• 23.02.2016 11:54

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technische Analyse Haas VF-16: Doch kein zweiter Ferrari...

Das neue US-Team Haas sorgt für frischen Wind: Durch die Herkunft, aber auch, weil man so viele Teile wie möglich zukauft - Dennoch ist der Bolide keine Ferrari-Kopie

(Motorsport-Total.com) - Als erstes US-amerikanisches Formel-1-Team seit 30 Jahren hat das Debüt von Haas für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei ist es gar nicht so sehr die Nationalität, die das Team zum Vorreiter macht.

Titel-Bild zur News: Präsentation/Launch des Haas-Ferrari VF-16

New Kid on the Block: Der neue Haas-Bolide überrascht positiv Zoom

Haas ist das erste Team, welches das Reglement in Sachen Kundenteile voll auslotet und nur das Minimum an Komponenten selbst herstellt, um als Konstrukteurs bezeichnet zu werden. Der VF-16 ist das Ergebnis des Triumphirats Haas, Dallara und Ferrari, sieht aber dennoch nicht auf Anhieb wie ein B-Ferrari aus.

Haas im Formel-1-Supermarkt

Die Regel der aufgelisteten Teile besagt, dass Haas die Nase, das Monocoque, die Kühler und die Karosserie selber konstruieren muss - unter Karosserie versteht man alle Oberflächen, die mit dem Luftstrom rund um das Auto in Berührung kommen, also die Flügel, der Unterboden, der Diffusor und viele andere kleine Karosserieteile.

Ferrari lieferte nicht nur das übliche Antriebsstrang-Paket - also Motor, ERS und Getriebe - , sondern auch alle mechanischen Teile, die hintere Crashstruktur und sogar das Lenkrad.

Haas, Nase

Die Nase des Haas-Boliden ähnelt eher dem Mercedes, als dem Ferrari Zoom

Diese werden von Ferrari als Bausatz geliefert und von Haas in Italien, wo man eine Basis im Dallara-Werk hat, zusammengebaut. Dallara wurde außerdem beauftragt, die aufgelisteten Teile zu designen und zu fertigen.

Obwohl es bekannt ist, dass Haas den Ferrari-Windkanal benutzt, steht das 60-Prozent-Modell im eigenen Besitz und wird bei Dallara gelagert, wenn es nicht in Verwendung ist. Zwischen den Designabteilungen besteht kein Datentransfer. Die Karosserie wird also zu 100 Prozent von Dallara designt, obwohl man von den aktuellen Ferrari-Ideen beeinflusst wird.

Innovative Frontpartie

Was die Grundstruktur angeht, unterscheiden sich Nase und Monocoque optisch ganz klar von Ferrari, obwohl sie mit Teilen aus Maranello versehen wurden. Ähnlichkeiten wird es zweifellos in Bereichen wie dem Tank und der Aufhängung geben, wo die Elemente von Ferrari und Haas aufeinandertreffen.

Haas hat sich für eine kurze, schmale und runde Nase entschieden, die der Mercedes-Philosophie entspricht. Die Ähnlichkeit mit dem Weltmeisterteam zeigt sich an den Leitblechen unter der Nase, die aus der Vorderansicht erkennbar sind. Außerdem fällt ein kleiner Höcker auf der Nase auf. Dabei handelt es sich um einen S-Schacht und somit um eine zusätzliche Parallele zu Mercedes.

Haas, Höcker, S-Schacht

Höcker auf der Nase: Auch Haas setzt 2016 auf einen S-Schacht Zoom

Ein Großteil der Monocoque-Form ist durch das Reglement beschränkt, aber Haas weicht beim Überrollbügel deutlich vom Ferrari-Design ab. Dabei handelt es sich einmal mehr um ein von Dallara designtes Teil. Der Überrollbügel ist unterschnitten, und der vordere Teil ist sichtbar, da die Lufthutze von den Streben gestützt wird.

Auch die Struktur und die Öffnungen an der Front des Chassis sind einzigartig. Das Auto scheint für einen S-Schacht gemacht zu sein, aber der Auslass wurde abgedeckt. Dieser Auslass sollte über eine eigene Öffnung im Chassis verfügen, anstatt durch die Nase oder innerhalb einer Zierabdeckung zu verlaufen, was das Design von Haas einzigartig macht. Weitere abnehmbare Abdeckungen an der Front des Chassis bieten Zugang zu den Drehstabfedern der Aufhängung.

Bei Haas handelt es sich um ein neues Team. Das erkennt man daran, wie das Cockpit in die hintere Karosserie übergeht. Anstatt auf die inzwischen etablierte "Size-Zero"-Philosophie zu setzen, die für ein sehr niedriges Heck sorgt, wird das Profil hinten von den Auspuffrohren bestimmt.


Formel-1-Neuling Haas präsentiert VF-16

Die ersten Bewegtbilder des brandneuen Haas-Ferrari VF-16 aus dem Studio, noch vor Beginn der Tests in Barcelona. Weitere Formel-1-Videos

Doch keine Ferrari-Kopie

Obwohl Haas über ein eigenes, von Ferrari getrenntes Windkanal-Programm verfügt, ist erkennbar, dass es bei den Konzepten der beiden Teams Ähnlichkeiten gibt. Haas hat in Italien zahlreiche erfahrene Formel-1-Mitarbeiter engagiert. Es ist also keine große Überraschung, dass einige von ihnen von Ferrari stammen. Dem sei aber hinzugefügt, dass sie nicht aus Maranello ausgeliehen wurden.

Da man bei Null beginnt, ist es verständlich, dass die Designer auf Ideen zurückgreifen, die man bereits bei früheren Arbeitgebern umgesetzt hat, auch wenn das zu Ähnlichkeiten führt. Man kann also davon ausgehen, dass sich das ändern wird, wenn das Designteam seine Unabhängigkeit als Haas/Dallara-Mannschaft erlangt hat.

Haas, Unterboden

Ausgefeilt: Vor den Hinterrädern wurden zahlreiche Schlitze angebracht Zoom

Außerdem konzentrieren sich die Ähnlichkeiten von Haas und Ferrari auf die Bereiche, in denen der Ferrari dem Mercedes ähnelt. Man kann sie also durchaus als aktuelle Formel-1-Trends sehen, anstatt als Beweis für eine Überschneidung zwischen Haas und Ferrari.

Haas ein Mittelfeld-Kandidat?

Die Karosserie des Autos ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Der Unterboden vor den Hinterrädern weist zahlreiche Schlitze auf, was auf den Präsentationsfotos noch nicht zu sehen war - ein Trend, der dieses Jahr sicher Schule machen wird. Das deutet darauf hin, dass das Auto das Potenzial hat, von Saisonbeginn an auf Augenhöhe mit den Mittelfeldteams zu sein.

Die bislang letzte Gruppe neuer Team (HRT, Caterham, Manor) benötigte viele Jahre der Entwicklung, um beim Design auf das Niveau der Mittelfeld-Teams zu kommen. Haas hat diese Wachstumsphase übersprungen und ist durch das Konzept der aufgelisteten Teile auf einem hohen Niveau eingestiegen.

Die ersten Tests liefen abgesehen von einem Frontflügelbruch problemlos. Ein derartiges Problem kann aber selbst bei den Topteams auftauchen. Wenn man die Funktionstests einmal abgeschlossen hat, dann werden wir sehen, ob die Herangehensweise von Haas funktioniert. Sie hat auf jeden Fall das Potenzial, die Hinterbänkler zu übertrumpfen und direkt im Mittelfeld einzusteigen.

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