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  • 25.04.2017 13:34

  • von Roman Wittemeier

Technikanalyse: Wo Ferrari bislang den Vorteil hatte

Gewollte Strömungsabrisse am Frontflügel wirken sich auf die Reifennutzung aus: Darum war Ferrari in den bisherigen Formel-1-Rennen 2017 so stark

(Motorsport-Total.com) - In der aktuellen Formel-1-Saison 2017 liefern sich Ferrari und Mercedes ein enges Duell an der Spitze. Sebastian Vettel und Lewis Hamilton konnten die Siege und zweiten Plätze bei den Grands Prix in Australien, China und Bahrain unter sich ausmachen. Das Duo hat sich in der WM-Gesamtwertung bereits recht deutlich von den jeweiligen Teamkollegen Valtteri Bottas (Mercedes) und Kimi Räikkönen (Ferrari) absetzen können.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel konnte sich in zwei Rennen gegen Mercedes durchsetzen Zoom

An den ersten drei Rennwochenenden dieses Jahres hatte Ferrari in den Qualifyings oftmals Mühe, das Tempo der Silberpfeile mitzugehen. An den Sonntagen zeigte sich meist ein anderes Bild: Die Roten waren mindestens ebenbürtig. Dies hat aus Sicht von Technikexperte Gary Anderson aerodynamische Gründe. Ein absichtlicher Strömungsabriss am Frontflügel definiert die Reifennutzung bei den beiden Topteams. Und in diesem Bereich hatte Ferrari aus Sicht des ehemaligen Formel-1-Designers die bessere Lösung.

"Es liegt immer alles an der generellen Fahrzeugbalance", erklärt Anderson gegenüber 'Autosport'. Diese Balance ist im Fahrbetrieb jedoch alles andere als stabil. Lenkbewegungen, Winde oder oder Lastverschiebungen haben teils erhebliche Konsequenzen. Der Schlüssel zu einer konstant guten Performance im Rennen liegt in der optimalen Ausnutzung der hinteren Reifen. Und genau dies wird erheblich von der Spezifikation an der Front des Autos beeinflusst.

Wird die Front leicht, wird es hart für den Hinterreifen

"Der Ferrari ist an der Vorderachse nicht so direkt. Das verhindert im Qualifying oftmals die maximale Leistung", erklärt Anderson. Beim Mercedes ist der Reifen in der Zeitenjagd schneller im optimalen Betriebsfenster. Der Nachteil: Über längere Distanzen leiden die hinteren Reifen, weil am Heck mehr Bewegung stattfindet. "Beim Ferrari werden die hinteren Pneus am Kurveneingang nicht so stark belastet, sie können die im Kuvenverlauf auftretenden Kräfte besser meistern", sagt der erfahrene Ingenieur.

"Das kann man nicht einfach über einen flacheren Frontflügel regeln, denn wenn du das machst, dann hast du überall Untersteuern. Es geht eher um eine vorübergehende aerodynamische Wirkung. Aus meiner Sicht kommt es auf einen absichtlichen Strömungsabriss am Frontflügel an", meint Anderson. In den Bremszonen gibt es eine Nickbewegung des Autos. Die Lage des Flügels im Verhältnis zur Straße verändert sich, dadurch gleichzeitig auch dessen Anströmung.

Mercedes fährt an der Front mit einem Flügel, der aus zwei Hauptblättern besteht. Ferrari hatte in den ersten Rennen nur ein Hauptblatt. Der Abtriebsverlust beim starken Bremsen ist am Auto aus Maranello zunächst höher. "Aber wenn die Nickbewegung beendet ist und die Anströmung wieder normal wird, dann braucht es nur ganz wenige Meter, bis der volle Anpressdruck wieder da ist. Das beschert eine gute Balance im Scheitelpunkt und am Kurvenausgang", erklärt Anderson.


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"Diese vorübergehenden aerodynamischen Effekte sind umfassend dafür verantwortlich, dass es zwischen der Performance im Qualifying und der Leistung über die Distanz in Relation gesehen Unterschiede geben kann. Es ist extrem schwierig, ein Paket zu entwerfen, das in beiden Disziplinen gleich gut ist", sagt der ehemalige Jordan-Technikchef. "Ferrari hat neuerdings von einem auf zwei Flügelelemente umgebaut. Ich hoffe, sie wissen, was sie tun..."