Tost: "Wir müssen auf dem Boden bleiben"
Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost im Interview über den sensationellen Sieg von Sebastian Vettel, die Zukunft des Teams und die Kundenautodiskussion
(Motorsport-Total.com) - Franz Tost ist spätestens seit heute kein Unbekannter mehr: Der Toro-Rosso-Teamchef, der früher bei BMW unter Sportchef Gerhard Berger Leiter der Logistikabteilung war, durfte beim Grand Prix von Italien den Sieg seines Schützlings Sebastian Vettel bejubeln. Anschließend stellte er sich einem hochinteressanten Interview, in dem er nicht nur über das heutige Rennen sprach.

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Franz Tost: Immer zurückhaltend und im Hintergrund, aber erfolgreich...
Frage: "Franz, wie fühlt sich dieser Sieg an? Man muss sich ja vor Augen führen, wo ihr begonnen habt..."
Franz Tost: "Wir haben von der Pole-Position begonnen (lacht; Anm. d. Red.)! Im Ernst: Vor ein paar Jahren hätten wir nicht damit gerechnet, dass wir 2008 hier in Monza gewinnen würden. Monza ist für die italienischen Teams und für die Fahrer etwas Besonderes. Monza hat eine fantastische Geschichte. Hier ein Rennen zu gewinnen - noch dazu das erste des Teams, noch dazu für Sebastian als jüngster Fahrer aller Zeiten -, das ist außergewöhnlich."#w1#
Jubelstimmung bei Toro Rosso
Frage: "Die Stimmung muss unglaublich sein jetzt..."
Tost: "Das sieht man ja. Die Jungs feiern alle."
Frage: "Sebastian hat eine perfekte Leistung abgeliefert, nicht wahr?"
Tost: "Es war von der ersten Runde an eine perfekte Fahrt. Er hat sich seit Freitag optimal vorbereitet, denn obwohl die Bedingungen auf der Strecke nicht immer gut waren, ging er immer raus, um zu sehen, wo Wasser steht, wo man mit dem Asphalt aufpassen muss, wo man guten Windschatten hat und so weiter. Bourdais übrigens auch. All diese Informationen, die er am Freitag und Samstag gesammelt hat, konnte er heute nutzen, um das Rennen zu gewinnen."
Frage: "Dieser Erfolg ist auch ein Statement eures Teams."
Tost: "Wir haben hier gewonnen, aber man muss schon zugeben, dass uns die Bedingungen in die Hände gespielt haben, denn wenn es trocken gewesen wäre, wären wir vom Speed her nur Sechster oder Siebenter geworden. Das konnte man beim Test hier sehen. Der Regen hat uns aber geholfen und vor allem auch unsere Strategie, denn wir waren auf einem kurzen ersten Stint - und das war genau richtig. Wir zogen den Reifenverschleiß in Betracht und gingen davon aus, dass unsere Strategie am schnellsten sein wurde. Das haben wir zum Glück bewiesen."
Frage: "Ihr habt das Red-Bull-Auto perfekt vorbereitet. Wie beeindruckt bist du von deinen Mitarbeitern und speziell von Giorgio Ascanelli?"
Tost: "Giorgio Ascanelli ist einer der Väter dieses Teams. Er hat viel Mühe und sein ganzes technisches Wissen aus der Vergangenheit in die Waagschale geworfen. Das ist der Hauptgrund für den heutigen Erfolg."
Frage: "Hat es geholfen, als Team, das nicht damit vertraut ist, in Führung zu liegen, jemanden wie ihn am Kommandostand zu haben?"
Tost: "Sicher."
Keine Anweisungen am Funk
Frage: "Was habt ihr Sebastian in den letzten Runden am Funk gesagt?"
Tost: "Nichts. Da war es absolut ruhig, denn er ist gut gefahren und seine Rundenzeiten waren sehr schnell. Wenn wir ihm gesagt hätten, dass er langsamer oder anders fahren soll, hätten wir ihn nur gestört. Also haben wir ihn in Ruhe gelassen. Wie wir jetzt wissen, ist er erfahren genug, um so etwas nach Hause zu bringen."
Frage: "Ihr habt heute den ersten Sieg für Red Bull geholt. Das muss sehr zufrieden stellend sein, zumal ihr ja nicht nur das Auto von Red Bull bekommt, sondern auch selbst weiterentwickelt, nicht wahr?"
Tost: "Ich muss sagen, dass Adrian Newey und Red Bull Technology einen fantastischen Job gemacht haben, denn die Basis des Autos bekommen wir von Red Bull Technology. Wir stimmen das Auto selbst ab, aber das macht eigentlich jeder Fahrer selbst, denn jeder Fahrer hat seine eigenen Bedürfnisse. Der eine will härtere Federn, der andere weichere und so weiter. Das ist hauptsächlich der Job, den wir in Faenza machen."
Frage: "Ihr seid jetzt Sechster in der Konstrukteurs-WM. Was ist das Ziel für den Rest der Saison?"
Tost: "Wir haben da einen Sprung nach vorne gemacht, aber wir müssen auf dem Boden bleiben. Wenn wir in den letzten fünf Rennen Punkte holen, dann wäre ich damit zufrieden. Ich glaube nicht, dass wir dieses Jahr noch ein Rennen gewinnen werden, denn Ferrari, McLaren und BMW sind noch vor uns - und zwar deutlich."
