• 21.10.2009 14:57

  • von Dieter Rencken

Szafnauer: "Force India ist anders als Honda"

Interview mit Otmar Szafnauer: Was er sich als Nachfolger von Simon Roberts bei Force India vornimmt und was er dem Team künftig zutraut

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Mittwoch trat Otmar Szafnauer in Silverstone seinen neuen Job als Betriebsdirektor für Force India an. Der Ex-Honda-Mann löst damit Simon Roberts ab, der von seinem ursprünglichen Arbeitgeber McLaren zurück nach Woking beordert wurde. Erste Verhandlungen zwischen Szafnauer und Force India hatten bereits im vergangenen November stattgefunden, weitere Gespräche fanden in Monte Carlo und Monza statt. Nach Monza ging dann alles sehr schnell.

Titel-Bild zur News: Otmar Szafnauer und Simon Roberts

Otmar Szafnauer übernimmt die Leitung bei Force India von Simon Roberts

In São Paulo war Szafnauer - zwei Tage nach seinem Amtsantritt - erstmals bei einem Rennwochenende dabei. Um einen fließenden Übergang zu ermöglichen, arbeitet er bis Saisonende Seite an Seite mit Roberts, um die Arbeitsweisen des Teams kennen zu lernen. Einfach blind Veränderungen anzuordnen, hält er nicht für sinngemäß: "Damit triffst du vielleicht manchmal zufällig ins Schwarze, aber der richtige Weg ist das nicht." Nach dem Qualifying zum Grand Prix von Brasilien nahm sich Szafnauer Zeit für ein Interview mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Frage: "Otmar, mit welchem Gefühl trittst du diesen Job an?"
Szafnauer: "Ich bin sehr aufgeregt. Es ist anders als Honda. Die Größe ist anders, die Prozeduren sind anders. Die Aufgaben der Leute an sich sind aber die gleichen. Man muss das Auto designen und bauen, es gibt die Qualitätskontrolle, man muss das Auto einsetzen. Es gibt eine Marketingabteilung. Man muss die gleichen Aufgaben mit weniger Leuten bewältigen. Dadurch tragen die Leute mehr Verantwortung. Daraus schöpft man viel, wenn die Performance stimmt. Das gefällt mir."

Alle Mitarbeiter passen in einen Raum

"Wir haben alle Mitarbeiter in einem einzigen Raum versammelt. Das habe ich seit acht Jahren nicht mehr erlebt!" Otmar Szafnauer

"Als wir bekannt gegeben haben, dass ich Simons Posten übernehmen würde, haben wir alle Mitarbeiter in einem einzigen Raum versammelt. Das habe ich seit acht Jahren nicht mehr erlebt! Das fand ich sehr schön. In einem Team geht es auch um Persönlichkeiten. Die lernt man in einem kleinen Team besser kennen."

Frage: "Warst du dir nach dem Ausstieg bei Honda sicher, dass du wieder in die Formel 1 zurückkehren würdest?"
Szafnauer: "Ehrlich gesagt nein, denn es gibt global gesehen nicht allzu viele Teams. Für jemanden mit meiner Erfahrung gibt es in diesem Geschäft nicht allzu viele Jobs. Als ich 1998 Ford verlassen habe, musste ich eine Entscheidung treffen: entweder in der Industrie bleiben oder in den Motorsport gehen. Ich habe mich damals für den Motorsport entschieden und mich voll und ganz darauf konzentriert. Elf Jahre später wäre es schwierig gewesen, wieder in die Industrie zu wechseln. Ich freue mich, dass eines der Teams meine Erfahrung nutzen möchte."

Frage: "Stimmt es, dass du schon vor einem Jahr zum ersten Mal mit dem Team gesprochen hast?"
Szafnauer: "Ja. Das war vor ungefähr einem Jahr, als das Management des Teams umgekrempelt wurde. Damals haben wir gesprochen - nicht direkt mit Vijay, aber wir haben uns darüber unterhalten, ob ich an Bord kommen und ihnen helfen würde. Sie waren interessiert, aber das Timing hat nicht gepasst. Dann kam Simon hierher."

"Als bekannt wurde, dass er wieder weg muss, setzten wir unsere damaligen Diskussionen fort. Ich habe Vijay in Monza getroffen. Er hat gesagt: 'Wir brauchen jemanden und deine Erfahrung ist genau das, was wir brauchen.' Vijay ist fantastisch. Ich halte ihn für einen sehr intelligenten Mann. Er betreibt viele Geschäfte, aber wenn es um die Formel 1 geht, weiß er genau, wovon er redet. Er stellt genau die richtigen Fragen."

Unterschrift erst nach Singapur

"Solange der Vertrag in diesem Geschäft nicht unterzeichnet ist, behält man es besser für sich." Otmar Szafnauer

Frage: "Als wir uns in Singapur getroffen haben, hast du also schon davon gewusst, es mir aber nicht erzählt..."
Szafnauer: "In Singapur wusste ich, dass es passieren könnte, aber der Vertrag war noch nicht unterschrieben. Solange der Vertrag in diesem Geschäft nicht unterzeichnet ist, behält man es besser für sich. Ich habe auch mit anderen Teams gesprochen, aber ich habe Force India immer versprochen, bis Monza zu warten. Einige der neuen Teams haben gesagt, dass sie mich haben wollen. Danach haben sie sich aber nicht mehr gemeldet. Force India schon."

