• 11.10.2005 18:13

Todt: "Soll die Formel 1 ein Zirkus werden?"

Ferrari-Teamchef Jean Todt über die Planungen für 2006, die Vorschläge für ein neues Qualifying sowie die Youngsters Räikkönen und Alonso

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Jean, Ferrari scheint die Niederlagen dieses Jahres erstaunlich gut wegzustecken..."
Jean Todt: "Ich glaube nicht, dass wir zu demonstrativ sind, wenn wir gewinnen, obwohl wir in den letzten Jahren mehr gewonnen haben, als wir uns je vorgestellt hatten, mehr, als je jemand im Motorsport erreicht hat. Aber wir haben eben unsere bestimmte Art und Weise, wie wir die Dinge sehen, und ich bin der festen Überzeugung, dass man in erfolgreichen Zeiten demütig sein muss, aber noch mehr in den nicht so erfolgreichen."

Titel-Bild zur News: Jean Todt

Todt wünscht sich tendenziell ein neues Qualifying für die kommende Saison

Frage: "Offensichtlich sind die Reifen ein Mitgrund für eure Schwäche. Habt ihr über den Winter genug mit Bridgestone getestet?"
Todt: "Wir haben viel mit Bridgestone getestet. Dieses Jahr war es ein Problem, aber in den letzten Jahren war es ein Vorteil, denn wir hatten die besten Reifen - und wir waren das einzige Team, das davon profitiert hat. Dieses Jahr hatten ein paar Teams ein besseres Paket, aber wir müssen das fair zur Kenntnis nehmen."#w1#

Todt sieht in Alonso und Räikkönen großes Potenzial

Frage: "Kimi Räikkönen und Fernando Alonso sind in Suzuka beeindruckend gefahren. Wer hat dich mehr beeindruckt?"
Todt: "Ich werde das nicht beantworten. Du weißt genau, warum ich dazu nichts sagen möchte. Beide sind extrem gut, aber einer hatte mehr Erfolg als der andere, denn er ist seit Brasilien Weltmeister. Rennsport ist schwierig. Räikkönen hat 2003 die Weltmeisterschaft im letzten Rennen gegen Michael verloren. Diesmal hat er zwei Rennen vor Schluss gegen Alonso verloren. Er ist ein sehr schneller Fahrer. In Suzuka hat er gewonnen, weil er das beste Paket hatte. Im Motorsport ist man nun einmal davon abhängig, für welches Team man fährt und welche Reifen man hat. Ich muss das immer wieder betonen. Im Moment haben sie ganz klar die beste Kombination."

Frage: "Bedeutet das, dass Fernando Alonso in Suzuka in einem McLaren-Mercedes gewonnen hätte?"
Todt: "Vielleicht wäre auch Räikkönen mit Alonsos Paket Weltmeister geworden. Vielleicht sollte ich mir aber verbieten, so etwas zu sagen, denn ich weiß es einfach nicht. Der einzige Referenzpunkt ist ein Teamkollege. Ich würde nie glauben, dass die Autos unterschiedlich sind, sondern sie sind immer identisch. Der einzige Unterschied könnte das Setup sein, das der Fahrer gemeinsam mit dem Team ausarbeitet, und vielleicht zwei oder drei PS Streuung beim Motor, aber das macht so gut wie nichts aus. Ansonsten sind die Autos gleich. Warum sollte sich ein Team nur auf ein Auto konzentrieren, wenn es zwei hat?"

Schumacher soll sich von Massa anspornen lassen

Frage: "Könnte in den nächsten Jahren ein junger Fahrer zu Ferrari kommen, um Michael Schumacher noch einmal anzustacheln?"
Todt: "Das ist reine Spekulation. Warten wir auf nächstes Jahr, denn Massa kommt ja zu uns - und mit 24 ist er auch noch jung. Michael schaut sich nicht die Lebensläufe der Fahrer an, um zu beurteilen, ob sie es wert sind, sich auf einen Kampf einzulassen. Er wird gegen jeden kämpfen, der in seinem Team ist. Sein direkter Kontrahent war für viele Jahre Rubens (Barrichello; Anm. d. Red.). Davor war es Irvine, wieder davor war es ein anderer Fahrer - und nächstes Jahr wird es Massa sein."

Frage: "In den vergangenen Jahren seid ihr immer mit dem Vorjahresauto in die Saison gestartet. 2006 auch?"
Todt: "Wegen der neuen 2,4-Liter-V8-Motoren haben wir uns entschlossen, das neue Auto früher vorzustellen, nämlich schon Mitte Januar."

Frage: "Das Rennen in Suzuka war wegen der Startaufstellung - die Favoriten waren alle hinten - ein richtig spannendes. Könnte das als Denkansatz für das neue Qualifying dienen?"
Todt: "Soll die Formel 1 ein Zirkus werden? Okay, die Situation war so, aber wenn das ein Sport bleiben soll, dann müssen die Schnellsten weiterhin vorne stehen."

Entscheidungen werden erst am 24. Oktober fallen

Frage: "Es hat in Suzuka einige Treffen bezüglich des Reglements für 2006 gegeben. Was ist dabei herausgekommen?"
Todt: "Das war ein von den Fahrern einberufenes Meeting. Wir haben dabei einige Themen angesprochen, darunter auch das Qualifying, aber für endgültige Entscheidungen werden wir die Sitzung der Formel-1-Kommission am 24. Oktober abwarten."

Frage: "Glaubst du, dass das Format geändert wird?"
Todt: "Nach unseren Informationen sind die TV-Einschaltquoten zurückgegangen, und die Medien und das Fernsehen beschweren sich, dass das Qualifying kein aufregendes Spektakel mehr ist. Jetzt sammeln wir erst einmal Informationen, die wir dann am 24. Oktober besprechen."

Frage: "Würde die geplante Wiedereinführung von Reifenwechseln beim Boxenstopp Ferrari entgegenkommen?"
Todt: "Es wäre anders. Es ist offensichtlich, dass wir diesbezüglich so früh wie möglich Bescheid wissen müssen, und am 24. Oktober wird es soweit sein. Ich möchte vor der Entscheidung dazu keinen Kommentar abgeben, aber dieses Jahr hat es einige unsichere Situationen gegeben - eben wegen dieser Regel, einen Reifensatz in Qualifying und Rennen verwenden zu müssen."

Todt plädiert für die Wiedereinführung von Reifenwechseln

"Bei der Abstimmung der Formel-1-Kommission ist aber eine Mehrheit für eine Änderung notwendig, also warten wir ab, was dabei herauskommt. Ich kenne die Tagesordnung schon aus der Presse, daher gibt es einiges zu besprechen. Ich höre, dass viele das Qualifying ändern wollen, weil es die Medien und die Zuschauer so wollen. Mal sehen."

"Wenn man Action für eine ganze Stunde erreichen will, dann werden wir auch Action für eine Stunde erreichen." Jean Todt

Frage: "Gibt es von all den Vorschlägen, die momentan im Raum stehen, einen, der dir besonders zusagt?"
Todt: "Das hängt davon ab, was man erreichen will. Wenn man Action für eine ganze Stunde erreichen will, dann werden wir auch Action für eine Stunde erreichen."

Frage: "Glaubst du, dass durch eine Aufbesserung des Samstags der Sonntag weniger spektakulär werden könnte?"
Todt: "Ich möchte darüber nicht spekulieren. Es wäre weiser, über die Entscheidungen zu sprechen, sobald sie entschieden sind."