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Todt: "Glaube, dass es noch eine Chance gibt"
Ferrari-Teamchef Jean Todt verzweifelt langsam an der Renault-Dominanz, gibt aber im Interview den WM-Titel noch lange nicht endgültig verloren
(Motorsport-Total.com) - Nach den Plätzen zwei und fünf durch Michael Schumacher und Felipe Massa stellte sich Ferrari-Teamchef Jean Todt gestern in Montréal wie üblich seiner Fragerunde mit der Motorsportfachpresse. Dabei vermittelter Eindruck: Es wird zwar in der zweiten Saisonhälfte wirklich schwierig, aber Ferrari gibt sich nicht geschlagen, sondern will bis zum Ende aller mathematischen Chancen kämpfen.

© xpb.cc
Jean Todt steht vor einer schwierigen, aber nicht unlösbaren Aufgabe
Frage: "Jean, wie siehst du das heutige Rennen?"
Jean Todt: "Es ist ein bisschen wie Silverstone, wo wir auch gewinnen wollten, aber auch nur Zweiter und Fünfter wurden. Das ist enttäuschend, aber wir hatten im Qualifying eine Strategie mit viel Benzin an Bord, von der man im Nachhinein immer leicht sagen kann, ob sie gut oder schlecht war. Diesmal war sie nicht gut genug, um das Rennen zu gewinnen. Zweiter und Fünfter ist nicht so gut wie Erster und Zweiter, aber es sind trotzdem wichtige Punkte für die Weltmeisterschaft. Es wird mit jedem Mal, bei dem wir drei Punkte auf die Konkurrenz verlieren, immer schwieriger, denn sie machen - zumindest mit einem Fahrer - keine Fehler. Genau das ist aber die Herausforderung für uns."#w1#
Freude über Räikkönens Punktegeschenk gedämpft
Frage: "Wie sehr hast du dich über das späte Geschenk von Kimi Räikkönen gefreut?"
Todt: "Ich hätte mich über ein Geschenk von ganz vorne mehr gefreut, also war es sozusagen ein halbes Geschenk. Es war ein finnisch-deutsches Geschenk, aber leider kein spanisch-französisches. Vielleicht beim nächsten Mal..."
Frage: "Es gab das ganze Wochenende über einen Mangel an Grip. Konntet ihr schon analysieren, woran das lag?"
Todt: "Wenn man sich die Rundenzeiten von Trulli im Qualifying anschaut, dann war er ungefähr um eine Sekunde langsamer als Michael. Gewicht bedeutet Performance. Michael konnte im Rennen erst in der 24. Runde an Trulli vorbeigehen, aber dennoch hatte er am Ende eine Runde Vorsprung auf ihn. Vielleicht hatten wir im Qualifying ein bisschen zu wenig Grip, ja, aber unsere Performance war nicht so schlecht."
Frage: "Ihr wärt aber sicher gerne vor Renault. Was macht im Moment den Unterschied aus?"
Todt: "Wahrscheinlich liegt es an allem ein bisschen. Sie haben im Qualifying die schnellere erste Runde, ungefähr um zwei Zehntelsekunden im Vergleich zu uns. Wenn man aber das Gewicht aus den Autos nimmt, was wir ja wegen des Zeitpunkts des ersten Boxenstopps berechnen können, dann betrug unser Rückstand nur etwa zwei Zehntelsekunden, was man auf das Manko auf die schnelle Einzelrunde zurückführen kann. Was die Konstanz angeht, ist es sehr schwierig, denn alles verändert sich zwischen den Rennen: die Entwicklung der Strecke, der Reifen und der Wetterbedingungen."
Frage: "Ab wann war dir klar, dass ihr nur noch Schadensbegrenzung betreiben könnt? Schon vor eurer Ankunft hier oder erst während des Wochenendes?"
Todt: "Erst am Rennende. Das Rennen ist vor der Zielflagge nie vorbei, alles kann passieren, und Zweiter und Fünfter bedeutet gegenüber Erster und Dritter ein Defizit von drei Punkten. Das ist nicht viel, aber andersrum wäre es mir lieber."
McLaren-Mercedes kann Ferrari vielleicht helfen
Frage: "McLaren-Mercedes macht seit zwei bis drei Rennen große Fortschritte. Bist du besorgt, dass sie euch wichtige Punkte wegnehmen könnten?"
Todt: "Das hängt davon ab, wo sie ins Ziel kommen. Wenn sie zwischen Renault und uns ins Ziel kommen, ist das nicht gut, aber wenn wir vorne sind und vor Renault liegen, dann würde uns das helfen."
Frage: "Habt ihr einen Entwicklungsplan, um vor Renault und McLaren-Mercedes zu kommen?"
Todt: "Ich würde sagen, dass McLaren momentan hinter uns liegt. Das soll nicht heißen, dass sie nicht stark sind, denn das sind sie, aber der Abstand ist von Rennen zu Rennen so gering, dass man nicht sagen kann, wie es beim nächsten Mal aussehen wird. Bisher war Alonso auf Renault am konstantesten, gemeinsam mit Michelin. Das ist das Einzige, was man momentan eindeutig sagen kann."
Frage: "Gibt es spezielle Chassis- oder Motorenentwicklungen, die euch einen Vorteil gegenüber Renault bescheren könnten? Ist ein Entwicklungsschritt geplant, von dem ihr euch viel erwartet?"
Todt: "Wir wissen ungefähr, was auf uns zukommt, aber wir wissen nicht, was die anderen vorhaben. Das kann man nur während eines Rennwochenendes aufschnappen. Wenn man aber pro Testtag 7.00 Kilometer zurücklegt, dann hat das nur den einen Grund, dass man das Auto schneller machen möchte. Ob das gelingt, weiß man im Vorhinein nicht."