Frage: "Wann war das dann der Fall?"
Szafnauer: "Am Mittwoch."

Frage: "Dann muss es ja sehr hektisch gewesen sein, dich nach São Paulo mitzunehmen?"
Szafnauer: "Ja. Ich meine, wir haben damit gerechnet, dass wir am Mittwoch unterschreiben würden. Der Flug und das Hotel waren also bereits im Vorfeld gebucht. Nach Vijays Treffen in Monza haben wir uns ein weiteres Mal getroffen. Beim zweiten Treffen haben wir es bereits per Handschlag besiegelt."

Frage: "Deine genaue Positionsbezeichnung ist COO, also Betriebsdirektor. Es gibt heutzutage so viele Titel im Paddock, kannst du erklären, was genau deine Aufgabe als Betriebsdirektor ist?"
Szafnauer: "Als COO bin ich sowohl für die Rennstrecke wie auch für die Fabrik verantwortlich. In der Fabrik bin ich verantwortlich für Design, Entwicklung, Produktion, Einkauf und Qualitätskontrolle des Autos. An der Strecke stehe ich dem Einsatz des Produkts vor. Mein Job beinhaltet beide Seiten. Und ich bin natürlich auch in gewisse kommerzielle Aspekte involviert, zum Beispiel das Management von Sponsorings und so weiter."

Direkt Mallya unterstellt


Fotos: Force India, Großer Preis von Brasilien, Sonntag


Frage: "Du berichtest dann direkt an den Vorstand, der derzeit aus Vijay Mallya und den Mols besteht, richtig?"
Szafnauer: "Ja."

Frage: "Wer berichtet an dich?"
Szafnauer: "Was die Namen angeht, kann ich dir das ehrlich gesagt noch gar nicht sagen, denn ich habe das Organigramm noch nicht gesehen. Ich wurde am Mittwoch vorgestellt, am Donnerstag bin ich geflogen und am Freitag ging es schon los. Ich kann sagen, dass ich Simon ersetze, der für alles verantwortlich war."

Frage: "Was sind deine Ziele? Wollt ihr nächstes Jahr ein Rennen gewinnen, in drei Jahren Weltmeister werden?"
Szafnauer: "Nein. Gut, dass du das fragst. Ich glaube, nächstes Jahr sollten wir regelmäßig in die Punkte fahren. Wenn das gelingt, dann sollte der Punktestand am Ende der Saison zwei- oder dreimal so hoch sein wie diese Saison. Es gibt auch das Ziel, im Qualifying öfter als dieses Jahr in das dritte Segment aufzusteigen. Wir wollen konstant ein Auto in den Top 10 haben. Für danach gibt es weitere Ziele, aber wir müssen vor allem den Trend aufrechterhalten, immer besser zu werden. Dieses Jahr war ein großer Schritt. Ich denke, wir gehören jetzt zur Mittelklasse."

Frage: "Man kann den Erfolg an den Medienanfragen messen - und da scheint ihr derzeit sehr viel zu tun zu haben..."
Szafnauer: "Man muss sich ja nur das Qualifying in São Paulo anschauen: Wenn Tonio seinen Unfall nicht gehabt hätte, wäre er auch viel weiter vorne gelandet. Ich glaube, ansonsten hätte er auch eine Chance auf Q3 gehabt. Das zeigt, dass unser Auto im Moment besser ist als viele andere. Das ist ein Riesenschritt im Vergleich zum Vorjahr."

Performance zeigt nach oben

"Das war eine sehr starke Leistung." Otmar Szafnauer

Frage: "Adrian Sutil wäre ja benzinbereinigt in der ersten Startreihe gestanden..."
Szafnauer: "Absolut. Er war ein wenig schwerer als Rubens und in etwa gleich schwer wie Webber. Das war eine sehr starke Leistung."

Frage: "Werdet ihr eure Zusammenarbeit mit McLaren-Mercedes fortsetzen?"
Szafnauer: "Ja. Wir werden weiter mit Mercedes-Motor fahren und die Zusammenarbeit mit McLaren fortsetzen. Die Tatsache, dass sich Simon künftig bei McLaren neben seinen anderen Tätigkeiten auch darum kümmern wird, hilft uns. Er kennt dieses Team sehr gut und wir kennen ihn. Da kann er uns von der McLaren-Seite aus helfen."

"Außerdem ist das Gute an diesem Deal, dass wir bestimmte Bereiche abhaken und sagen können: Darum müssen wir uns nicht kümmern. Wir sind also von den Ressourcen und vom Personal her relativ klein, aber diese Bereiche fallen weg, sodass wir all unsere technischen Ressourcen in anderen Bereichen einsetzen können."

