• 30.03.2006 20:56

Theissen: Motorenseitig ist bei den Herstellern noch Winter

Der BMW Motorsport Direktor über die "Flügel-Affäre", Motorenprobleme, das Kräfteverhältnis an der Reifenfront, den personellen Rückstand und Robert Kubica

(Motorsport-Total.com) - Das BMW Sauber F1 Team steht in Melbourne vor seinem dritten Formel-1-Rennen und schon musste man auf Bitte des Automobilweltverbandes FIA eine Kleinigkeit am Auto umstellen, um wieder einen Boliden zu haben, der "im Sinne des Reglements ist", wie es so schön heißt.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Laut Theissen war die Entwicklungszeit für die V8-Motoren für alle zu kurz

"In unserem Fall war das eine Detail-Änderung, die schnell umgesetzt war und außerdem die Leistung des Autos nicht beeinträchtigt. Insofern war das für uns überhaupt kein Diskussionsthema. Es war ein minimales Element am Heckflügel, mehr nicht", so BMW Motorsport Direktor Mario Theissen.#w1#

Das Thema "flexible Flügel" war am Rande des Malaysia-Wochenendes ein heißes, zu einem Protest kam es ja dann doch nicht, weil Ferrari zu schlecht abschnitt und einige Teams selbst Designs hatten, die man nun geändert hat: "Es war kein Protest, es war ein mündlicher Hinweis des Technischen Delegierten der FIA, so wie das x-mal im Jahr bei vielen Teams passiert", so Theissen.

Ein wasserdichtes Reglement wird es nie geben

In den Augen des Deutschen ist das in der Formel 1 üblich: "Das liegt einfach daran, dass man die Regeln nicht so schreiben kann, dass sie nicht zweideutig sind. Dass die Ingenieure natürlich überall ans Limit gehen oder versuchen, sich ein Feld zu erschließen, lässt sich durch die Regeln nicht unterbinden. In diesem Fall war es so wie häufig, dass die FIA gesagt hat, dass es etwas nicht im Sinn des Reglements ist und man es bitte ändern möge."

Motorenproblem wurde lokalisiert

Neben dem Flügel hatte BMW nach dem Motorschaden bei Nick Heidfeld auch im Motorenbereich Verbesserungsbedarf: "Was kaputt gegangen ist, das haben wir relativ schnell gewusst, inzwischen wissen wir auch, warum es kaputt gegangen ist. Es war in beiden Fällen ein Problem im Bereich des Kurbeltriebs."

"Wir hatten auch beim Test in Paul Ricard ein Motorproblem, das in dieselbe Richtung zeigte, und wir haben die Ursache eingegrenzt und haben hier eine erste Abhilfemaßnahme dabei. Wir entwickeln in München aber noch weiter für die nächste Motoren-Generation."

"Ich habe mit so vielen Motorschäden gerechnet." Mario Theissen

Für den 53-Jährigen war es nicht verwunderlich, dass es bei so vielen Hersteller Probleme mit den neuen V8-Triebwerken gegeben hat: "Ich habe mit so vielen Motorschäden gerechnet. Es war zu erkennen, dass alle Hersteller mit der Entwicklung noch nicht fertig waren oder gerade fertig wurden. Wenn man sich mit den Kollegen unterhalten hat, dann haben eigentlich alle gebangt, dass die Motoren am zweiten Rennwochenende durchhalten."

Hitzerennen sind für Motoren kein Problem

Gemeinhin wird gesagt, dass die Motoren bei hohen Temperaturen - wie sie in Bahrain und Malaysia herrschten - härter belastet werden als bei kühlen Temperaturen, wie sie an diesem Wochenende in Melbourne herrschen, doch daran ist laut Theissen nichts: "Die Wahrscheinlichkeit wird genauso hoch sein. Solange die Temperaturen nicht überschritten werden, haben die Temperaturen keinen nennenswerten Einfluss auf die Haltbarkeit. Auch in Malaysia haben wir die Grenztemperaturen nicht überschritten."