Frage: "Im vergangenen Jahr war McLaren-Mercedes in einer ähnlichen Situation wie Ferrari jetzt. Sie erhöhten die Entwicklungsrate auf Kosten der Zuverlässigkeit. Müsst ihr dieses Risiko jetzt auch eingehen? Würdest du für Siege in Sachen Zuverlässigkeit Kompromisse eingehen?"
Todt: "Wir müssen konkurrenzfähiger werden, aber zuverlässig bleiben, sonst bringt uns das überhaupt nichts. Wir müssen nicht mehr Risiko eingehen, sondern einen besseren Job machen."
Frage: "Habt ihr die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöht, um auf Renault zu kontern?"
Todt: "Nein. Wir geben ja ohnehin schon unser Bestes."
Todt voll des Lobes für Alonso und Renault
Frage: "Hast du eine Idee davon, was Renault momentan so stark macht?"
Todt: "Sie haben ein gutes Paket, einen guten Fahrer, ein gutes Team - und sie machen keine Fehler."

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So stellt sich Jean Todt die Formel 1 vor: Michael Schumacher vor einem Renault Zoom
Frage: "Glaubst du, dass das nächste Rennen in Indianapolis für den WM-Kampf schon entscheidend sein könnte? Könnt ihr dort Renault etwas entgegenhalten?"
Todt: "Das größte Problem ist, dass sie es sich erlauben können, mal ein Rennen nicht sehr gut zu beenden, was ihnen bisher nicht passiert ist, aber wir können uns das nicht mehr erlauben, denn das würde den Abstand weiter anwachsen lassen. So gesehen sind sie in einer viel stärkeren Position als wir. Es geht aber nicht nur um ein Rennen. Ich sehe auch keinen Grund, warum wir in Indianapolis nicht konkurrenzfähig sein sollten. Wie konkurrenzfähig? Da wird es keinen großen Unterschied zu hier geben."
Frage: "Wir haben jetzt Halbzeit in der Saison. In den vergangenen vier Rennen ist euer Rückstand immer ein wenig angewachsen. Wie wirkt sich das auf die Stimmung im Team aus?"
Todt: "Wir kämpfen immer noch, hoffen, dass wir Rennen gewinnen und unsere Position in der Meisterschaft verbessern können."
Frage: "Realistisch gesehen wird es aber von Rennen zu Rennen schwieriger..."
Todt: "Hoffen wir, dass es von Rennen zu Rennen einfacher wird! Wir werden versuchen, den Trend umzukehren. Ich glaube, dass es noch eine Chance gibt."
Frage: "Im Vorjahr gab es einen Punkt, an dem ihr eure WM-Hoffnungen begraben musstet, weil der Rückstand zu groß war. Wie weit seid ihr jetzt von diesem Punkt entfernt?"
Todt: "Ich bin ein Fan von Zahlen. Es sind noch neun Rennen zu fahren und die Zahlen lassen noch alles zu, was wir erreichen wollen."
Frage: "Warum stimmt Ferrari eigentlich einer Totalhomologierung der Motoren zu?"
Todt: "Wir haben ein sehr kurzes Gedächtnis, meine Herren. Jetzt haben wir die FIA-Regeln für 2008 und danach, dann gab es aber das Maranello-Meeting und das Monaco-Meeting, und das Maranello-Abkommen schlägt vor, dass in jedem Jahr bestimmte Dinge am Motor entwickelt werden dürfen, allerdings in einem begrenzten Ausmaß. Das erachten wir für sinnvoll."
Ferrari hofft auf Einigkeit in der Motorenfrage
"Einige der anderen Mitbewerber sind eher für das Monaco-Abkommen, wir aber nicht. Das ist nicht zum ersten Mal so. Was passiert, wenn wir uns nicht einig werden? Dann geht es zurück zu den FIA-Regeln, die die Motorenentwicklung komplett einfrieren würden."
Frage: "Ferrari unterstützt also das Maranello-Abkommen?"
Todt: "Darauf haben wir uns verständigt - und normalerweise ändern wir unsere Meinung nicht. Gleichzeitig muss man sich vor Augen führen, dass die Formel 1 zu teuer ist. Es hat für die Topteams keine Bedeutung, annähernd 1.000 Mitarbeiter zu beschäftigen, so viel Geld auszugeben, wie eben ausgegeben wird, sondern wir müssen uns um das Interesse des Sports kümmern und sehen, wie wir die Kosten verringern können. Das wollen wir erreichen, aber unsere Mitbewerber wollen anscheinend weiterhin ihr Geld ausgeben. Ich persönlich finde, dass es gut wäre, wenn Ferrari aus der Formel 1 Profit ziehen würde, was angesichts der kommerziellen Einnahmen, die wir jetzt bekommen, ja sicher nicht unmöglich ist."
Frage: "An diesem Wochenende wurde viel über den Heckflügel des BMW Sauber F1 Teams diskutiert. Ist das ein Thema, für das du dich interessierst?"
Todt: "Nein. Redet lieber über unser Auto, denn wir hatten den besseren Topspeed, weil wir flexible Flügel haben, nicht wahr? Es gab hier eine neue Regel, aber wir hatten trotzdem den besten Topspeed."
Frage: "Nun geht es weiter nach Indianapolis, ein wichtiger Markt für Ferrari. Wie werdet ihr das Rennen nach dem Fiasko von 2005 angehen?"
Todt: "Wir gehen Indy wie ein normales Rennen an. Im Vorjahr war es kein normales Rennen, für uns aber eigentlich schon."

