Symonds: "Fernando wäre ein verdienter Weltmeister"
Renault-Chefingenieur Pat Symonds über Alonso, die Dominanz von McLaren-Mercedes und das Qualifyingformat für kommende Saison
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Pat, dieses Jahr war die Zuverlässigkeit sehr beeindruckend, obwohl die Motoren jetzt schon zwei Wochenende am Stück überstehen müssen. Wie schwierig war es, die Motoren so haltbar zu machen?"
Pat Symonds: "Es ist schwierig, aber eine Herausforderung für jeden Ingenieur. In der Formel 1 sind wir nicht daran gewöhnt, so langlebige Motoren zu verwenden, aber in anderen Rennserien ist das durchaus üblich. Wir mussten ein paar Dinge verändern, aber unsere Ingenieure haben sich darauf gut eingestellt und einen sehr guten Job gemacht. Ob die Veränderungen nur marginal sind? Ja, bestimmt! Die Teile sind manchmal schon ziemlich leicht und sehen fragil aus, aber so sollte das ja auch sein. In der Formel 1 ist nun mal alles am Limit. Das haben unsere Jungs gut hinbekommen."

© Renault
Pat Symonds hat vor zehn Jahren bei Benetton mit "Schumi" gearbeitet
Frage: "Wie ist es, mit Fernando Alonso zu arbeiten? Was für ein Fahrer ist er aus der Sicht eines Chefingenieurs?"
Symonds: "Ich habe schon mit vielen Weltmeistern gearbeitet, und Fernando hat sehr ähnliche Eigenschaften wie sie alle. Was an ihm besonders auffällig ist, ist, dass er für sein junges Alter schon unglaublich reif ist - auch gemessen an der kurzen Zeit, die er in der Formel 1 fährt. Das vergisst man bei ihm immer wieder."#w1#
Symonds sieht in Alonso große Rennintelligenz
"Er hat ein Ziel vor Augen und will dem alles unterordnen. Er ist sehr intelligent, kann die Rennen gut lesen und geht schonend mit seinem Material um, genau wie zum Beispiel auch Michael (Schumacher; Anm. d. Red.). Er versteht jede Taktik gut und weiß, was im Rennen getan werden muss. Er ist aber auch erfrischend und ein netter Bursche. Wenn er Weltmeister wird, wäre er jedenfalls ein verdienter Nachfolger von Michael."
Frage: "Du kennst sowohl Fernando Alonso als auch Michael Schumacher. Welche anderen Ähnlichkeiten oder Unterschiede kannst du sehen?"
Symonds: "Wenn man sich diese Leute anschaut, dann ist ein Jahr in der Formel 1 eine lange Zeit, aber zehn Jahre sind eine Ewigkeit. Es ist sehr schwierig, einen Vergleich zwischen Fernando heute und Michael vor zehn Jahren aufzustellen, als ich ihn kannte. Daher kann man die technische Seite nicht bewerten, sondern man muss die Menschen sehen. Weltmeisterliche Rennfahrer sind wie Weltmeister in jedem anderen Sport: Sie haben ein gewaltiges Selbstvertrauen und die Fähigkeit, sich selbst Ziele zu stecken. Sie sind realistisch, erreichen ihre Ziele aber von Zeit zu Zeit. Genau das sehe ich auch in Fernando, genau das habe ich in anderen Weltmeistern gesehen - und ich denke, das ist in fast jedem Sport so."
Dominanz von McLaren-Mercedes muss nicht dauerhaft sein
Frage: "Glaubst du, dass sich McLaren-Mercedes für die nächsten Jahre einen entscheidenden Leistungsvorsprung herausgearbeitet hat? Oder wird sich durch das Reglement so viel ändern, dass 2006 wieder alles anders sein kann?"
Symonds: "McLaren hat ein schnelles Auto, sie haben einen guten Job gemacht, aber wir pushen auch noch hart und haben hier wieder ein paar neue Teile dabei. Es gibt keine Garantie dafür, dass sich ihre derzeitige Dominanz in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Außerdem ist ihre Dominanz bei weitem nicht so extrem wie die von Ferrari. Die Dinge drehen sich eben im Sport, das ist ganz normal."
"Sie haben ein schnelles Auto, aber in der Weltmeisterschaft zählen die Punkte - und dazu trägt nicht nur der Speed bei, sondern auch die Zuverlässigkeit, das Teamwork und so weiter. Und selbst wenn sie das schnellste Auto haben, führen wir in der Weltmeisterschaft. Das werden wir bestimmt nicht vergessen - und hoffentlich die anderen Leute auch nicht!"
Frage: "Heute Morgen gab es ein Meeting bezüglich des Qualifyings für kommendes Jahr. Kannst du darüber etwas verraten?"
Symonds: "Flavio (Briatore; Anm. d. Red.) ist die treibende Kraft, die sich eine Veränderung wünscht. Es gab ja diesen Vorschlag, dass die Startreihenfolge im Qualifying durch den Ausgang des dritten Freien Trainings bestimmt werden sollte, aber Flavio hält diese Veränderung nicht für ausreichend. Stattdessen hat er einen Vorschlag eingereicht, der auf dem Ausscheidungsfahren, das eigentlich erst für 2008 vorgesehen ist, basiert - allerdings mit einigen Anpassungen wie beispielsweise der Tatsache, dass Rennbenzin an Bord bleiben sollte."
Briatores Qualifying-Vorschlag ist nicht vom Tisch
"Heute Morgen wurde das diskutiert, und dieser Vorschlag wurde nicht abgewiesen. Die Diskussionen werden jedenfalls weitergehen. In diesem Meeting wurden einige gute Punkte eingebracht, über die wir uns unterhalten werden. Das Problem ist, dass uns die Zeit davonläuft, und für nächstes Jahr haben wir die Designs sogar schon festgelegt, daher müssen wir bestimmt einen Kompromiss eingehen."
"Ich persönlich meine nach wie vor, dass wir mit dem Qualifying vorsichtig sein müssen. Unser Kerngeschäft sind die Rennen am Sonntag. Manchmal kommt es mir so vor, als würden wir das Qualifying überbewerten. Das Rennen zählt. Wenn wir das Qualifying auf Kosten der Spannung im Rennen ändern, wäre das ein großer Fehler."