Beten für weitere Regenrennen
Frage: "Ihr wärt schon im Vorjahr in Fuji bei Regen fast auf das Podium gefahren. Hoffst du nun bei den letzten Rennen auf ähnliche Bedingungen?"
Tost: "Klar! Wir sind ein Rennteam und wir wollen immer so weit vorne wie möglich landen. Wenn wir im Regen am besten sind, dann bete ich dafür, dass es immer regnet! Ist doch logisch!"

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Sebastian Vettel fuhr den Sieg eiskalt wie ein ausgebuffter Profi nach Hause Zoom
Frage: "Ändert der heutige Erfolg irgendetwas für die Zukunftspläne? Dietrich Mateschitz hat seine 50 Prozent ja zum Verkauf angeboten..."
Tost: "Das weiß ich nicht. Diese Frage muss Herr Mateschitz beantworten. Ich gehe davon aus, dass der Preis des Teams gestiegen ist! Das ist gut für ihn, denn er ist ein Geschäftsmann, der Geld zurückholen will, das er investiert hat. Für das Team selbst ändert sich nicht viel. Hoffentlich bekommen wir dadurch ein paar neue Sponsoren. Die Basis dafür ist als Sieger natürlich besser als als Verlierer."
Frage: "Minardi war beim letzten Antreten in Monza im Jahr 2005 noch das schlechteste Team. Ihr seid seither ungemein gewachsen..."
Tost: "Ja. Da gibt es verschiedene Faktoren. Der erste Faktor ist Red Bull beziehungsweise Dietrich Mateschitz. Ohne Red Bull und Dietrich Mateschitz wären wir heute nicht hier, um diesen Sieg zu feiern. Der zweite Faktor ist Red Bull Technology. Sie stellen uns ein sehr gutes Auto zur Verfügung. Der dritte Faktor ist Ferrari, denn Ferrari liefert sehr leistungsstarke Motoren, wie man sehen kann. Wir arbeiten sehr eng mit ihnen zusammen und sind mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden."
"Dann darf man auch die Fahrer nicht vergessen, denn obwohl beide noch ziemlich neu in der Formel 1 sind, machen sie einen fantastischen Job. Vettel fährt seine erste volle Saison. Seine Leistungskurve zeigt ganz steil nach oben. Dann Giorgio Ascanelli und sein Technikteam - die machen einen umwerfend guten Job. Wir haben das Auto unter Kontrolle, wissen, wie man es abstimmen muss. Das ist wichtig für die Fahrer, damit sie sich im Auto wohl fühlen. Das ist einer der wichtigsten Faktoren für unseren Erfolg. In Faenza verbessern wir gerade unsere Infrastruktur. Wir wachsen Schritt für Schritt. Das Resultat kann man sehen."
Kundenautos: Toro Rosso kämpft für ein Umdenken
Frage: "Ab 2010 dürft ihr kein Kundenauto mehr einsetzen, sondern dann müsst ihr das Chassis selbst bauen. Wie schreiten die Pläne dafür voran?"
Tost: "Wir haben schon damit begonnen, das Team dafür auszubauen, ein Konstrukteur zu sein. 2005 haben wir mit 80 Leuten begonnen. Jetzt sind es 175. Weitere 80 werden in naher Zukunft folgen. Das sind die Schritte, die wir ergreifen müssen, um ein Konstrukteur zu werden. Wir verhandeln auch mit verschiedenen Windkanälen. Das ist eine gewaltige Aufgabe."
"Ich bin nicht davon überzeugt, dass das der richtige Weg für die Formel 1 ist, denn wir haben sechs Hersteller. Ich finde, wir sollten sechs Hersteller- und sechs Privatteams haben - und jedes Privatteam sollte mit einem Hersteller zusammenarbeiten. Die Philosophie von Red Bull war, ein Ingenieurszentrum zu haben, das zwei Teams mit Autos beliefert. Das hätte die Kosten reduziert, denn wir verbraten nur ein Viertel des Budgets von anderen Teams. Trotzdem können wir gewinnen, wie wir heute bewiesen haben. Von der Effizienz und von der Wirtschaftlichkeit her sind wir bisher also den richtigen Weg gegangen. Die Regeln erlauben das aber nicht mehr, also müssen wir es in Zukunft anders machen."
Frage: "Glaubst du, dass sich an der Kundenautoregelung noch etwas ändern wird?"
Tost: "Wenn die Leute ihren Verstand einschalten, dann sollte das der Fall sein. Schau dir doch nur an, was heute in der Wirtschaft passiert: Da arbeiten auch alle zusammen! Selbst Autohersteller starten Kooperationen. Warum? Sie wollen nicht mehr so viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgeben, was absolut verständlich ist, wenn das Resultat unterm Strich fast gleich bleibt."
"Wir suchen gerade nach einem Windkanal. Selbst wenn wir 130 Mitarbeiter im Windkanal arbeiten lassen, werden wir kein revolutionäres Auto bauen, weil Reglement und die Gesetze der Physik das verhindern. Alle Autos sehen fast gleich aus. Ich wette mit dir, dass es nicht mehr als fünf Leute gibt, die die heutigen Autos den richtigen Teams zuordnen könnten, wenn sie alle weiß angemalt wären. Aber egal, Regel ist Regel. Wir versuchen, das Beste zu erreichen. Den Ausgang werden wir dann sehen."

