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Toto Wolff: "Wenn ich es heute sage, stehe ich wie ein Trottel da"

Mercedes-Teamchef Toto Wolff erklärt ausführlich, in welcher Zwickmühle sich das Mercedes-Team aktuell befindet und welche Probleme gelöst werden müssen

(Motorsport-Total.com) - Das Formel-1-Rennwochenende in Belgien war für das Mercedes-Team wahrscheinlich eines der schwierigsten seit einer langen Zeit. Trotz Updates und FIA-Direktive, in welche Mercedes große Hoffnungen gelegt hatte, blieb man besonders gegenüber Red Bull komplett chancenlos.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff

Toto Wolff während des Rennwochenendes in Belgien Zoom

Dabei hätte man nach der ersten Poleposition der Saison von George Russell in Ungarn sowie den beiden Doppelpodien in Le Castellet und Budapest vor der Sommerpause annehmen können, dass der erste Saisonsieg für die Silberpfeile kurz bevorsteht. Im Qualifying von Spa holte man sich allerdings eine Klatsche ab, da Verstappens beste Zeit ganze 1,5 Sekunden schneller war.

"Wir haben immer noch die Ambition, dieses Jahr Rennen zu gewinnen", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Und ich denke, wenn ich das in Budapest gesagt hätte, hätte man gesagt, na ja, das ist durchaus möglich. Wenn ich das jetzt sage, sehe ich wie ein Trottel aus."

Wolff: Mercedes mit Heckflügel eines Airbus A380

Wolff glaubt allerdings auch, dass die Strecke in Belgien dem W13 nicht entgegengekommen ist und es daher vielleicht in Zandvoort schon besser laufen könnte: "Es gibt noch einige Rennstrecken, die unserem Auto viel besser liegen werden als Spa jetzt. Hoffentlich bekommen wir auch mal einen Samstag hin."

In Belgien hat Mercedes eindeutig unter dem schlechteren Topspeed im Vergleich zur Konkurrenz gelitten, doch laut Wolff hat der Motor daran keine schuld: " Die Antriebseinheit ist absolut gut. Wir haben gesehen, dass alle innerhalb von etwa fünf Kilowatt liegen."

"Aber wir haben zusammen mit den Fahrern für das Rennen entschieden, diesen Flügel eines Airbus A380 am Heck zu montieren. Das hat natürlich eine Menge Luftwiderstand verursacht."

Darf der W13 nicht ins Mercedes-Museum?

"Ich denke, dass die Positionen so sind, wie sie einmal sind, zumindest zwischen den drei Top-Teams. Zweiter oder Dritter zu werden, macht für mich keinen Unterschied", so Wolff, der damit andeutet, dass ihm ein möglicher zweiter Platz in der Konstrukteurswertung vor Ferrari egal ist.

"Trotzdem möchte ich an jedem einzelnen Wochenende das bestmögliche Rennergebnis erzielen, um Vertrauen in das zu gewinnen, was wir tun. Unsere Ambitionen sind somit klar, während wir gleichzeitig einen großen Schwerpunkt auf das nächste Jahr legen."


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Angesprochen, ob er sich wie sein Schützling Lewis Hamilton schon freut, das nächste Mal in Zandvoort mit dem W13 unterwegs zu sein, sagt Wolff: "Wir sind in einer Situation, in der die Meisterschaft wahrscheinlich in Europa entschieden wird. Dieses Auto wird im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart nicht gerade prominent ausgestellt werden, sondern wird wohl eher ein bisschen in der Versenkung verschwinden."

Budgetgrenze bremst Mercedes aus

Zudem ist sich das Mercedes-Team immer noch nicht ganz sicher, auf welches Fahrzeugkonzept man für die Saison 2023 setzen wird und wann man sich für ein Konzept entscheidet. Unter der Budgetobergrenze kann Mercedes auch nicht einfach Millionen über Millionen für verschiedene Teile ausgeben, um einfach zu testen, was funktioniert und was nicht, was die Sache ferner erschwert.