BMW Sauber F1 Team hat ein Saisonziel schon erreicht

Trotz oder gerade wegen der Probleme bezeichnet Theissen die erste Bilanz als "gemischt aber der Grundtenor ist positiv. Wir haben auf der Strecke in Bezug auf die Leistung das Ergebnis von acht Monaten Arbeit gesehen, das war sehr überzeugend. Das Auto war im letzten Jahr pro Runde 1,5 Sekunden langsamer als der Schnellste, diesen Rückstand haben wir halbieren können. Das war das Ziel für die erste Saison und das haben wir in den ersten beiden Rennen schon erreicht, das ist sehr erfreulich. Von der Performance her ziehen wir ein positives Fazit."

"Die Entwicklungszeit für den Motor war einfach zu kurz", so Theissen weiter. "Wir befinden uns wie die anderen Hersteller jetzt in einer Phase, die wir normalerweise im November und Dezember durchlaufen, wo es einfach darum geht, die Zuverlässigkeit statistisch abzusichern. Das zieht sich in diesem Jahr in die Saison hinein."

Kräfteverhältnis an der Reifenfront noch unklar

Hinter dem Kräfteverhältnis an der Reifenfront sieht Theissen noch ein Fragezeichen: "Ich erwarte neue Erkenntnisse in Bezug auf die Reifensituation in Imola, auch wenn es hier schon zum Wochenende hin kühler werden soll. Imola könnte das erste kalte Rennen der Saison sein. Da könnte die Leistung der Reifen das Kräfteverhältnis in der Formel 1 durcheinander bringen."

"Wir hatten in Malaysia zwischen Platz sieben und 14 weniger als 0,2 Sekunden. Da reicht ein minimaler Einfluss durch die Reifen, um das ganze Ding umzudrehen. In der Vergangenheit war Michelin gut in der Hitze und Bridgestone gut, wenn es kalt ist. In den ersten beiden Rennen haben wir das schonmal nicht sehen können."

BMW Sauber F1 Team fehlt noch jede Menge Personal

Bis man an die Konkurrenz den Anschluss geschafft hat, wird es noch dauern - personell hat das BMW Sauber F1 Team noch einiges aufzubauen, infrastrukturell ebenso: "60 Stellen sind noch offen, wobei von den anderen, die ich jetzt abgezogen habe, noch nicht alle an Bord sind, es gibt noch welche, die an Bord kommen, deren Verträge erst in zwei oder drei Monaten abgelaufen sind."

"Bei uns sind es inzwischen auf der Fahrzeugseite fast 320 Mitarbeiter, nach meinen Informationen liegt Red Bull bei 450, Williams, Renault und Honda bei 500 und McLaren, Ferrari und Toyota darüber", stellt der BMW Motorsport Direktor klar, dass man großen Rückstand auf die Konkurrenz hat.

Nur "sehr wenige" Mitarbeiter konnte man aus dem Konzern übernehmen: "Auf der Fahrzeugseite weicht die Formel 1 etwas stärker ab als auf der Antriebsseite, insbesondere im Bezug auf die Kohlefaser. Wir arbeiten zwar auch in der Serie mit Kohlefaser, das sind aber singuläre Anwendungen. Vor allem geht es dann immer um industrielle Herstellprozesse, nicht um Handarbeit wie in der Formel 1. Ich gehe schon davon aus, dass wir da in Zukunft Synergien generieren können, aber in der Serie hat man halt eben keine traditionelle Bauweise."

Überraschung Kubica

Apropos Personal, ein Mitarbeiter hat Theissen besonders beeindrucken können: "Die einzige Überraschung ist für mich bisher der Robert Kubica, der sich angesichts der Tatsache, dass er beide Strecken nicht gekannt hat, hervorragend schlägt. Er kommt schnell nach nur wenigen Runden auf das Tempo erfahrener Testpiloten. Er macht so gut wie keine Fehler und gibt sehr gut verwertbare Daten zurück, das heißt, er stimmt wirklich das Auto für die beiden Rennfahrer ab."