• 13.07.2006 16:39

Technikfokus Magny-Cours

So schätzt das Weltmeisterteam Renault die technischen Herausforderungen des Grand-Prix-Kurses von Magny-Cours ein

Aerodynamischer Abtrieb

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

In Magny-Cours werden besondere Anforderungen an das Material gestellt

In Magny-Cours verwenden die Teams ein mittleres bis hohes Abtriebsniveau. Dies verbessert Bremsstabilität und Traktion und erhöht zugleich den Grip in mittelschnellen Kurven. Auf der französischen Grand-Prix-Strecke besteht immer die Versuchung, durch flachere Flügel höhere Topspeeds zu erreichen, um eventuell auf dem langen Vollgasstück vor Turn fünf Gegner überholen zu können. Das wäre allerdings nutzlos bis kontraproduktiv: Weniger Abtrieb bezahlen die Piloten mit deutlich geringerer Kurvengeschwindigkeit in Turn drei. Wer hier am Kurvenausgang zu langsam ist, wird diesen Nachteil auch auf der folgenden Geraden nicht wettmachen und keine höhere Endgeschwindigkeit erreichen.#w1#

Aufhängung

Die Strecke weist eine außergewöhnlich ebene Fahrbahnoberfläche auf. Dies erlaubt eine sehr geringe Bodenfreiheit und eine steife Abstimmung der Aufhängung. Beides trägt zu einem optimalen Arbeiten der Aerodynamik bei. Das steife Setup verbessert darüber hinaus die Agilität - wichtig für die schnellen Richtungswechsel in den aus Turn sechs/sieben und elf/zwölf gebildeten Schikanen. In diesen Abschnitten könnte das Auto etwas nervös wirken, was allerdings keine Zeit kostet, da jeweils Bremszonen und langsame Kurven folgen. Trotz der tendenziell steifen Grundabstimmung für die schnellen Kurven suchen die Ingenieure immer auch nach einem Kompromiss, der guten mechanischen Grip in den langsamen Ecken gewährt.

Zuverlässigkeit

Magny-Cours hält einige ungewöhnliche Anforderungen für die Mechanik der Autos bereit. Die größte davon sind die sehr hohen Kerbs der ersten Schikane. Für die schnellste Linie müssen die Fahrer die Randsteine überfahren - oder besser überspringen. Dies birgt allerdings das Risiko, beim Abheben der Hinterräder den Motor zu überdrehen oder die Kraftübertragung zu überlasten. Im Qualifying dürften die Piloten sich für die schnellste Variante entscheiden, im Rennen werden sie im Sinne der Haltbarkeit ihrer Boliden ihre Linie meist etwas abändern.

Asphalttemperatur

Die Asphaltoberfläche in Magny-Cours ist bekannt dafür, extrem schnell und heftig auf Temperaturschwankungen zu reagieren. Schon geringe Änderungen der Sonneneinstrahlung können sich auf die Asphalttemperatur auswirken - so dass in manchen Fällen schon eine harmlose vorbeiziehende Wolke ausreicht, um eine Reifenmischung aus dem idealen Arbeitsfenster herausfallen zu lassen. Dieser Effekt muss bei der Reifenwahl unbedingt berücksichtigt werden. Entsprechend genau achten die Ingenieure auf die Wettervorhersage. Grundsätzlich verursachen höhere Temperaturen ein stärkeres Übersteuern. Wechselnde Wärmeverhältnisse sind also während des gesamten Wochenendes eine der wesentlichen Parameter für die Fahrzeugabstimmung.

Drehmoment

Magny-Cours zählt zu jenen Kursen, auf denen ein gutes Drehmoment zu den wichtigsten Stärken des Motors gehört. Dabei geht es zum einen um das kraftvolle Herausbeschleunigen aus den vielen langsamen Kurven, aber auch um gute Fahrbarkeit bei höheren Drehzahlen. In Turn drei und den beiden schnellen Schikanen steigen die Fahrer noch in der Kurve voll auf das Gas, während das Auto unter hoher aerodynamischer Last steht. Die Leistungsabgabe muss daher so sanft wie möglich erfolgen, um das Auto nicht aus der Balance zu bringen. Wegen des niedrigeren Leistungsniveaus der V8-Motoren dürfte dies aber nicht ein ganz so entscheidender Faktor werden wie zu Zeiten der V10-Triebwerke.

Getriebeübersetzung

Die Übersetzungen der sieben Gänge des Renault R26 liegen in Magny-Cours enger beieinander als üblich, um die Beschleunigung aus niedrigen Geschwindigkeiten zu verbessern. Daher gilt das Hauptaugenmerk dem Geschwindigkeitsbereich von 0-250 km/h, die Topspeed-Werte sind eher zweitrangig. Das liegt daran, dass die beste Überholmöglichkeit am Ende der Gegengeraden besteht. Diese Passage wird allerdings von einer aerodynamisch sensiblen Kurve eingeleitet, in der es kaum möglich ist, einem Gegner nah zu folgen. Selbst ein Geschwindigkeitsvorteil am Ende der Geraden würde also kaum einen Überholversuch zulassen. Die Ausnahme von dieser Regel bilden die ersten Runden, wenn die Abstände zwischen den Autos ständig schwanken und Positionswechsel mehrfach möglich sind.

Kontrollsysteme

Die elektronischen Regelsysteme kommen in Magny-Cours vor allem in zwei Bereichen zum Tragen: erstens bei der Kontrolle des Reifenverschleißes auf der Antriebsachse, zweitens beim Verhindern des Überdrehens, wenn die Autos auf den Kerbs der zweiten Schikane kurzfristig den Bodenkontakt verlieren und die Hinterräder frei drehen können. Die Kalibrierung der Systeme gehört allerdings zum normalen Arbeitsprogramm des Teams und stellt keine zusätzliche Herausforderung dar.