"Es ist eine sehr schwierige Situation, weil wir natürlich ein bestimmtes Konzept für das Auto haben und es ist nicht so, dass wir in diesem Jahr viel experimentieren und einfach Dinge ausprobieren und testen können", so Wolff.

"Wir sind nicht in der Lage, in diesem Stadium der Saison ein neues Chassis einzuführen. Wir sind massiv übergewichtig, was wir nicht wirklich beheben konnten, weil wir Teile am Auto ausprobieren, um unsere verschiedenen Probleme zu lösen. Das können wir uns also nicht leisten."

Setzt Mercedes für 2023 auf ein anderes Konzept?

"Darauf wurde mit der Einführung des Kostendeckels abgezielt, und sie haben absolut ins Schwarze getroffen. Es ist das, was sie erreichen wollten, dass die großen Teams nicht einfach mit Geld um sich werfen können", sagt der Mercedes-Teamchef.

"Was immer wir also für das nächste Jahr entscheiden, muss sorgfältig ausgewertet werden. Denn es ist klar, dass unsere Daten nicht die richtigen Ergebnisse liefern und nicht mit der Realität übereinstimmen. Wir haben massive Schwankungen in der Leistung, die wir nicht wirklich in den Griff bekommen."

"Wenn wir also in diesem Moment eine Entscheidung für das nächste Jahr treffen, was auch immer es sein mag, wenn wir das Konzept drastisch ändern, wie können wir dann sicher sein, dass das die bessere Richtung ist?"

Wolff: Allerspätestens Oktober muss Konzept stehen!

"Das wird Teil der Entscheidungen sein, die wir in den kommenden Wochen treffen werden und war auch Teil der Diskussionen, die wir bereits geführt haben, um zu entscheiden, was wir tun wollen", erklärt Wolff.

Zudem sagt er an, dass die endgültige Entscheidung über das 2023er-Konzept kurz bevorstehe: "Es gibt Fristen für die verschiedenen Teile des Autos, die in den nächsten Wochen ablaufen. Man muss sich auf ein Konzept für das Chassis, ein Aufhängungslayout, und so weiter festlegen."

"Wie gestaltet man die Kühlung? Wo platziert man die Kühler? Wie wird der Motor integriert? Bleibt das Chassis in seiner aktuellen Form? Das ist etwas, was wir in den nächsten Wochen entscheiden müssen. September, Oktober, vielleicht Oktober die letzten Entscheidungen."

Wolff: 2022 würde mehr Bücher liefern als alle acht Jahre zuvor

Auf die Frage, ob noch weitere Regeländerungen bewirkt werden sollen, um die aktuelle Red-Bull-Dominanz zu stoppen, entgegnet Wolff: "Die Regeln sind die Regeln. Glückwunsch an Max, wie er die Dinge angeht, und an Red Bull."

"Ich will nicht, dass die Torpfosten verschoben werden, wir müssen einfach besser werden. Wir müssen unsere eigenen Erwartungen erfüllen und sie mit ihren Regeln schlagen."


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"Aktuell sind wir auf dem Holzweg. Die Nicht-Korrelation in den verschiedenen Bereichen führt dazu, dass wir keine Leistung bringen. Vielleicht gibt es eine einzige Sache, die alles überschattet, und deshalb werden wir der Frage nach wirklich jedem Teil des Autos nicht gerecht?"

"Sind es die Reifen, die wir grundsätzlich nicht verstehen, während der Rest gut ist, oder ist es die Aerodynamik oder die mechanische Balance, die alles durcheinander bringt? Ich glaube, das ist so schwierig zu analysieren, und das ist der springende Punkt", fügt Wolff hinzu.

"Man sagt ja, dass man nie verliert, sondern lernt, aber ich kann sagen, dass es verdammt schwierig ist, wenn man all diese netten Instagram-Posts sieht. Es gibt mehr, um ein Buch über dieses Jahr zu schreiben als über die letzten acht Jahre."