur befürworten."

Kaum noch sichere Häfen

Wirklich sicher sind die Fahrergehälter momentan nur bei den drei Topteams, McLaren, Toro Rosso und Williams. Aber Fahrer sind nicht die einzigen Betroffenen, sondern auch Zulieferfirmen warten teilweise viel länger als vereinbart auf ihr Geld - und geben sich am Ende oftmals mit stark reduzierten Ratenzahlungen zufrieden, weil das immer noch besser ist, als ganz mit leeren Händen dazustehen. "Kein gutes Zeichen", wenn so etwas passiert, findet Toto Wolff: "Dass Angestellte und Zulieferer kein Geld bekommen, ist nicht das, was wir sehen und hören wollen."

Allerdings hält es der Mercedes-Sportchef für eine Ausrede, wenn die betroffenen Teams dafür die Formel 1 statt sich selbst verantwortlich machen: "Es liegt am Geschäftsgebaren. Ich finde es einfach merkwürdig, denn ich war in meinem Leben noch nie in einer vergleichbaren Situation. Ich wundere mich einfach, warum zur Hölle Leute ihr Personal nicht bezahlen. Ist es wahr, ist es nicht wahr? Ich weiß es nicht. Sollte es stimmen, finde ich es einfach unerhört."

Wolff kritisiert Geschäftsgebaren mancher Teams

"Natürlich ist es nicht gut, dass ein Topteam nicht in der Lage ist, die Rechnungen zu begleichen. Aber für mich ist die Frage, wie man ein Unternehmen führt", so Wolff, der sich allerdings davor hütet, seine Aussagen konkret auf den Fall Lotus zu beziehen: "Ohne zu hart mit ihnen ins Gericht zu gehen, denn ich weiß auch nichts über die Teamführung: Man operiert mit den Budgets, die einem zur Verfügung stehen. So funktioniert jede andere normale Firma auch."

"Ich denke, es wird zu viel darüber gesprochen, ob die Formel 1 in schlechter Verfassung ist. Ja, die ganze Welt ist in schlechter Verfassung, das ganze Umfeld ist in schlechter Verfassung", unterstreicht der österreichische Geschäftsmann. "Wir müssen alle zusehen, wie wir unsere Finanzen und unser Tagesgeschäft regeln. Das gilt auch für uns. Man kann kein Geld ausgeben, das man nicht hat. Diese Geschichten schaden der Formel 1 und sind nicht gut."

"Man kann kein Geld ausgeben, das man nicht hat. Diese Geschichten schaden der Formel 1." Toto Wolff

Im Übrigen habe es auch früher schon Teams in vergleichbarer Situation wie Lotus heute gegeben: "War es nicht immer der Fall, dass es Teams gab, die oben standen und unten, reichere und ärmere Teams? Und einige, die ein tragfähiges Geschäftsmodell hatten, sind geblieben", so Wolff. "Ich war ja auch andernorts tätig und wir hatten ein Budget. Wir haben das Budget ausgegeben, das wir hatten - und keinen Cent mehr. Das ist einfach nicht die Art und Weise, wie man ein Unternehmen führen kann."