Frage: "Es ist kein Geheimnis, dass Vijay Mallya über Sponsorings Geld aus seinen Unternehmen ins Team gesteckt hat. Wird sich das ändern?"
Szafnauer: "Ja. Wir haben darüber noch nicht gesprochen, aber es wäre ja nur logisch. Die Hoffnung ist, dass mehr und mehr Geld von außen ins Team kommt. Je unabhängiger du sein kannst, desto besser. Ich schätze, insgeheim hoffen alle Teams darauf, dass sie eines Tages mit der Formel 1 Geld verdienen können. Das wäre sehr gesund, nicht nur für dieses Team."

Erfahrung mit diversen Arbeitsgruppen

"Bei Honda war ich zuständig für die Angelegenheiten der Herstellervereinigung GPMA, ich verstehe also die Mechanismen." Otmar Szafnauer

Frage: "Was die Teamvereinigung FOTA angeht, wirst du in diesem Gremium Force India repräsentieren?"
Szafnauer: "Es gibt viele Subgruppen der FOTA. Es gibt das Exekutivkomitee, dem weiterhin Vijay angehören wird. Dann gibt es eine Technische, eine Sportliche und eine Kommerzielle Arbeitsgruppe. Die Kommerzielle Arbeitsgruppe werde ich besuchen. Bei Honda war ich zuständig für die Angelegenheiten der Herstellervereinigung GPMA, ich verstehe also die Mechanismen."

"Weil ich das letzte Jahr nicht dabei war, muss ich ein bisschen aufholen, aber ich stelle mir vor, dass sehr ähnliche Themen in Arbeit sind: Wie kann man den Sport effizienter und finanziell für die Teams interessanter machen? Wie kann man die Show besser machen? Ich denke, all diese Fragen liegen noch auf dem Tisch, aber ich muss es wie gesagt erst herausfinden."

Frage: "Deine Firma SoftPauer hat eine iPhone-Applikation für das Formel-1-Livetiming entwickelt. Wirst du darin weiterhin involviert sein?"
Szafnauer: "Ich werde sicher nicht mehr ins Tagesgeschäft involviert sein. Im vergangenen Jahr habe ich allerdings viel Mühe in SoftPauer investiert, ebenso wie das technische Team."

"Das Schöne ist, dass die Applikation draußen ist und funktioniert. Wir hatten anfangs ein paar Bugs, aber die sind behoben. Wir haben Aufmerksamkeit generiert. Jetzt verkauft es sich im Store und das wird weitergehen. Darüber sind wir glücklich. Wir haben bei SoftPauer einen Mann, der sich jetzt um das Marketing und so weiter kümmern wird. Sie werden das unabhängig von mir weiterführen."

Fahrer sollen gehalten werden

¿pbvin|512|2079||0|1pb¿Frage: "Es gibt derzeit drei Bereiche, in denen die Situation wie eingefroren scheint: Kalender, Fahrermarkt und Motorenmarkt. Euer Motor ist fixiert, der Kalender ist Angelegenheit des Inhabers der kommerziellen Rechte, aber der Fahrermarkt ist noch völlig offen. Wo steht ihr diesbezüglich?"
Szafnauer: "Vor zwei oder drei Wochen haben alle gesagt: Sobald Ferrari entschieden hat, was sie machen wollen, wird alles andere auch losgehen. Das habe ich gehört, aber jetzt ist das immer noch nicht der Fall. Unsere Situation ist die, dass wir Stabilität beibehalten möchten. Unser Ziel ist, mit den beiden Fahrern, die wir im Moment haben, weiterzumachen. Wir sind zufrieden mit ihnen. Warum nicht?"

Frage: "Gibt es irgendetwas, was du noch anfügen möchtest?"
Szafnauer: "Ja. In der kurzen Zeit, in der ich nun hier bin, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Force India ein Team mit einem sehr starken Zusammenhalt ist. Sie wissen, was sie tun - in allen Bereichen. Sie sind an der Boxenmauer großartig, die Ingenieure machen einen guten Job, die Mechaniker kennen genau ihre Aufgaben."

"Tonio hatte im Qualifying einen schweren Unfall. Mich hat sehr gefreut, dass die Reparatur genauso abgelaufen ist wie bei einem großen Team, obwohl die Ressourcen hier kleiner sind. Es hat nicht lange gedauert, alle notwendigen Ersatzteile waren verfügbar. Operativ funktioniert das Team. Das kommt meiner Meinung nach daher, dass dieses Team eine große historische Tiefe hat. Früher war das einmal Jordan. Die Performance kommt. Daher bin ich sehr froh, Teil dieses Teams zu sein."

Frage: "Und du musst für diesen Job nicht umziehen..."
Szafnauer: "Normalerweise würde ich sagen, dass das kein Kriterium ist, aber jetzt, mit einer englischen Frau und zwei englischen Kindern, die zur Schule gehen, denkt man darüber schon nach. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal als Kriterium in Betracht ziehen würde, aber du liegst richtig: Es sind nur sechs Meilen weiter als bei meinem letzten Job. Honda in Brackley war 18 Meilen von meinem Haus entfernt, jetzt sind es 24. Das ist nichts."